Master? Perfektionist!

Transkript

1 Master? Perfektionist! Oli Rust erhielt zum 13. Geburtstag eine Kamera. Seitdem war klar, dass er Fotograf werden wollte. Der 30-jährige Zürcher hat sich mittlerweile zum gefragten People- und Fashionfotografen hochgearbeitet und steht zurzeit im Finale des renommierten «Hasselblad-Masters- Award 2009». Oli Rust machte sich vor sieben Jahren selbständig und führt heute ein Fotostudio mit fünf Mitarbeitern und 300m 2 Fläche in Zürich Oerlikon. Mit seiner Nikon D3S reist er für Projekte durch die ganze Welt, die nächsten Destinationen sind Reykjavik und Sambia. Weblinks: Oli, du bist im Wettbewerb «Hasselblad Masters» unter den Top Ten deiner Kategorie. Was bedeutet das für dich? Oli Rust: Es ist natürlich toll aus 3000 Bewerbern zu den besten zehn zu gehören und bestätigt mich in meiner Arbeit. Ich liege also nicht so falsch mit dem, was ich tue. Wie hoch rechnest du dir deine Gewinnchancen aus? Seit ich gesehen habe, was die anderen Bewerber eingereicht haben, denke ich nicht mehr, dass ich eine Chance habe zu siegen. Im Nachhinein nerve ich mich ein bisschen, dass ich keine Bilderserie eingereicht habe. Fotos wirken in einer Serie immer ein bisschen cooler als nur als Einzelbild. Ich hätte auch genügend gute Bilder gehabt, um fünf aus einer Serie einzusenden, aber ich wollte lieber etwas Variation zeigen. Das bereue ich jetzt. Du bist in der Kategorie Fashion/Beauty nominiert, deine Bilder zeigen surreale Landschaften. Was fasziniert dich daran? Die Bildkombinationen von Fashion und Landscape sind meine Lieblinge.

2 Die Landschaftsfotografie ist schön, aber da gibt es schon tausend super Bilder, und es gibt mir nicht das Gleiche, wie wenn ich mit Leuten zu tun habe. Gleichzeitig kann man ein Shooting in der Natur nicht wirklich planen und das macht es auch immer zum Nervenkitzel. Eines der eingesandten Bilder beim Award machte ich in Irland bei einem Shooting im November. Es herrschten schon fast Minus-Temperaturen und es windete wie verrückt. Da weiss man nie, was das Wetter macht. Es regnete, aber zehn Minuten später schien wieder die Sonne und so hatten wir eine wunderschöne Lichtstimmung. Solche Einflüsse machen ein Shooting sehr spannend. Und was fasziniert dich an der Fashion-Fotografie? Am Fashion-Part liebe ich, dass einfach alles zusammenspielen muss. Nicht nur der Fotograf ist wichtig, sondern auch ein super Model, geniales Styling, perfektes Make-Up, das Licht und natürlich die Location. Alles zusammen ergibt das Endresultat, welches dann in der Elle oder Vogue erscheinen könnte. Das perfekte Zusammenspiel all dieser Faktoren macht ein gutes Shooting aus. Was inspiriert dich zu deinen Bildern? Ich habe sehr viele Ideen beim Hören von Musik. Ein Lied von Evanesence beispielsweise brachte mich auf die Idee des Irland-Projektes. Die Musik passt extrem in diese Landschaft und zu den Stimmungen, die ich dann für die Fotos kreiert habe. Andere Ideen habe ich auch aus Filmen oder aus Ausstellungen, bei denen ich etwas entdecke und das sich mit anderem zu

3 einer Idee zusammenfügt. Bei meinem Projekt in Kasachstan hat mich einfach privat interessiert, wie es da beim Aralsee aussieht. Ich wollte diesem Ort auch Publicity geben und die Leute zum Nachdenken bringen. Denn der Aralsee ist ausgetrocknet, weil unter anderem Wasser für die Baumwollplantagen abgezweigt wurde. Baumwolle, die in der Mode wieder verwendet wird und die ich jetzt sozusagen dahin zurückbringe, wo das Wasser eigentlich sein sollte. Ist die Fashion-Fotografie das richtige Business, um die Leute zum Nachdenken zu bringen? Das ganze Business ist eigentlich schon ziemlich crazy. Wenn ich manchmal überlege, wer denn schliesslich der Kunde dieser Produkte ist, rege ich mich fast auf. Aber auf der anderen Seite finde ich das Business einfach sehr interessant, ich möchte gerne diese Perfektion liefern, die da verlangt ist. Ausserdem mache ich ja nicht nur Fashion- Fotografie, sondern auch eigene Projekte, die ich später als Buch herausgeben möchte. Dazu werde ich dann Texte schreiben, um den Leuten meine Gedanken hinter den Bildern weiterzugeben. Sprichst du von deinem Fashion-Home-Story Projekt? Unter anderem, ja. Dieses Projekt mache ich mit einem befreundeten Fotografen, es ist ein Mix aus Fashion- und Reportage-Fotografie. Wir besuchen junge Frauen zwischen 18 und 24 Jahren aus verschiedensten Teilen der Welt und fotografieren sie an immer denselben persönli-

4 chen Orten. Uns interessiert ihr aktuelles Leben, ihre Hoffnungen, Idole, Zukunft und Ideale in Verbindung mit ihrem sehr persönlichen und lokalen Stil und ihrer Mode. Sie wählen ihre Kleidung und stylen sich selbst, so wie sie denken, das sei Fashion. Das sieht in Tokyo natürlich anders aus als in Novosibirsk. Weshalb fotografiert ihr nur junge Frauen? Wir haben das Gefühl, bei den Männern komme das persönliche Interesse am «Fashion-Part» meistens etwas zu kurz, was sich in Novosibirsk auch bestätigt hatte. Sämtliche Jungs liefen in Trainingsanzügen herum. Die Altersspanne haben wir so gewählt, weil das eine enorm spannende und wichtige Lebensphase ist. Man steht irgendwie an einer Schwelle, wird langsam Erwachsen. Eine 18-Jährige träumt noch anders von ihrer Zukunft als eine 25-Jährige. Viele heiraten dann später, kriegen Kinder, vieles verändert sich. Ein Hintergedanke ist auch, eventuell in zehn Jahren nochmals die gleichen Frauen zu suchen und erneut zu fotografieren. Dann gilt es herauszufinden, was aus ihnen und ihren Träumen geworden ist. Für deine Projekte reist du in der ganzen Welt herum. Was fasziniert dich aber an deiner täglichen Arbeit hier in Zürich? Ich bin einfach absolut der People-Fotograf und liebe es, mit Leuten zu arbeiten. Egal, wer es ist, ich liebe die Abwechslung. Manchmal fotografiere ich morgens den CEO einer Bank und nachmittags steht im Studio eine junge Frau, die Model werden möchte. Oder ich mache ein Werbeshooting. Diese Begegnungen mit verschiedensten Leuten finde ich eigentlich das

5 Spannende an der Arbeit. Andererseits aber auch, das Optimale aus einer Situation herauszuholen. Wenn es anfangs nicht so gut lief und ich dann doch gute Bilder hinkriege, ist das für mich die Befriedigung im Job. Und das Beste ist, dass das Produkt nicht wie bei einem Koch nachher verspiesen wird und weg ist, sondern die Bilder bleiben bestehen, sie sind Erinnerungen. Interview von Karin Stäheli-Seelaus 26. November 2009