Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis (Mt 21, )

Transkript

1 Zu Lehen Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis (Mt 21, ) Von Werner von Bergengruen stammt das Gedicht mit dem Titel Zu Lehen. Es lautet: Ich bin nicht mein, du bist nicht dein. Keiner kann sein eigen sein. Ich bin nicht dein, du bist nicht mein. Keiner kann des andern sein. Hast du mich zu Lehn genommen, hab zu Lehn ich dich überkommen. Also mags geschehen: Hilf mir, liebstes Lehen, dass ich alle meine Tage treulich dich zu Lehen trage und dich einstmals von der letzten Schwelle unversehrt dem Lehnsherrn wiederstelle. Mit seinem Gedicht macht Bergengruen auf eines aufmerksam: Auch die liebsten Menschen sind nicht dein Eigentum. Dir sind sie nur als Lehen anvertraut. Sei dankbar dafür, aber hüte dich, dich als ihr Besitzer aufzuspielen. Mach dir bewusst: Deine Frau, deine Kinder, die liebsten Menschen, die du hast, sie sind dir für eine bestimmte Zeit im Leben anvertraut zu deiner Freude und als Hilfe. Wisse, sie sind dein größter Reichtum. Du trägst große Verantwortung für sie, trag zu ihrer Entwicklung und zu ihrem Wohl das Deine bei, damit sie so werden können, wie Gott sie eigentlich gedacht hat. 1

2 Ich musste an dieses Gedicht denken, weil das heutige Evangelium in die gleiche Kerbe schlägt. In einem raffinierten Gleichnis bringt Jesus seine Zuhörer zum Nachdenken. Er macht klar: Wir sind die Pächter des Weinbergs. Von uns erwartet Gott, dass wir Früchte abliefern. Und er warnt davor, sich als Besitzer aufzuspielen. Pächter sind wir im Leben, lautet seine Botschaft. Wir merken es doch, welche Folgen es hat, wenn der Mensch sich als Besitzer dieser Welt aufspielt. Die ökologischen Folgen des Uns gehört die Welt! liegen auf der Hand. Wir sind nicht die Besitzer dieser Erde und dürfen uns mit einem Nach uns die Sintflut! nicht aus dem Staub machen. Es ist ein grundsätzlich anderes Lebensverständnis, ob wir uns als Eigentümer der Erde verstehen oder im Glauben an Gott unsere Welt als geliehene Schöpfung erkennen, in der wir als Pächter arbeiten. Genausowenig ist Kirche Besitzer des Glaubens. Pächter sind wir, nicht Besitzer eines Erbhofs. Unser Auftrag ist: Wie können wir die Kirche so gestalten, dass sie Gott nicht im Wege steht, dass sie ihn durchscheinen lässt und dass unsere Kinder und Enkelkinder diesen Weinberg anziehend finden. Ob wir als Kirche die Steinmauern um uns herum nicht schon zu hoch aufgeworfen haben, so dass man vor lauter Kirche keinen Jesus mehr sieht? Oder sind unsere Wachtürme so gut besetzt sind, dass sie jeden Ankommenden vertreiben? 2

3 Als Kirche sind wir Pächter, die Früchte abzuliefern haben. Gleich drei Mal wird im Gleichnis darauf hingewiesen. Früchte im Matthäusevangelium sind Taten. Taten der Barmherzigkeit und der Güte. Taten, an denen man sieht: Da meint es eine ernst mit ihrem Glauben. Da setzt sich einer in Gottes Namen für andere ein. Darauf kommt es bei den Pächtern in Gottes Weinberg an, nicht auf sogenannte Rechtgläubigkeit. Bei Matthäus glaubt richtig, wer Gutes tut. Und noch etwas: Wer meint, darüber urteilen oder gar bestimmen zu können, wer im Weinberg Gottes arbeiten darf und wer nicht; wer dazugehört und wer nicht; wer also Kirche ist und wer nicht: der führt sich auf, als wäre er Eigentümer des Weinbergs. Dabei, sagt uns Jesus, ist er nur Pächter. Gott bestimmt, wem er seinen Weinberg überlässt. Im Evangelium des Matthäus sind es am Ende die Hohenpriester und Pharisäer, die sich in den anmaßenden Pächtern selbst erkennen (V. 45f.). Das Gleichnis ist für sie eine Provokation. Jesus fordert die Religionsführer seiner Zeit heraus. Sie kapieren ganz genau, was Jesus ihnen vorwirft: Ihr wollt Herren im Weinberg Gottes sein, Eigentümer und dabei seid ihr nichts als Pächter. Solchen anmaßenden Pächtern wird der Weinberg weggenommen. Damals wie heute. Aber der Weinberg Gottes bleibt bestehen: für alle, die Früchte bringen und sich als Pächter fühlen. 3

4 Mt 21,45-46 (im Lektionar ausgelassen) Als die Hohenpriester und Pharisäer seine Gleichnisse hörten, merkten sie, dass er von ihnen sprach. Sie hätten ihn gern festgenommen; aber sie fürchteten das Volk; denn es hielt ihn für einen Propheten. Einleitung Weinberge zur Erntezeit sind sie streng abgeriegelt, Passanten wird der Durchgang verwehrt. Jedenfalls in meiner Heimat in Franken. Zur Erntezeit und davor darf kein Unbefugter durch die Weinberge gehen und nebenbei ein paar Trauben stibitzen! Ein Weinberg ist ein großer Schatz. Von den Winzern gehegt und gepflegt, gehütet und bewacht und als großes Gut den Kindern vererbt. Mit so einem Weinberg wird in der biblischen Tradition das Volk Gottes verglichen. Israel als Weinberg Gottes. Über dem Hauptportal des Jerusalemer Tempels war ein großer goldener Weinstock angebracht. Tempelbesuchern wurde damit gesagt: Das sind wir. Der Augapfel Gottes, sein großer Schatz! Allerdings: Der Prophet Jesaja hinterfragt dieses stolze Selbstbewusstsein mit einer kritischen Geschichte. Wir hören sie in der Lesung. Und Jesus steht ganz in dieser Reihe. Seine Version der Geschichte vom Weinberg Gottes hören wir im Evangelium. Fürbitten Gott, den Herrn und Besitzer des Weinbergs, bitten wir: 4

5 - Wir beten für alle, die Gott in seinen Weinberg gerufen hat: dass sie sich für Gerechtigkeit und Frieden auf dieser Welt einsetzen und dass die Ernsthaftigkeit ihres Glaubens an ihrem Leben erkannt wird - Wir beten für alle, die vom Gefühl bedrängt werden, ihr Leben sei fruchtlos geblieben: dass sie das Positive und Sinnvolle ihres Lebens entdecken - Wir beten für alle, denen ihr Lebensprojekt aus den Händen genommen wurde, weil sie von einer schweren Krankheit oder Behinderung betroffen sind: dass sie Kraft finden, ihr verändertes Leben anzunehmen, und neue Ziele erkennen - Wir beten für alle, die ihre Zeit, Kraft und Energie für unsere Gemeinden einsetzen: dass sie selbst dadurch Erfüllung finden und in ihrem Tun bestärkt werden - Wir beten für unsere Verstorbenen: dass sie bei dir finden, worauf sie im Leben gehofft haben Herr, unser Gott, ohne deine Fürsorge vermögen wir nichts. Wir danken dir für deinen Beistand und deine Treue jeden Tag aufs Neue Amen. Kanonelemente Schenke allen, die hohe Verantwortung tragen in unserer Kirche, Sensibilität für die Zeichen unserer Zeit, Offenheit für neue Schritte und Weitblick für das, was ansteht. Schau gütig auf alle, die Tag für Tag versuchen, als Christen zu leben und lass sie spüren: So ein Leben bringt innere Ruhe und Zufriedenheit. Segne alle, von deren Früchten, von deren Liebe, Treue und Sorge wir leben. 5

6 Hab du, Gott, besonders ein Auge auf unsere jungen Leute, auf unsere Kinder und Enkel. Lass sie den Weg finden, der für sie richtig ist und ihr Leben Frucht bringen SCHL 37 6