Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige

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1 Mehr Unterstützung für pflegende Angehörige Pflegegeld, Pflegezeit, Familienpflegezeit & Co.: Welche Leistungsverbesserungen gibt es für pflegende Angehörige? Worum geht es? Tritt der Pflegefall ein und wollen Pflegebedürftige zu Hause gepflegt werden, gibt es verschiedene Leistungen für pflegende Angehörige. Dabei will ein Großteil der Pflegebedürftigen in den eigenen vier Wänden bleiben. Eine wesentliche finanzielle Unterstützungsleistung ist das Pflegegeld, das die Pflegeversicherung direkt an die bzw. den Pflegebedürftigen auszahlt und das in der Regel von ihr bzw. ihm an die Pflegeperson als Anerkennung weitergegeben wird. Daneben gibt es Möglichkeiten wie die kurzzeitige Arbeitsverhinderung, die Pflegezeit und die Familienpflegezeit, die es Beschäftigten erlauben, für die Pflege naher An gehöriger Auszeiten aus dem Beruf zu nehmen oder Arbeitsstunden zu reduzieren. Wen betrifft es? Pflegegeld bekommen Pflegebedürftige, die zu Hause von Angehörigen oder ehrenamtlich Pflegenden versorgt werden. Wenn pflegende Angehörige Beschäftigte sind, können sie gegenüber ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern abhängig von der Betriebsgröße Folgendes gel tend machen: das Recht auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung mit Pflegeunterstützungsgeld und den Freistellungsanspruch auf Pflegezeit und Familienpflegezeit. Was ist neu? Das Pflegegeld wurde für jede Pflegestufe erhöht (siehe Leistungstabelle): in der sogenannten Pflegestufe 0 * auf 123 Euro pro Monat, in der Pflegestufe I auf 244 Euro, in der Pflegestufe II auf 458 Euro, in der Pflegestufe III auf 728 Euro. * Menschen, deren Bedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung (noch) nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht, die in ihrer Alltagskompetenz aber dauerhaft erheblich eingeschränkt sind. Das Pflegegeld lässt sich mit Pflegesachleistungen (Hilfe von Pflegediensten) kombinieren, wobei sich die Höhe des Pflegegeldes dabei anteilig um den Wert der in Anspruch genommenen Sachleistungen vermindert. Leistungen zur teilstationären Versorgung können mit Pflegegeld und Pflegesachleistungen kombiniert werden, ohne dass eine Anrechnung erfolgt. Beschäftigte, die kurzfristig in einer akut aufgetretenen Pflegesituation die Pflege einer oder eines nahen Angehörigen organisieren müssen, können bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernbleiben (kurzzeitige Arbeitsverhinderung). Zur Finanzierung erhalten sie ein sogenanntes Pflegeunterstützungsgeld, das bei der Pflegeversicherung der zu pflegenden Person beantragt werden muss. Mit der Familienpflegezeit haben Beschäftigte einen Rechtsanspruch auf eine bis zu 24-monatige Reduzierung der Wochenarbeitszeit (Mindestarbeitszeit: 15 Stunden), um nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. Der Rechtsanspruch gilt auch für die Betreuung pflegebedürftiger minderjähriger naher Angehöriger (auch außerhäuslich) nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz. Auch ist eine vollständige oder teilweise Freistellung von bis zu drei Monaten für die Begleitung von nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase möglich. Während der Pflegezeit und der Familienpflegezeit können Beschäftigte zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) erhalten. Pflegezeit und Familienpflegezeit lassen sich kombinieren. 1

2 II.4 Was heißt das praktisch? Pflegebedürftige, die eine Pflege zu Hause durch Angehörige, Bekannte oder ehrenamtliche Pflegepersonen in Anspruch nehmen, haben Anspruch auf die Zahlung von höherem Pflegegeld als bisher. Antragsberechtigt gegenüber der Pflegekasse ist nur die bzw. der Pflegebedürftige selbst oder eine Bevollmächtigte bzw. ein Bevollmächtigter. Pflegebedürftige, die neben Geld- auch Sachleistungen in Anspruch nehmen wollen, z. B. eine teilweise Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst, können dies kombinieren. Beispiel: Eine Pflegebedürftige der Pflegestufe I nimmt Sachleistungen durch einen Pflegedienst im Wert von 234 Euro in Anspruch. Der ihr zustehende Höchstbetrag beläuft sich auf 468 Euro. Sie hat somit die Sachleistungen zu 50 Prozent ausgeschöpft. Vom Pflegegeld in Höhe von 244 Euro stehen ihr damit ebenfalls noch 50 Prozent zu, also 122 Euro. Wo ist es geregelt? 37, 38 SGB XI Pflegegeld 2 PflegeZG Kurzzeitige Arbeitsverhinderung 44a SGB XI Pflegeunterstützungsgeld 3, 4 PflegeZG Pflegezeit 2, 3 FPfZG Familienpflegezeit (Siehe Kapitel IX: Gesetzliche Grundlagen ) Leistungstabelle: Pflegegeld Pflegebedürftigkeit In Stufen Leistungen seit 2015 Pro Monat Leistungen 2014 Pro Monat sog. Pflegestufe 0 (mit Demenz*) 123 Euro (120 Euro) Pflegestufe I 244 Euro (235 Euro) Pflegestufe I (mit Demenz*) 316 Euro (305 Euro) Pflegestufe II 458 Euro (440 Euro) Pflegestufe II (mit Demenz*) 545 Euro (525 Euro) Pflegestufe III 728 Euro (700 Euro) Pflegestufe III (mit Demenz*) 728 Euro (700 Euro) * Gilt für Personen mit dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im Sinne von 45a SGB XI das sind vor allem an Demenz erkrankte Menschen. 2

3 Für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung gilt: Eine bis zu zehntägige Auszeit von der Arbeit können alle Beschäftigten nehmen, die in einer akuten Pflegesituation die Pflege einer oder eines nahen Angehörigen organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherstellen müssen. Das Recht ist unabhängig von der Unternehmensgröße. Wichtig ist, dass die oder der Angehörige voraussichtlich Pflegestufe I bis III zuerkannt bekommt und dass der Arbeitgeber sofort informiert wird. Der Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld, also die Lohnersatzleistung für diesen Zeitraum, ist unverzüglich bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung zu stellen. Die Höhe entspricht der Berechnung des Kinderkrankengelds und beträgt bis zu 90 Prozent des Nettoeinkommens. Die Pflegekasse oder das Versicherungsunternehmen des Pflegebedürftigen sind auch für die Auszahlung zuständig. Für die Pflegezeit und Familienpflegezeit gelten: Der Freistellungsanspruch auf Pflegezeit gilt gegenüber Arbeitgebern mit 15 oder mehr Beschäftigten, auf Familienpflegezeit mit mehr als 25 Beschäftigten. Bei Pflegezeit und Familienpflegezeit muss die Pflegebedürftigkeit durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachgewiesen werden. Für eine außerhäusliche Betreuung in der letzten Lebensphase, z. B. im Hospiz, ist eine Freistellung von bis zu drei Monaten möglich. Eine Arbeitszeitreduzierung im Rahmen der Familienpflegezeit ist bis zu 24 Monate möglich; die verbleibende Arbeitszeit darf 15 Wochenstunden nicht unterschreiten. Dies gilt auch für den Rechtsanspruch auf Freistellung zur Betreuung pflegebedürftiger minderjähriger naher Angehöriger im Rahmen des Familien pflegezeitgesetzes. Beide Freistellungen können kombiniert werden. Die Gesamtdauer aller Freistellungsmöglichkeiten beträgt höchstens 24 Monate, die Auszeiten müssen nahtlos aneinander anschließen. Nahe Angehörige können die Freistellungen auch parallel oder nacheinander in Anspruch nehmen und sich so die Pflege teilen. Zur Finanzierung der Auszeiten können Beschäftigte ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragen, um den Lohnausfall abzufedern. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und später in Raten wieder zurückgezahlt. Das Antragsformular gibt es unter anderem auf oder (mit einem Rechner zur Ermittlung der Darlehenshöhe). Die Höhe des Darlehens richtet sich nach der Höhe des Lohn ausfalls. Grundsätzlich wird die Hälfte der Gehaltsdifferenz als monatliches Darlehen ausgezahlt. Der Beschäftigte ist nicht verpflichtet, die volle Höhe in Anspruch zu nehmen. Der monatliche Darlehensbetrag ist flexibel, allerdings gibt es aus verwaltungspraktischen Gründen eine Untergrenze von 50 Euro. Einen Überblick über die gesetzlichen Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf finden Sie auf Seite 4. 3

4 II.4 Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf Gesetzliche Regelungen seit dem 1. Januar 2015 RECHTSANSPRÜCHE NACH DEM PFLEGEZEITGESETZ (PflegeZG) UND DEM FAMILIENPFLEGEZEITGESETZ (FPfZG) WENN SICH EIN AKUTER PFLEGEFALL ERGIBT: kurzzeitige Auszeit von bis zu zehn Arbeitstagen für den Akutfall Pflegeunterstützungsgeld (Lohnersatzleistung) für eine pflegebedürftige Person WENN SIE EINE ZEIT LANG GANZ ODER TEILWEISE AUS DEM JOB AUSSTEIGEN MÖCHTEN: bis zu sechs Monate Pflegezeit (vollständige oder teilweise Freistellung) für die häusliche Pflege und für die Betreuung einer oder eines pflegebedürftigen minderjährigen nahen Angehörigen WENN SECHS MONATE NICHT AUSREICHEN: bis zu 24 Monate Familienpflegezeit (teilweise Freistellung) für die häusliche Pflege und für die Betreuung einer oder eines pflegebedürftigen minderjährigen nahen Angehörigen zinsloses Darlehen 2 PflegeZG 44a SGB XI PFLEGEUNTERSTÜT- ZUNGSGELD Ohne Ankündigungsfrist Unabhängig von der Betriebsgröße bis zu drei Monate für die Begleitung in der letzten Lebensphase zinsloses Darlehen 3 PflegeZG PFLEGEZEIT Ankündigungsfrist zehn Tage Nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten KÜNDIGUNGSSCHUTZ ERWEITERUNG DES BEGRIFFS DER NAHEN ANGEHÖRIGEN 2 und 3 FPfZG FAMILIENPFLEGEZEIT Ankündigungsfrist acht Wochen Nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten (ohne zur Berufsbildung Beschäftigte) Quelle: BMFSFJ (2015): Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf - neue gesetzliche Regelungen seit 1. Januar 2015, S

5 Kurz erklärt: Wie lässt sich die Qualität in der häuslichen Pflege verbessern? Pflegekurse Pflegende Angehörige können an einem kostenlosen Pflegekurs ihrer Pflegekasse teilnehmen ( 45 SGB XI). Diese Kurse werden zum Teil in Zusammenarbeit mit Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, mit Volkshochschulen, der Nachbarschaftshilfe oder Bildungsvereinen angeboten. Sie bieten praktische Anleitung und Informationen, aber auch Beratung und Unterstützung zu vielen verschiedenen Themen. Außerdem bieten sie pflegenden Angehörigen die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Die Schulung soll auch in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen stattfinden. Beratungseinsätze Zur Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege müssen Pflegebedürftige bei Pflegegeldbezug, in den Pflegestufen I und II einmal halbjährlich sowie in der Pflegestufe III einmal vierteljährlich, eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen und dies gegenüber der Pflegekasse nachweisen ( 37 Abs. 3 SGB XI). Die Beratungsbesuche können nicht nur von zugelassenen Pflegediensten und von neutralen und unabhängigen Beratungsstellen mit pflegefachlicher Kompetenz, die von den Landesverbänden der Pflegekassen anerkannt sind, durchgeführt werden, sondern auch von den Pflegeberaterinnen und -beratern der Pflegekassen. Pflegebedürftige mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz können diese Beratungsbesuche zweimal im oben genannten Zeitraum in Anspruch nehmen. Personen in der sogenannten Pflegestufe 0 haben halbjährlich einmal einen Anspruch auf einen Beratungsbesuch. Ute Grabowsky / photothek.net Pflege zu Hause: Es bedarf Zeit und Kompetenzen, die eigenen Eltern zu versorgen. 5