FB Tarifpolitik Vorstand. IG Metall erreicht Tarifvertrag zur Qualifizierung. Gesicherte Ansprüche für Beschäftigte und Betriebsräte

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1 FB Tarifpolitik Vorstand IG Metall erreicht Tarifvertrag zur Qualifizierung Gesicherte Ansprüche für Beschäftigte und Betriebsräte

2 Qualifizierung sichert Zukunft des Betriebs und der Arbeitsplätze Die Qualifikationen der Belegschaften entscheiden über die Zukunft der Betriebe maßgeblich mit. Der neue Tarifvertrag zur Qualifizierung, den die IG Metall durchgesetzt hat, ist dafür ein wichtiger Eckpfeiler. Der neue Tarifvertrag gibt den Beschäftigten und den Betriebsräten mehr Rechte. Er sichert ihre Ansprüche, indem er Regeln für die betriebliche Weiterbildung Tarifvertrag: Beratung Betriebsverfassung: 90 Unterrichtung und Beratung 92 Personalplanung 92 a Beschäftigungssicherung Qualifizierungsprozess Beratung und Mitbestimmung Nur wenn die Qualifikationen der Beschäftigten ausreichen, um die anstehenden Aufgaben zu erfüllen und um neue Entwicklungen zu unterstützen, wird die Innovations- und Konkurrenzfähigkeit der Betriebe gefördert. Und damit die Sicherheit der Arbeitsplätze. Unternehmensstrategie und -planung Technische und organisatorische Änderungen Personal-Entwicklungsprogramme Qualifizierungsbedarf und -planung 96 Förderung der Berufsbildung 97 Einrichtungen und Maßnahmen der Berufsbildung 81 Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers 82 Anhörungsund Erörterungsrecht des Arbeitnehmers 81 Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers 98 Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen Qualifizierungsgespräche und Vereinbarungen Qualifizierungsmaßnahmen: Anpassungs-, Erhaltungs-, Entwicklungsqualifizierung und persönliche Weiterbildung Dokumentation

3 festlegt. Betriebsräte können ihre Mitbestimmungsrechte systematischer nutzen, Arbeitnehmer/-innen sind mindestens einmal jährlich in den Prozess einbezogen. Dieser Tarifvertrag zur Qualifizierung beinhaltet auch, wie die Beschäftigten freigestellt werden und wer die Kosten trägt. Schließlich sieht er vor, wie Konflikte zwischen Beschäftigten und Betriebsrat einerseits und dem Arbeitgeber andererseits gelöst werden müssen. Dafür können betriebliche paritätische Kommissionen und auch tarifliche Einigungs- beziehungsweise Schlichtungsstellen angerufen werden. Wie wichtig Qualifizierung ist, wird im Tarifvertrag dadurch betont, dass Betriebsrat und Arbeitgeber darauf zu achten haben, den Beschäftigten eine Teilnahme an betrieblichen (auch training on the job ) oder außerbetrieblichen Maßnahmen zu ermöglichen. Da bestimmte Beschäftigtengruppen in der Vergangenheit eher selten an Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen haben, sieht der Tarifvertrag vor, dass insbesondere die Belange von älteren Beschäftigten, von Teilzeitkräften, Arbeitnehmern/-innen mit Familienpflichten und auch von an- und ungelernten Beschäftigten zu berücksichtigen sind. Der neue Tarifvertrag kann in den Betrieben mehr Transparenz und Verbindlichkeit ermöglichen. Überhaupt wird damit Qualifizierung zu einem betrieblichen Thema. Ferner kann die Beschäftigungs- und Arbeitsplatzsicherheit erhöht werden.

4 Welche Qualifizierung regelt der Tarifvertrag? Vier verschiedene Arten von Qualifizierung regelt der neue Tarifvertrag (siehe Schaubilder): Die Erhaltungsqualifizierung dient dazu, dass Beschäftigte ihr fachliches, methodisches und soziales Wissen in ihrem eigenen Aufgabengebiet ständig fortentwickeln können. Die Anpassungsqualifizierung soll helfen, veränderte Anforderungen im eigenen Aufgabengebiet erfüllen zu können. Regelung zu Arbeitszeit und Kosten Maßnahme Anpassungs-, Erhaltungs- und Umqualifizierung Zeit Arbeitszeit ist zuschlagsfrei zu vergüten Kosten Arbeitgeber trägt die Maßnahmekosten Entwicklungsqualifizierung Beschäftigte beteiligen sich in der Regel mit 50 Prozent der notwendigen Zeit Persönliche berufliche Weiterbildung gen die Arbeitszeit Beschäftigte brin- ein Arbeitgeber trägt die Maßnahmekosten Beschäftigte tragen die Maßnahmekosten selbst

5 Qualifizierungsmaßnahmen Betriebsbezug betrieblich notwendig Maßnahme Zweck Wissen fortentwickeln, um eigenes Aufgabengebiet erfüllen zu können veränderte Anforderungen im eigenen Aufgabengebiet erfüllen können betrieblich zweckmäßig betrieblich geeignet Umqualifizierung Erhaltungsqualifizierung Anpassungsqualifizierung Entwicklungsqualifizierung Persönliche berufliche Weiterbildung bei wegfallendem Arbeitsplatz gleich- oder höherwertige Arbeitsaufgabe im Betrieb übernehmen können höherwertige Arbeitsaufgabe im Betrieb übernehmen können Wissen für Tätigkeit im Betrieb aber ohne aktuellen Bedarf Die Umqualifizierung: Fallen Arbeitsaufgaben weg, soll ein/e Beschäftigte/r in die Lage versetzt werden, einen anderen Arbeitsplatz im Betrieb mit gleichwertigen oder höherwertigen Aufgaben zu übernehmen. Die Entwicklungsqualifizierung soll den Beschäftigten ermöglichen, eine andere, höherwertige Arbeitsaufgabe im Betrieb erledigen zu können, wenn dies betrieblich zweckmäßig ist.

6 Die persönliche berufliche Weiterbildung Der neue Tarifvertrag unterstützt auch die persönliche berufliche Weiterbildung. Sie soll im Grundsatz dazu geeignet sein, eine Tätigkeit im freistellenden Betrieb ausüben zu können, auch wenn aktuell kein betrieblicher Bedarf für eine derartige Qualifizierung besteht. Beschäftigte haben deshalb künftig das Recht, eine unbezahlte Freistellung mit Anspruch auf Wiedereinstellung zu beantragen, um sich beruflich zu qualifizieren. Für diese Art der Weiterbildung gelten jedoch nicht die selben Regelungen wie für die betriebsnotwendigen Qualifizierungsmaßnahmen. Rechte des Betriebsrats gestärkt Der neue Tarifvertrag stärkt die Rechte der Betriebsräte, damit sie die Beschäftigten besser bei ihrer Qualifizierung unterstützen können. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig darüber unterrichten, wenn er technische Anlagen, Arbeitsverfahren und -abläufe usw. verändern will. Er stellt den zukünftigen Personal- und Qualifizierungsbedarf fest, berät darüber mit dem Betriebsrat und vereinbart mit ihm entsprechende Maßnahmen. Zu diesen Beratungen können Sachverständige hinzugezogen werden.

7 Insgesamt stärkt der neue Tarifvertrag die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Dies gilt gerade auch dann, wenn betriebliche Änderungen dazu führen, dass die Qualifikationen der Beschäftigten nicht mehr ausreichen, um ihre Arbeit zu erledigen. Wichtig ist, dass der Betriebsrat selbst aktiv werden und dem Arbeitgeber vorschlagen kann, welche Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden sollten. Einmal jährlich wird Bilanz gezogen. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat einen Bericht vorzulegen, in dem er die umgesetzten Qualifizierungsmaßnahmen darstellt.

8 Bessere Rechte für Beschäftigte Mindestens jährlich oder aus konkretem Anlass findet mit jedem einzelnen Beschäftigten ein Gespräch darüber statt, welche konkrete individuelle Qualifizierung auf Basis der geplanten betrieblichen Veränderungen und entsprechender Qualifizierungsbedarfe notwendig ist. Die Beschäftigten können hierzu ihre eigenen Wünsche äußern und Vorschläge machen. Die erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen werden vereinbart. Zu dem Gespräch kann der Betriebsrat hinzugezogen werden. Die Teilnahme an den Qualifizierungsmaßnahmen wird dokumentiert und den Beschäftigten bestätigt. Der Tarifvertrag schreibt erstmals klar fest, dass die betrieblich notwendigen Erhaltungs-, Anpassungs- und Umqualifizierungen für die Beschäftigten bezahlte (zuschlagsfreie) Arbeit sind und der Arbeitgeber die Kosten der Maßnahmen trägt. Er ist für alle Arbeitnehmer/-innen eine verlässliche Grundlage, ihre eigene Qualifizierung zu erhalten und auszubauen. Also lebenslanges Lernen zu sichern.

9 Konflikte lösen Kommt es im Qualifizierungsgespräch zu Streitigkeiten zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber, dann wird der Betriebsrat eingeschaltet. Bleiben betrieblich notwendige Qualifizierungen (Erhaltungs-, Anpassungs- und Umqualifizierung) strittig, kann im nächsten Schritt eine paritätische Kommission eingerichtet werden, der je zwei Vertreter des Arbeitgebers und des Betriebsrats angehören. Findet die paritätische Kommission keine Lösung, entscheidet die tarifliche Einigungs- beziehungsweise Schiedsstelle. Konflikte bei Anpassungs-, Erhaltungsund Umqualifizierung Entwicklungsqualifizierung Persönliche berufliche Weiterbildung* Paritätische Kommission und tarifvertragliche Einigungsstelle Voraussetzung für Entscheidungen der paritätischen Kommission und tariflichen Einigungsstelle Beschäftigte im Betrieb Betriebszugehörigkeit 50 2 Jahre Jahre Gespräche der Tarifparteien Die Einigungsstelle kann nur von den Betriebsparteien angerufen werden. Zuvor ist ein Gespräch zwischen den Tarifvertragsparteien zu führen. * Besonderheit: Freistellungen zur persönlichen beruflichen Weiterbildung können von der Einigungsstelle nur entschieden werden, wenn der/die Beschäftigte nicht in einer Schlüsselqualifikation arbeitet.

10 Auch bei Konflikten über Entwicklungsqualifizierungen und der persönlichen beruflichen Weiterbildung können unter definierten Voraussetzungen (siehe Schaubild) die paritätische Kommission und die tarifliche Einigungs- beziehungsweise Schiedsstelle angerufen werden. Tarifvertrag mit Leben füllen betriebliche Chancen nutzen Mit dem neuen Tarifvertrag ist ein Rahmen für systematische und mitbestimmte Qualifizierungsprozesse vereinbart. Jetzt geht es darum, in den Betrieben alle notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um den Tarifvertrag mit Leben zu füllen und die Chancen, die er bietet, betrieblich zu nutzen.

11 Erste Schritte können sein: in Betriebsversammlungen informieren, betriebliche Verantwortliche benennen, Betriebsvereinbarungen vorbereiten, paritätische Kommissionen einrichten. Die IG Metall bietet dafür die notwendige Unterstützung. Gemeinsam mit der IG Metall: einen Schritt voraus bei der Qualifizierung im beruflichen Alltag.

12 Impressum Herausgeber: Vorstand der IG Metall, Funktionsbereich Tarifpolitik Wilhelm-Leuschner-Straße 79, Frankfurt/Main Text: Barbara Jentgens, Klaus-Peter Wolf Redaktionelle Bearbeitung und Gestaltung: WAHLE&WOLF, Elsoff Fotos: Werner Bachmeier Schaubilder: IG Metall-Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen Druck: apm AG, Darmstadt Produkt-Nr.: Stand: Mai 2006