Lösung Fall 1. Frage 1 a A. Zulässigkeit des Einspruchs I. Statthaftigkeit des Einspruchs, 338 ZPO II. Form gem. 340 ZPO...

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1 P ROF. DR. M ATTHIAS L EISTNER, LL.M. (CAM B RIDG E) LEHRSTUHL FÜR BÜRG ER LICHES RECHT UND RECHT DES GEISTIG EN EIG ENTUM S M IT INFORM ATIONSRECHT UN D IT- RECHT (GRUR-LEHRSTUHL) Lösung Fall 1 Frage 1 a... 4 A. Zulässigkeit des Einspruchs... 4 I. Statthaftigkeit des Einspruchs, 338 ZPO... 4 II. Form gem. 340 ZPO... 4 III. Frist gem. 339 I ZPO Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages... 5 a) Statthaftigkeit des Antrags, 233 ZPO... 5 b) Zuständigkeit... 5 c) Form und Frist Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages... 5 a) Verhinderte Fristwahrung... 5 b) Ohne Verschulden... 6 aa) Verschulden des F... 6 bb) Verschulden des Rechtsanwalts S... 6 cc) Zwischenergebnis... 6 c) Ursächlichkeit Zwischenergebnis:... 7 B. Ergebnis... 7 Frage 1 b... 7 A. Anspruch des B gegen die M-GmbH gem. 437 Nr. 1, 439 I Alt I. Kaufvertrag... 8 II. Mangel bei Gefahrübergang Mangel, 434 I Bei Gefahrübergang... 9 a) Anwendungsbereich des aa) Die M-GmbH als Unternehmerin ( 14 I) bb) B als Verbraucher ( 13) cc) Ware, 241a dd) Zwischenergebnis... 11

2 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 24 b) Wirkung des c) Zwischenergebnis III. Anspruch durchsetzbar Einrede des 439 IV a) Vorliegen der Unverhältnismäßigkeit b) Zwischenergebnis Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach 320 I IV. Ergebnis B. Anspruch des B gegen die M-GmbH auf Erstattung der Kosten für Aus- und Einbau der neuen Bibliothek gem. 437 Nr. 1, 439 III C. Anspruch des B gegen die M-GmbH auf Erstattung der Kosten für Aus- und Einbau der neuen Bibliothek gem. 437 Nr. 3, 280 I I. Kaufvertrag (+) (s.o.) II. Mangelhafte Lieferung (+) (s.o.) III. Vertretenmüssen, 280 I IV. Ergebnis D. Ergebnis Frage A. Anspruch des H gegen B auf Zahlung von 700 gemäß 631 I Hs I. Werkvertrag Nichtigkeit des gesamten Vertrags wegen Nichtigkeit des gesamten Vertrages aufgrund Verstoßes gegen das SchwarzArbG ( 134) a) Verbotsgesetz b) Beidseitiger Verstoß aa) Verstoß des H gegen 1 II Nr. 2 SchwarzArbG bb) Verstoß des B als Werkbesteller gegen SchwarzArbG II. Ergebnis: B. Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 700 aus GoA gem. 670, 677, 683 S I. Fremdes Geschäft II. Ohne Auftrag III. Fremdgeschäftsführungswille... 21

3 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 3 VON 24 IV. Interessen- und willensgemäß, 683 S V. Erforderliche Aufwendung, VI. Ergebnis C. Anspruch auf Zahlung von 700 aus 812 I 1 Alt. 1, 818 II I. Etwas Erlangt II. Durch Leistung III. Ohne rechtlichen Grund IV. Ausschluss des Anspruchs Ausschluss nach 814? Ausschluss nach 817 S. 2? V. Ergebnis D. Gesamtergebnis... 24

4 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 4 VON 24 Frage 1 a Mit dem Versäumnisurteil liegt bereits ein echtes Endurteil vor. Gem. 342 ZPO könnte der Prozess aber in die Lage vor Erlass des Urteils versetzt werden. Dies setzt einen zulässigen Einspruch voraus. S muss also Einspruch erheben. A. Zulässigkeit des Einspruchs I. Statthaftigkeit des Einspruchs, 338 ZPO Merke: An dieser Stelle ist nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils vorlagen. Ob das Versäumnisurteil hätte ergehen dürfen, ist für die Statthaftigkeit des Einspruchs unerheblich. Der Einspruch führt nicht zur Überprüfung des Versäumnisurteils, sondern zur Nachholung der versäumten Verhandlung. Voraussetzung: Vorliegen eines echten Versäumnisurteils gegen den Einspruchsführer (+), da gegen die säumige Partei gerade wegen ihrer Säumnis ergangen. Die Säumnis liegt hier in Form des Nichtverhandelns nach 333 ZPO vor, weil es sich vorliegend nach 78 ZPO um einen Anwaltsprozess handelt und X nicht postulationsfähig ist. II. Form gem. 340 ZPO Mangels entgegenstehender Angaben ist vom Einhalten der Form gem. 340 ZPO auszugehen. III. Frist gem. 339 I ZPO Gem. 222 I ZPO gelten für die Fristberechnung die Vorschriften der 187 ff. 1 Fristbeginn der Ereignisfrist ist nach 187 I die Zustellung des Versäumnisurteils am Freitag, den 29. September Daher beginnt die Frist am 30. September 2023 um 00:00 Uhr zu laufen. Für den Beginn der Frist ist es unerheblich, dass es sich bei dem 30. September um einen Sonnabend handelt. Zweck des 222 II ZPO ist es, den Fristadressaten nicht an einem der erfassten Tage aufzuerlegen, fristwahrend tätig zu werden. Dieser Zweck ist hinsichtlich des Fristbeginns nicht betroffen, da hierbei keine Handlung des Adressaten erforderlich ist. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen ( 339 I ZPO). Fristende ist somit nach 188 II der 13. Oktober 2023 um 23:59 Uhr. Der Brief wurde aber erst am Montag, den 16. Oktober, eingeworfen Frist also versäumt Aber: Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. 233 ZPO? 1 Alle sind, soweit nicht anders angegeben, solche des BGB.

5 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 5 VON 24 Voraussetzungen der Wiedereinsetzung: 1. Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages a) Statthaftigkeit des Antrags, 233 ZPO Der Antrag ist statthaft, wenn eine Notfrist (oder eine bestimmte weitere wiedereinsetzungsfähige Frist) insgesamt objektiv versäumt wurde (BGH NJW 2003, 2460). Eine Frist ist eine Notfrist, wenn sie nicht durch Vereinbarung der Parteien abgekürzt werden kann und ausdrücklich in der ZPO als solche bezeichnet wird ( 224 I 1 und 2 ZPO). Die Einspruchsfrist ist gem. 339 I Hs. 2 ZPO eine Notfrist. b) Zuständigkeit Gem. 237 ZPO ist das Gericht zuständig, das auch über die versäumte Prozesshandlung zu befinden hat, vorliegend also das Landgericht München I. c) Form und Frist - Form: Parteiantrag in der Form des 236 I ZPO hier also in Schriftform, da der Einspruch gem. 340 ZPO schriftlich erfolgen muss. - Inhalt: Gem. 236 I 1 ZPO: Angabe und Glaubhaftmachung ( 294 ZPO) der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen hier z.b. durch eidesstattliche Versicherung des F möglich. - Frist: Die Frist beträgt zwei Wochen und beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem das Hindernis behoben ist ( 234 I, II ZPO). Das Hindernis ist in dem Zeitpunkt behoben, in dem entweder der Grund für die Verhinderung wegfällt oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (BeckOK ZPO/Wendtlandt 234 ZPO Rn. 5). Dies ist hier gegeben, sobald der F den S von seinem Fehler in Kenntnis setzt. 2. Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrages a) Verhinderte Fristwahrung Eine fristgebundene Prozesshandlung muss spätestens um Uhr des letzten Tages der Frist dem Gericht gegenüber vorgenommen worden sein. Fristgebundene Schriftsätze müssen bis dahin tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangen (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege 214 ZPO Rn. 10). Hier hat die M-GmbH die Einhaltung der Frist dem Prozessbevollmächtigten S übertragen. Durch das Versehen des F ist das Rechtsbehelfsschreiben nicht rechtzeitig beim Gericht eingegangen, so dass die Partei an der Fristwahrung gehindert wurde.

6 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 6 VON 24 b) Ohne Verschulden Eigenes Verschulden der M-GmbH (-). Aber zurechenbares Verschulden eines Bevollmächtigten gem. 85 II ZPO? Nach 85 II ZPO gilt jedes Verschulden des Bevollmächtigten als ein Verschulden der Partei (BGH NJW 1985, 495). aa) Verschulden des F Prozessbevollmächtigter ist derjenige, der den Auftrag zur Vertretung wirksam erhalten und wirksam angenommen hat (BGH FamRZ 1996, 409). Büroangestellte sind daher nicht allein aufgrund ihres Arbeitsvertrages Bevollmächtigte i.s.d. 85 II ZPO (BGH NJW-RR 2003, 935), so dass das Verschulden des F der B nicht zugerechnet werden kann. bb) Verschulden des Rechtsanwalts S Die M-GmbH hat S mit der Wahrnehmung ihrer Interessen und dem Verfassen eines Rechtsbehelfsschreibens beauftragt. S ist s omit Prozessbevollmächtigter der M- GmbH i.s.d. 85 II ZPO. S hat das Schreiben ordnungsgemäß und rechtzeitig angefertigt. Fristen dürfen ausgereizt werden. In Betracht kommt jedoch ein Verschulden in Form des sog. Organisationsverschuldens: Ordnungsgemäße Auswahl und Überwachung des Büropersonals sowie Schaffung einer Büroorganisation, die bei der Berechnung und Überwachung von Fristen Fehler so weit wie möglich ausschließt, ist eine eigene Pflicht des Rechtsanwalts. Verletzungen dieser sind dem Anwalt als eigenes Verschulden anzulasten und somit auch der Partei gem. 85 II ZPO zuzurechnen (vgl. Zöller/Althammer 85 ZPO Rn. 14). Nicht zuzurechnen sind hingegen individuelle Fehler des Büropersonals, die sich auch bei optimaler Organisation nicht vermeiden oder rechtzeitig entdecken lassen (st. Rspr., vgl. BGH VersR 1987, 769; ausführlich Thomas/Putzo/Hüßtege 233 ZPO Rn. 41 ff.). S hat den F laut Sachverhalt ordnungsgemäß ausgesucht und überwacht. Er hat ih m wie üblich den fertigen Schriftsatz mit dem Hinweis übergeben, diesen unbedingt noch am selben Tag an das Gericht weiterzuleiten. Auf die Einhaltung derartiger Einzelanweisungen an zuverlässiges Personal darf der Anwalt grundsätzlich vertrauen (BGH FamRZ 2003, 1650; Zöller/Greger 233 ZPO Rn ). cc) Zwischenergebnis Der Fehler des F ist dem S nicht als eigenes Verschulden zuzurechnen. Somit ist auch der M-GmbH das Verschulden des F nicht als eigenes Verschulden gem. 85 II ZPO zuzurechnen.

7 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 7 VON 24 c) Ursächlichkeit Ursächlich ist jedes Verschulden der Partei oder ihres Vertreters, bei dessen Fehlen die Frist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht versäumt worden wäre (BGH VersR 1974, 1001). Hier wäre die Frist gewahrt worden, wenn der F die Anweisungen des S befolgt und den Schriftsatz noch am selben Abend des 13. Oktober 2023 beim Gericht eingeworfen hätte. 3. Zwischenergebnis: Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig und begründet. Rechtsfolge ist, dass die verspätet vorgenommene Prozesshandlung als rechtzeitig vorgenommen gilt (Saenger/Saenger 233 ZPO Rn. 17). B. Ergebnis Der Einspruch ist zulässig. Merke: Konsequenz des zulässigen Einspruchs ist, dass der Prozess gem. 342 ZPO in die Lage vor Säumnis zurückversetzt wird (sog. Zurückversetzungsfiktion). Es schließt sich weiter die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage an einen Prüfungspunkt der Begründetheit des Einspruchs (zu dessen Prüfung man ggf. im Anschluss an eine Zulässigkeitsprüfung neigen könnte) gibt es NICHT (!). (Grobe) Prüfung demnach: I. Zulässigkeit des Einspruchs (s.o.) 1. Statthaftigkeit des Einspruchs, Form, Frist, 339 I 4. Folge bei Zulässigkeit: 342 (Zurückversetzungsfiktion) II. Zulässigkeit der Klage III. Begründetheit der Klage Frage 1 b A. Anspruch des B gegen die M-GmbH gem. 437 Nr. 1, 439 I Alt. 2 B könnte gegen die M-GmbH einen Anspruch gem. 437 Nr. 1, 439 I Alt. 2 auf Nachlieferung einer Bibliothek haben. Anmerkung: Da B Nachlieferung begehrt und ihm ein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Nacherfüllung zusteht (elektive Konkurrenz), kann dies im Obersatz schon

8 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 8 VON 24 so konkret formuliert werden. Ansonsten ist darauf einzugehen, dass ein Anspruch auf Nachbesserung unmöglich ist ( 275 I) und somit nur eine Nachlieferung in Frage kommt. I. Kaufvertrag Laut Sachverhalt wurde ein Kaufvertrag durch Einigung zwischen B und der M- GmbH über eine Paschen-Bibliothek (Modell Kirschbaum bernsteinfarbig ) geschlossen. Die M-GmbH ist dabei gem. 13 I GmbHG rechtsfähig; es ist zu unterstellen, dass sie dabei wirksam durch ihren Geschäftsführer gem. 35 I 1 GmbHG vertreten wurde. Anmerkung: Kaum vertretbar, aber zunächst nicht fernliegend, scheint es, hier eine Stellvertretung des B nach 164 I 1 mit Wirkung für und gegen die W -GmbH anzunehmen, weil es an der Offenkundigkeit fehlt. Allein di e Angabe der Rechnungs- und Lieferadresse der Gesellschaft genügt hierfür jedoch nicht (vgl. BGH NJW 2009, 3780). Zwar ist die W-GmbH eine eigene juristische Person, weshalb sich der hier vorliegende Fall insoweit von dem BGH NJW 2009, 3780 zugrundeliegenden Sachverhalt etwas unterscheidet. B trat aber selbst als Käufer auf und gab lediglich die Adresse der Gesellschaft, nicht jedoch die Gesellschaft selbst, auf dem Formular an. Auch das Wissen auf Seiten der M-GmbH um die Geschäftsführereigenschaft des B genügt für eine Offenkundigkeit nicht, solange nicht weitere Umstände hinzutreten. Denn es ist keinesfalls abwegig, dass sich jemand Bestellungen an seine Arbeitsadresse liefern lässt, weil er/sie den Tag dort und nicht zuhause verbringt. Auch die Lehre von unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften ändert daran nichts. Sie besagt, dass der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin geht, dass der Inhaber des Unternehmens, in dessen Tätigkeitsbereich das rechtsgeschäftliche Handeln fällt, und nicht der für das Unternehmen Handelnde der Vertragspartner werden soll (BGH NJW 2012, 3368 Rn. 10). Wenn Sie also im Supermarkt sind, möchten Sie den Kaufvertrag mit diesem und nicht mit dem Menschen an der Kasse persönlich schließen. Und wenn Sie in einem Supermarkt etwas kauf en, besteht natürlich ein Bezug zu diesem (der Vertrag ist mithin unternehmensbezogen). Hier muss man aber der Versuchung widerstehen, diese Regel schon auf das Vorliegen eines unternehmensbezogenen Geschäfts anzuwenden. Das ist nämlich nicht richtig. Sie setzt vielmehr das Vorliegen eines unternehmensbezogenen Geschäfts voraus (Paulus JuS 2017, 399, 400). Umstände, die für ein unternehmensbezogenes Geschäft sprechen können, sind bspw. der Ort eines Vertragsschlusses (Unternehmensbüro, Supermarkt), die Verwendung einer bestimmten Firma oder eines Fir-

9 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 9 VON 24 menbriefpapiers oder -stempels bzw. entsprechender Arbeitskleidung, der (unternehmensbezogene) Vertragsinhalt oder die Stellung und das Auftreten des konkret Handelnden (Paulus JuS 2017, 399, 401). Allein die Angabe der Lieferadresse führt also noch nicht zu einem unternehmensbezogenen Geschäft. Gegebenenfalls wäre bei a.a. (Vertretung der W-GmbH) hilfsgutachterlich weiter zu prüfen, da dann die GmbH Vertragspartei geworden wäre, so dass sich insbesondere sämtliche Folgeprobleme im Zusammenhang mit 474 ff. nicht mehr stellen (Achtung: Auch taktisch denken, roter Faden so dürfte der Fall kaum gemeint sein). II. Mangel bei Gefahrübergang 1. Mangel, 434 I Die Abweichung in der Schattierung müsste einen Mangel darste llen. Eine Kaufsache ist mangelhaft, wenn sie nicht den subjektiven ( 434 I Fall 1) und/oder den objektiven ( 434 I Fall 2) Anforderung entspricht. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung gem. 434 II Nr. 1 ist hier nicht ersichtlich. Mangels bestimmter vertraglich vorausgesetzter Verwendung scheidet auch eine Abweichung von den subjektiven Anforderungen nach 434 II Nr. 2 aus. Ein Fall des 434 II Nr. 3 liegt ebenso nicht vor. Die Bibliothek kann hier trotz abweichender Schattierung dazu verwendet werden, Bücher zu lagern und eignet sich somit noch zu ihrer gewöhnlichen Verwendung i.s.v. 434 III Nr. 1. In Betracht kommt jedoch eine Abweichung von der objektiven Anforderung nach 434 III Nr. 2. Danach ist die Sache mangelhaft i.s.v. 434 I, wenn sie nicht diejenige Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und der Käufer nach Art der Sache (lit. a) sowie öffentlichen Äußerungen des Verkäufers (lit. b) erwarten kann. 434 I 1 Nr. 2 (+), zwar ließe sich argumentieren, dass die Eignung für die gewöhnliche Verwendung mangels Funktionsbeeinträchtigung gegeben ist, allerdings stellt die Schattierung keine übliche Beschaffenheit dar, die B nach Art der Sache erwarten kann 2. Bei Gefahrübergang Gefahrübergang liegt gem. 446 S. 1 bei Übergabe der Kaufsache vor, sodass das Bücherregal in diesem Zeitpunkt bereits mangelhaft gewesen sein müsste. Das hierzu erstellte Sachverständigengutachten ist unergiebig, da laut diesem nicht genau gesagt werden kann, ob die abweichende Schattierung (Mangel i.s.v.

10 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 10 VON I 1 Nr. 2) schon bei Gefahrübergang vorlag oder erst später durch die Lagerung entstanden ist. Da es sich bei dem Vorhandensein des Mangels bei Gefahrübergang um eine Voraussetzung des Eingreifens der Mängelrechte des Käufers ( 437) handelt, hat dieser dessen Vorliegen auch zu beweisen, trägt mithin die Beweislast. Etwas anderes würde jedoch gelten, wenn eine Beweislastumkehr des 477 anzunehmen wäre. a) Anwendungsbereich des 477 Für das Eingreifen des 477 müsste es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf nach 474 I handeln. Dies ist der Fall, wenn der Käufer Verbraucher i.s.v. 13 und der Verkäufer Unternehmer i.s.v. 14 I ist. aa) Die M-GmbH als Unternehmerin ( 14 I) Die M-GmbH ist Unternehmerin, 14 I. bb) B als Verbraucher ( 13) Nach 13 ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Es ist unerheblich, ob B auch Geschäftsführer der W-GmbH ist und zeitweise Kunden in seinem Wohnzimmer empfängt, da nach st. Rspr. der Geschäftsführer einer GmbH beim Abschluss von Verträgen in eigenem Namen im Grundsatz Verbraucher ist, auch wenn sich die Verträge mittelbar auf die Geschäftstätigkeit der GmbH beziehen (BGHZ 133, 71, 77 f.; BGHZ 133, 220, 223). Entscheidend ist vielmehr der Zweck, zu dem das Rechtsgeschäft im konkreten Fall abgeschlossen wird. Zweck ist hier die Ausstattung der Privatwohnung dies ist dem privaten Lebensbereich zuzurechnen. Auch die Angabe der GmbH in der Liefer- und Rechnungsadresse ändert daran grds. nichts, da dies allenfalls als Indiz und nicht entscheidendes Kriterium für das Vorliegen eines privaten Zwecks darstellen kann. Ferner kann es dahinstehen, ob bei der Bestimmung der Verbrauchereigenschaft lediglich auf den von der handelnden Person verfolgten Zweck oder auf die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände abzustellen ist. Denn auch wenn es auf den Vertragspartner ankäme, sind hier kein e Umstände ersichtlich, die eindeutig und zweifelsfrei auf eine Unternehmereigenschaft hinweisen. Erstens ist nämlich bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen. Zweitens kann die Angabe der Adresse der GmbH aus dem naheliegenden Grund erfolgen, dass man an normalen Arbeitstagen zu den üblichen Postzustellzeiten nicht unter der Privatanschrift erreichbar ist ( vgl. BGH NJW 2009, 3780).

11 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 11 VON 24 Anmerkung: Bei objektiver Betrachtung ist B damit Verbraucher nach 13. Folgt man der Auffassung des BGH, gilt dies im Übrigen auch bei Betrachtung vom objektiven Empfängerhorizont der M-GmbH. Ist man insoweit a.a., käme im Übrigen eine Stellvertretung (vgl. oben A.I., eher kaum vertretbar) oder eine Rechtsscheinhaftung dahingehend, dass B wie ein Unternehmer behandelt würde, in Betracht (vgl. in etwas anderem Zusammenhang BGH NJW 2005, 1045: Käufer gab sich als Unternehmer aus, weil Verkäufer anderenfalls nicht zum Vertragsschluss bereit gewesen wäre, woraufhin der BGH dann gestützt auf venire contra factum proprium ( 242) die besonderen Rechte aus 474 ff. verweigerte). Insgesamt im hier vorliegenden Fall aber eher schwer vertretbar. Anders läge es, wenn ein Käufer vor Vertragsschluss, etwa unmittelbar nach Aufrufen einer Internetseite im Onlinehandel, sich als Verbraucher oder Unternehmer identifizieren muss (so etwa auf Wer hier letzteres auswählt, bestätigt mit Auslösen des Bestellbuttons (jedenfalls wenn unmittelbar darüber eine entsprechende Erklärung wiederholt wird), dass er die Bestellung als Unternehmer und nicht als Verbraucher tätigt (vgl. BGH GRUR 2017, 1140 Rn. 25 zu einem Testkauf). In der Folge ist ein Berufen auf Handeln als Verbraucher verwehrt (BGH GRUR 2017, 1140 Rn. 26). cc) Ware, 241a Bei der Bibliothek handelt es sich um eine bewegliche Sache, die nicht aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft wird und somit um eine Ware i.s.v. 474 I i.v.m. 241a. dd) Zwischenergebnis Somit liegt ein Verbrauchsgüterkauf gem. 474 I vor. b) Wirkung des 477 Es wird widerleglich zugunsten des B vermutet, dass ein innerhalb von einem Jahr nach Gefahrübergang auftretender Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, wenn dies nicht mit der Art der Sache (Alt. 1) bzw. des Mangels (Alt. 2) unvereinbar ist. Der Mangel besteht hier in der Verfärbung des Holzes. Denkbar ist es, die Vermutung des 477 I 1 dann auszuschließen, wenn es sich um einen Mangel handelt, der typischerweise jederzeit auftreten kann und somit für sich keinen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluss auf sein Vorliegen bzw. das Vorliegen eines Grundmangels bereits zur Zeit des Gefahrübergangs zulässt, 477 I 1 Alt. 2.

12 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 12 VON 24 Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vermutung des 477 I 1 nicht nur auf dem Erfahrungssatz beruht, dass ein Mangel, der innerhalb eines Jahres nach Gefahrübergang zutage getreten ist, auch bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben muss, sondern trägt auch dem Umstand Rechnung, dass der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer schlechtere Erkenntnismöglichkeiten hat. Somit kann eine Unvereinbarkeit mit der Art des Mangels nur dann angenommen werden, wenn es sich um einen offenkundigen Mangel handelt, der auch dem fachlichen nicht versierten Käufer hätte auffallen müssen (vgl. Grüneberg/Weidenkaff 477 BGB Rn. 12). In diesem Fall greift der mit 477 I 1 erfolgte Zweck, der schwierigen Beweislage des Verbraucher-Käufers gegenüber dem Unternehmer Rechnung zu tragen, nicht. Es ist vielmehr zu erwarten, das s der Käufer einen solchen offenkundigen Mangel bei Gefahrübergang (Übergabe) beanstandet (so der BGH im Karosseriebeschädigungsurteil, BGH NJW 2005, 3490). Eine fehlende Beanstandung spricht dann gegen die Vermutung des Vorliegens des Mangels bei Gefahr übergang. Bei den Verfärbungen könnte es sich um einen solchen offenkundigen Mangel handeln. Dafür spricht, dass es sich um äußere, leicht erkennbare Verfärbungen handelt. Dagegen spricht jedoch, dass die Bibliothek in Paketen verpackt war (anders als im Karosseriebeschädigungsurteil) und B den Mangel somit nicht offensichtlich hätte bemerken können. Dies gilt jedoch nur, wenn eine Obliegenheit des B, den Inhalt der Pakete zu überprüfen, nicht besteht. Eine solche Prüfobliegenheit ergibt sich für ein beide rseitiges Handelsgeschäft, mithin eines Geschäfts das für die beteiligten Kaufmänner zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gehört ( 343 HGB), aus 377 HGB. Aus dieser expliziten gesetzlichen Regelung ergibt sich im Umkehrschluss, dass für Verbraucher im Grundsatz eine Prüfobliegenheit nicht bestehen soll. Somit besteht keine Unvereinbarkeit der Vermutung des Vorliegens eines Mangels bei Gefahrübergang mit der Art des Mangels gem. 477 I 1 Alt. 2. c) Zwischenergebnis Gem. 477 I 1 wird vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Grundsätzlich ist der Beweis des Gegenteils zwar möglich ( 292 ZPO) (keine Verfärbung bei Übergabe), wurde jedoch von der M-GmbH nicht erbracht. Somit ist das Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang zu bejahen.

13 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 13 VON 24 III. Anspruch durchsetzbar 1. Einrede des 439 IV Das Leistungsverweigerungsrecht nach 439 IV ist eine rechtshemmende Einwendung, d.h. Einrede. Bei Einreden gilt: Sie müssen erhoben werden und sind nicht von Amts wegen zu beachten. Hier: M-GmbH macht geltend, dass die Kosten für Neulieferung, Ausbau und Einbau unverhältnismäßig sind. a) Vorliegen der Unverhältnismäßigkeit Im Rahmen der Unverhältnismäßigkeitsprüfung ist zwischen absoluter und relativer Unverhältnismäßigkeit zu unterscheiden. Absolute Unverhältnismäßigkeit ( 439 IV 1) ist anzunehmen, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung für sich allein unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die (absolute) Unverhältnismäßigkeit ist sowohl hins. der Nachlieferung als auch der Nachbesserung zu prüfen. Faustregel des BGH ist hierbei, dass im Falle eines nicht zu vertretenden Mangels absolute Unverhältnismäßigkeit dann besteht, wenn die Kosten der Nacherfüllung 150% des Wertes der mangelfreien Sache oder 200% des merkantilen Minderwerts übersteigen (BGH NJW 2009, 1660, 1661). Ausreichend ist das Vorliegen der absoluten Unverhältnismäßigkeit nach einer der beiden Methoden. Abweichende Prozentgrenzen können sich dabei aus den besonderen Umständen des jeweiligen Falles ergeben; entscheidend ist stets eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalls (BGH NJW 2009, 1660, 1661). Hinweis: Zu prüfen ist zunächst immer die absolute Unverhältnismäßigkeit einer Art der Nacherfüllung. Ist diese zu bejahen, so kommt es auf einen relativen Vergleich nicht mehr an. Eine relative Unverhältnismäßigkeit liegt demgegenüber vor, wenn die verlangte Art der Nacherfüllung möglich ist, aber im Vergleich zur alternativen Nacherfüllungsart unverhältnismäßige Kosten verursacht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Käufer zum einen zwar ein Wahlrecht zwischen den beiden Arten der Nacherfüllung zustehen soll, er zum anderen jedoch kein berechtigtes Interesse an der im Vergleich kostenintensiveren aber gleich effektiven Nacherfüllungsvariante haben kann. Vorliegend ist die Nachbesserung ( 439 I Alt. 1) als Nacherfüllungsvariante objektiv unmöglich. Der Anspruch auf Nachbesserung aus 439 I Alt. 1 ist daher wegen Unmöglichkeit nach 275 I erloschen, sodass diesbezüglich auch keine Prüfung einer absoluten Unverhältnismäßigkeit erfolgen kann. Eine absolute Unverhältnismäßigkeit kann sich damit nur noch im Hinblick auf die Nachlieferung ergeben, 439 I Alt. 2. Der Aufwand für die Nachlieferung setzt sich

14 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 14 VON 24 zusammen aus dem Aufwand einer Ersatzbeschaffung (hier: ) sowie aller weiteren vom Verkäufer nach 439 II und III zu tragenden Aufwendungen, wie Transportkosten oder Kosten für den Ausbau der mangelhaften und Einbau der neugelieferten Sache (hier: ) (BeckOK BGB/Faust 439 Rn. 72). Nach den Kriterien des BGH, der eine absolute Unverhältnismäßigkeit nach 439 IV 2 Fall 1 bei 150% des Wertes der mangelfreien Sache ( ) annimmt, wäre eine solche zu verneinen der Nachlieferungsaufwand liegt mit 500 weit unter dem objektiven Wert einer mangelfreien Bibliothek. Eine Unverhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Bedeutung des Mangels ( 439 IV 2 Fall 2) ist dann anzunehmen, wenn der Nachlieferungsaufwand 200% des Mangelunwerts (Differenz zwischen dem Wert der Sache im mangelfreien und dem Wert der Sache im mangelhaften Zustand) darstellt. Der Mangelunwert der Sache beträgt hier 500, sodass die Unverhältnismäßigkeitsgrenze bei liegt. Selbst wenn man den Restwert der Sache, die ja schließlich gem. 439 VI i.v.m. 346 ff. zurückzugewähren ist (hier: ; wie es offenbar LG Ellwangen NJW 2003, 517, 518 machen würde), bliebe noch ein Aufwand von 1.500, der somit in jedem Fall über der Unverhältnismäßigkeitsgrenze von liegt. Eine absolute Unverhältnismäßigkeit ist deshalb zu bejahen. Eine relative Unverhältnismäßigkeit ist nicht zu prüfen, da die Nachbesserung gem. 439 I Alt. 1 unmöglich ist. Merke: Mit Wirkung zum wurde 475 IV 1 a.f. abgeschafft, der dem Verkäufer die Einrede des 439 IV verwehrte, wenn eine Art der Nacherfüllung nach 275 I ausgeschlossen war oder vom Verkäufer nach 275 II, III oder 439 IV verweigert werden konnte. Dies ist hier der Fall. Eine derartige Vorschrift gibt es aber nicht mehr im Kaufrecht. Nachdem die frühere Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch die Warenkaufrichtlinie ersetzt wurde und diese in ihrem Art. 13 III eine keine entsprechende Vorgabe an die Mitgliedsstaaten mehr enthielt, war die Streichung des 475 IV 1 a.f. für den deutschen Gesetzgeber unionsrechtlich möglich. Anmerkung: Es ließe sich sehr gut vertreten, dass der Verkäufer im Fall des 439 IV nicht vollständig von der Haftung befreit wird, sondern zumindest die Kosten bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit tragen muss (so BeckOK BGB/Faust 439 Rn. 153). Geht man hier von einer Unverhältnismäßigkeitsgrenze bei aus, müsste die M-GmbH diesen Betrag zahlen. Nur zur Zahlung der darüber hinausgehenden Kosten wäre die M-GmbH sodann nicht verpflichtet. Jedenfalls kann der Käufer die Einrede dadurch abwenden, dass er verbindlich zusagt, sich an den Kosten zu beteiligen, die für die Leistung anfallen (BeckOK BGB/Faust 439 Rn. 153).

15 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 15 VON 24 b) Zwischenergebnis Die Nachlieferung der Bibliothek gem. 439 I Alt. 2 ist unverhältnismäßig. 2. Einrede des nicht erfüllten Vertrag es nach 320 I 1 X hält als alleiniger Geschäftsführer der M-GmbH dem Anspruch des B einen Gegenanspruch auf Nutzungsersatz für den Gebrauch der Bibliothek i.h.v. 150 aus 439 VI, 346 I Alt. 1 entgegen. Jedenfalls ist dieser hier aber gem. 475 III 1 ausgeschlossen, da ein Verbrauchsgüterkauf i.s.d. 474 I vorliegt (s.o.). Einen Gegenanspruch auf Rückgabe der gelieferten Bibliothek aus 439 VI, 346 I Alt. 1, 348, 320 hat der X nicht geltend gemacht. Anmerkung: 475 III ist die gesetzgeberische Reaktion auf die Entscheidungen EuGH NJW 2008, 1433 und BGH NJW 2009, 427. Somit fehlt eine wirksame und fällige Gegenforderung und die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach 320 greift nicht durch. IV. Ergebnis Der B hat gegen die M-GmbH keinen Anspruch auf Nachlieferung einer neuen Bibliothek gem. 437 Nr. 1, 439 I Alt. 2. B. Anspruch des B gegen die M-GmbH auf Erstattung der Kosten für Aus- und Einbau der neuen Bibliothek gem. 437 Nr. 1, 439 III B hat gegen die M-GmbH keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für und Ausund Einbau der neuen Bibliothek aus 437 Nr. 1, 439 III, da schon der Anspruch auf Nacherfüllung ( 439 I) nicht besteht (s.o.). Wie sich aus dem Wortlaut des 439 III ( im Rahmen der Nacherfüllung ) ergibt, ist der Anspruch auf Erstattung der Kosten für Aus- und Einbau nur dann zu gewähren, wenn ein Anspruch auf Nachbesserung und/oder Nachlieferung besteht. Anmerkung: Sollten Sie den Anspruch auf Nacherfüllung aus 439 I bejahen, müssten Sie für den Anspruch aus 439 III Folgendes prüfen: 1. Einbau entsprechend Verwendungszweck B hat die Bibliothek entsprechend dem normalen Verwendungszweck einer Bibliothek in sein Wohnzimmer eingebaut. 2. Kosten für Ein- und Ausbau erforderlich Fraglich ist, ob Handwerkerkosten überhaupt erforderlich sein können, wenn der B das Regal auch einfach selbst hätte auf- und abbauen können. Grundsätzlich darf der Käufer bei solchen Arbeiten einen Dritten einschalten, die einen gewissen zeitlichen Aufwand und handwerkliche Fertigkeiten erfordern und ein gewisses Risiko

16 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 16 VON 24 bergen (BeckOK BGB/Faust 439 Rn. 125 f.). Der Aufbau der Bibliothek und insbesondere ihre Anpassung sind mit einem großen Zeitaufwand verbunden. Dass B also grundsätzlich einen Handwerker einschaltet, ist als erforderlich einzustufen. Jedoch hat B hier einen auf Luxusmöbel spezialisierten Handwerker ausgewählt, der für eine Arbeit verlangt, für die ein durchschnittlicher Handwerker nur verlangen würde. 439 III setzt den Art. 14 III Warenkaufrichtlinie um, der dem Verbraucher die Nacherfüllung ohne besondere Unannehmlichkeiten ermöglichen soll. Vor diesem Hintergrund ist die Erforderlichkeit eher großzügig auszulegen. Der Käufer muss nicht immer den günstigsten Drittunternehmer auswählen, sondern kann insbesondere auch dessen Zuverlässigkeit und Schnelligkeit mit in seine Entscheidung einbeziehen. Da U für seine besondere Zuverlässigkeit bekannt ist und der Preis nicht sehr viel höher ist, ist hier eine Erforderlichkeit anzunehmen (a.a. vertretbar). 3. Aufwendungen getätigt ( 257), sonst Vorschuss ( 475 IV) B hat die Aufwendungen noch nicht getätigt. Da hier aber ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, kann er von der M-GmbH auch einen Vorschuss verlangen ( 475 IV). 4. Kein Offenbarwerden des Mangels vor Einbau, 439 III Der B müsste die Bibliothek eingebaut haben, bevor der Mangel nach 439 III offenbar wurde. Bei dem Offenbarenwerden handelt es sich um einen unbestimmten Rechtbegriff, der der Auslegung bedarf. Nach dem Regierungsentwurf wird der Mangel erst dann offenbar, wenn der Käufer ihn kennt (RegE, BT-Drs. 19/27424, 26). Insoweit könnte der Begriff enger zu verstehen sein als die vorige Fassung des 439 III, in der auf den 442 I verwiesen wurde, mithin auch grob fahrlässiges Verkennen des Mangels schadete. Laut dem EuGH-Urteil, auf dem der in 439 III n.f. umgesetzte Art. 14 III der Warenkauf richtlinie beruht, genügt es für die Ablehnung des Offenbarwedens jedoch bereits, wenn der Käufer den Einbau gutgläubig vor Auftreten des Mangels vorgenommen hat (EuGH NJW 2011, 2269 Rn. 56, 62, 76; vgl. auch BeckOK BGB/Faust BGB 439 Rn. 121). Dies lässt zumindest auch eine Auslegung zu, die ein Offenbarwerden auch dann annimmt, wenn der Mangel sich einem Durchschnittskäufer geradezu aufdrängen musste, was dem Kriterium der groben Fahrlässigkeit (wie auch von 442 I gefordert) entspricht (BeckOK BGB/Faust BGB 439 Rn. 121; Harke GPR 2021, 129, 133; Lorenz NJW 2021, 2065 Rn. 14; Rachlitz NJW 2022, 1337 Rn. 28 ff.). Vorliegend bestehen sowohl für eine positive Kenntnis als auch für eine grob fahrlässige Unkenntnis seitens des B keinerlei Anhaltspukte, sodass es auf eine Entscheidung nicht ankommt. 5. Zwischenergebnis

17 LUDWIG-MAXIM ILIANS-U NIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 17 VON 24 Insgesamt ließe sich also gut vertreten, dass B gegen die M-GmbH einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für und Aus- und Einbau der neuen Bibliothek aus 437 Nr. 1, 439 III hätte. C. Anspruch des B gegen die M-GmbH auf Erstattung der Kosten für Aus- und Einbau der neuen Bibliothek gem. 437 Nr. 3, 280 I B könnte gegen die M-GmbH einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für und Aus- und Einbau der neuen Bibliothek aus 437 Nr. 3, 280 I wegen Verletzung der Pflicht aus 433 I 2 haben. I. Kaufvertrag (+) (s.o.) II. Mangelhafte Lieferung (+) (s.o.) Anmerkung: Zwar besteht der Anspruch auf Nacherfüllung nicht. Dieser Anspruch auf Schadensersatz knüpft aber an der ursprünglichen Leistung, nämlich dem Sachmangel, an. III. Vertretenmüssen, 280 I 2 Das Vertretenmüssen muss sich auf die Pflichtverletzung beziehen. Diese besteht hier in Form der ursprünglich mangelhaften Leistung. Weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit i.s.d. 276 sind ersichtlich. Zwar wird auf Grund der Formulierung des 280 I 2 ein Vertretenmüssen vermutet und dem Anspruchsgegner die Beweislast aufgebürdet. Hier ergibt sich aus dem Sachverhalt jedoch, dass die M-GmbH die Ware bereits verpackt erhält und stichprobenartig prüft. Mehr kann von einem Verkäufer nicht verlangt werden. Die Angaben im Sachverhalt widerlegen somit die Vermutung des 280 I 2. Anmerkung: Selbst wenn die M-GmbH im Rahmen eines beiderseitigen Handelsgeschäfts ihre Obliegenheit nach 377 HGB verletzt hätte (wovon nach dem Sachverhalt nicht auszugehen ist), würde sich dies nicht zwingend auf ein etwaiges Verschulden der Mangelhaftigkeit im Verhältnis zwischen der M-GmbH und B auswirken. Die M-GmbH schuldet gem. 433 I 1 nur Übereignung und Besitzverschaffung, nicht aber die Herstellung. Und die Verletzung einer Obliegenheit verkürzt lediglich eigene Rechte, begründet aber keine Pflichten gegenüber anderen. Etwas anders ergäbe sich nur dann, wenn sich die M -GmbH ein etwaiges Verschulden der P wegen eines falschen Herstellungsverfahrens über 278 Alt. 2 zurechnen lassen müsste. Hierfür müsste P Erfüllungsgehilfe der M -GmbH sein. Erfüllungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Pflichtenkreis

18 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 18 VON 24 gegenüber dem anderen Teil tätig wird. Jedoch ist nach ganz h.m. der Hersteller nicht mit Wissen und Wollen des Verkäufers zur Erfüllung von dessen Pflicht zur Übergabe und Übereignung ( 433 I 1) einer mangelfreien ( 433 I 2) Sache eingesetzt (BGH NJW 2008, 2837 Rn. 29). Ein Vertretenmüssen der M-GmbH scheidet aus. IV. Ergebnis Ein Anspruch aus 437 Nr. 3, 280 I besteht nicht. D. Ergebnis B hat gegen die M-GmbH keinen Anspruch auf Nachlieferung einer neuen Bibliothek gem. 437 Nr. 1, 439 I Alt. 2. Dies gilt ebenso für die Kosten für den Ausund Einbau aus 437 Nr. 1, 439 III. Anmerkung: Wenngleich B hier nicht zurücktritt, wäre ihm dies möglich. Vorliegend hat die M-GmbH die Nachlieferung ( 439 I Alt. 2) gem. 439 IV 2 Hs. 2 wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit verweigert, sodass das Setzen einer Frist nach 475d I Nr. 4 entbehrlich ist. Der Rücktritt ist auch nicht gem. 323 V 2 ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung hier der Mangel nicht unerheblich ist. Die Prüfung der (Un-)Erheblichkeit bedarf einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall, wobei insbesondere auch der für die Nachlieferung (hier beschränkt sich die Nacherfüllung ja auf diese) erforderliche Aufwand zu berücksichtigen ist. Der BGH geht ab einem Aufwand von 5% des Kaufpreises von einer Erheblichkeit der Pflichtverletzung aus (vgl. BGH NJW 2022, 463 Rn. 44). Diese Grenze ist überschritten. B hätte dann nach 346 I, 437 Nr. 2 Fall 2, 323 I einen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises. Nach 475 IV 1 hätte die M-GmbH ferner die Kosten der Rückgabe zu erstatten. Es spricht einiges dafür, hierunter auch die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Sache zu fassen.

19 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 19 VON 24 Frage 2 A. Anspruch des H gegen B auf Zahlung von 700 gemäß 631 I Hs. 2 I. Werkvertrag Voraussetzung ist das Bestehen eines wirksamen Werkvertrages zwischen B und H über den Aufbau der Bibliothek gegen Barzahlung von 700. Sie haben jedoch eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede geschlossen. Aufgrund dessen könnte der Vertrag nichtig sein. 1. Nichtigkeit des gesamten Vertrags wegen 138 Für den Wuchertatbestand nach 138 II sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der gesamte Vertrag könnte jedoch i.s.e. Inhaltsittenwidrigkeit nach 138 I nichtig sein, wenn die Steuerhinterziehung/Steuerverkürzung Hauptzweck des Vertrages ist. Bei Werkverträgen ist allerdings regelmäßig das Erbringen der Werkleistung und nicht das Steuerhinterziehen Hauptzweck des Vertrages (BGH NJW-RR 2008, 1051) so auch hier. 138 I scheidet demnach ebenso aus. 2. Nichtigkeit des gesamten Vertrages aufgrund Verstoß es gegen das SchwarzArbG ( 134) a) Verbotsgesetz Ein Gesetz ist gem. Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm; somit auch das SchwarzArbG. Zudem muss die Rechtsnorm Verbotscharakter aufweisen. Nach 134 ist ein Rechtsgeschäft wegen eines Gesetzesverstoßes nur dann nichtig, wenn sich aus der Verbotsnorm nicht ein anderes ergibt. Ob bei einem Gesetzesverstoß die Rechtsfolge der Nichtigkeit des Geschäfts greift, muss durch Auslegung nach Sinn und Zweck der einzelnen Gesetzesvorschrift ermittelt werden (BeckOKBGB/Wendtland 134 Rn. 9). Der Zweck der betreffenden Vorschrift muss verlangen, dass der zivilrechtliche Erfolg des Rechtsgeschäfts nicht eintritt. Das SchwarzArbG will die Schwarzarbeit schlechthin verbieten und den Leistungsaustausch zwischen den Parteien allgemein verhindern (BGH NJW 1983, 109, 110). 1 II Nr. 2 SchwarzArbG ist in Verbindung mit 1 I dahingehend auszulegen, dass es gerade ein bestimmtes Verhalten, nämlich die Durchführung von werkvertraglichen Arbeiten ohne Rechnungsstellung ( schwarz ), untersagen/verbieten will. Ein Verbotsgesetz liegt demnach vor.

20 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 20 VON 24 b) Beidseitiger Verstoß Anmerkung: Nach ständiger Rspr. setzt Nichtigkeit nach 134 bei zweiseitigen Rechtsgeschäften entscheidend voraus, dass das gesetzliche Verbot beide Vertragsparteien betrifft (BGH NJW 2014, 3568 Rn. 15). Hintergrund dessen ist, dass es mit dem Ziel der Erreichung des Verbotszwecks von Verbotsgesetzen, die sich gegen beide Vertragsparteien richten, grundsätzlich unvereinbar wäre, wenn das in Widerspruch dazu geschlossene Rechtsgeschäft Bestand haben würde. Bei Verbotsgesetzen, die sich nur gegen einen Vertragspartner richten, ist dies in der Regel nicht der Fall (BGHZ 78, 263 (265) = NJW 1981, 399, 399 f.). Die Rechtsprechung hat jedoch anerkannt, dass diese Regel nur im Grundsatz gilt und bereits Ausnahmen in beide Richtungen angenommen. So führt etwa auch der beidseitige Verstoß gegen reine Ordnungsvorschriften nicht zur Nichtigkeit gem. 134 (BGHZ 108, 364, 368 = NJW 1990, 1354). Umgekehrt kann etwa ein einseitiger Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht gem. 203 StGB die Nichtigkeit nach 134 bedingen (BGHZ 115, 123, 125 = NJW 1991, 2955). Letztlich kommt es also entscheidend darauf an, ob der Eintritt der zivilrechtlichen Nichtigkeitssanktion zur Erreichung des Zwecks des Verbotsgesetzes unabdingbar ist. Demnach gilt für 134 folgendes Prüfungsschema: (1) Rechtsgeschäft (2) Verbotsgesetz (3) Beidseitiger Verstoß (ggf. ausnahmsweise Beurteilung der Nichtigkeitssanktion nach dem Verbotszweck) (4) Rechtsfolge Die unterlassene Berechnung/Abführung der Umsatzsteuer für die Aufbauarbeiten müsste einen beidseitigen Verstoß darstellen. aa) Verstoß des H gegen 1 II Nr. 2 SchwarzArbG Ein Verstoß des H gegen 1 II Nr. 2 SchwarzArbG ist zu bejahen, da er durch das Außerachtlassen der Rechnungsstellungspflicht nach 14 II Nr. 1 UStG seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. bb) Verstoß des B als Werkbesteller gegen SchwarzArbG Ein Verstoß des B gegen 1 II Nr. 2 SchwarzArbG scheidet aus, da B nicht Steuerpflichtiger hinsichtlich der Umsatzsteuer ist. Auch ein Verstoß gegen 8 I Nr. 2 SchwarzArG ist zu verneinen, da bereits fraglich ist, ob B Werkleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt. Jedenfalls mü sste der von ihm beauftragte B gegen eine der in 8 II Nr. 1 a e genannten Kriterien verstoßen. Dies ist hier nicht ersichtlich.

21 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 21 VON 24 Daher besteht kein beidseitiger Verstoß gegen das SchwarzArbG. Da die Voraussetzung des beidseitigen Verstoßes den Grundsatz darstellt, könnte im Einzelfall auch ein einseitiger Verstoß seitens H genügen. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Unternehmer gegen die steuerlichen Pflichten verstößt und der Besteller diesen Verstoß kennt und bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Der Besteller ist nur dann schutzwürdig, wenn er von dem einseitigen Verstoß nichts weiß. Begründet wird dies mit der Verschärfung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Zweck des SchwarzArbG ist es, Schwarzarbeit möglichst effektiv zu bekämpfen: Wenn beide Parteien Schwarzarbeit fördern, sollen auch beide sanktioniert werden. Für den Unternehmer bedeutet dies steuer- bzw. strafrechtliche Sanktionen; für den Besteller die Nichtigkeit des Vertrages mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Mängelgewährleistung. Die volle Wirksamkeit des Vertrages ist bei beidseitigem Vorsatz nicht hinzunehmen. Vielmehr ist es Sinn und Zweck des SchwarzArbG, den Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung zu nehmen. Hier hat B die Ohne-Rechnung-Abrede sogar selbst initiiert. Er ist mithin nicht schutzwürdig. Eine Nichtigkeit nach 134 i.v.m. 1 II Nr. 2 SchwarzArbG ist somit anzunehmen II. Ergebnis: H hat wegen Unwirksamkeit des Werkvertrags keinen Werklohnanspruch gegen B gem. 631 I Hs. 2. B. Anspruch auf Zahlung der vereinbarten 700 aus GoA gem. 670, 677, 683 S. 1 I. Fremdes Geschäft Fremdes Geschäft ist jede tatsächliche oder wirtschaftliche Tätigkeit im Pflichtenkreis eines anderen. Dies ist bei dem Einbau der Bibliothek zu bejahen. II. Ohne Auftrag Der Einbau erfolgte auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung, da zugrundeliegender Vertrag gem. 134 i.v.m. 1 II Nr. 2 SchwarzArbG nichtig ist. III. Fremdgeschäftsführungswille H müsste auch mit dem Willen gehandelt haben, das Geschäft als fremdes zu führen. Bei objektiv fremden Geschäften wird dieser Fremdgeschäftsführungswille

22 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 22 VON 24 vermutet. Vorliegend wurde H jedoch aufgrund einer eigenen (vermeintlichen) vertraglichen Verbindlichkeit aus 631 gegenüber B tätig und liegt deshalb ein sog. objektiv auch fremdes Geschäft vor. Zwar wird in diesen Fällen der Fremdgeschäftsführungswille grundsätzlich ebenso vermutet. Eine Ausnahme von dieser Vermutung bildet jedoch die hier einschlägige Konstellation des sog. pflichtgebundenen Geschäftsführers, der i.d.r. nur seinen eigenen Verpflichtungen gegenüber seinem Geschäftspartner gerecht werden will. Der Fremdgeschäftsführungswille ist dabei positiv festzustellen (BeckOK BGB/Gehrlein 677 BGB Rn. 16; BeckOGK/ Thole 677 BGB Rn. 118) und regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn es für den Geschäftsführer im Zeitpunkt der Übernahme des Geschäftes nicht klar ersichtlich war, ob und inwieweit seine (vermeintlich) vertraglich begründete Pflicht bestand oder es gerade Inhalt dieser Pflicht war, für einen anderen tätig zu werden (BeckOGK/Thole 677 BGB Rn. 118). Dies ist vorliegend nicht der Fall, sodass davon auszugehen ist, dass H nur für sich tätig werden wollte. Ein Fremdgeschäftsführungswille kann nicht positiv festgestellt werden. Hinweis: Aus didaktischen Gründen wird der Anspruch hier noch weiter geprüft. IV. Interessen- und willensgemäß, 683 S. 1 Der Einbau erfolgte auch entsprechend dem Interesse und Willen des B, da er den Einbau der Bibliothek subjektiv wollte und sie in seinem objektiven Interesse lag. V. Erforderliche Aufwendung, 670 Da die Geschäftsführung in einer von 1 II Nr. 2 SchwarzArbG verbotenen Tätigkeit besteht, durfte Geschäftsführer (H) die Aufwendungen nicht für erforderlich i.s.d. 670 halten. VI. Ergebnis Es besteht kein Anspruch des H auf Ersatz der notwendigen Aufwendungen nach 670, 677, 683 S. 1. Nachteil der Vorgehensweise des BGH: Der BGH gelangt dennoch zur Prüfung eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs inkonsistent, weil im Falle einer berechtigten GoA ein Rechtsgrund im Sinne des 812 I besteht (berechtigte GoA als Rechtsgrund). Somit ist die Prüfung der 812 ff. an sich gesperrt. Der BGH übergeht dieses Hindernis ohne nähere Begründung.

23 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 23 VON 24 C. Anspruch auf Zahlung von 700 aus 812 I 1 Alt. 1, 818 II I. Etwas Erlangt B hat die primär Werkleistung des H als vermögenswerten Vorteil i.s.v 812 I 1 Alt. 1 erlangt. II. Durch Leistung Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hier erbrachte H die Aufbautätigkeit aufgrund einer gegenüber B vermeintlich bestehenden Verbindlichkeit aus 631 I Hs. 2 und somit durch Leistung. III. Ohne rechtlichen Grund Dies erfolgte auch ohne rechtlichen Grund, da der zugrundeliegende schuldrechtlicher Vertrag unwirksam ist (s.o.). IV. Ausschluss des Anspruchs 1. Ausschluss nach 814? Ein Ausschluss der Leistungskondiktion nach 814 scheidet aus, da der H keine positive Rechtsfolgenkenntnis i.s.v. 814 hinsichtlich der Nichtigkeit des Vertrages hatte. Die Kenntnis der Umstände allein genügt nicht. 2. Ausschluss nach 817 S. 2? Nach h.m. ist der Ausschlussgrund des 817 S. 2 trotz des missverständlichen Wortlauts auf alle Leistungskondiktionen anzuwenden (BeckOK BGB/Wendehorst 817 BGB Rn. 11). Dem Wort gleichfalls kommt nur eine satzverbindende Bedeutung zu, da andernfalls die praktische Relevanz der Norm zu gering wäre und der mit ihr verfolgte Zweck der Generalprävention nicht erreicht werden könnte (MüKoBGB/Schwab 817 BGB Rn. 10 ff.; Staudinger/Lorenz 817 BGB Rn. 10). Hier verstößt der Leistende H gegen ein Verbotsgesetz ( 134 i.v.m. 1 II Nr. 2 SchwarzArbG), sodass grundsätzlich ein Ausschluss nach 817 S. 2 anzunehmen ist. Denkbar wäre es jedoch, dass der 817 S. 2 im konkreten Fall wegen 242 teleologisch zu reduzieren ist (Fallgruppe: Abschluss eines Rechtsgeschäfts trotz Kenntnis der Nichtigkeit/treuwidriger Erwerb einer Einwendung (BeckOGK BGB/Kähler 242 BGB Rn f.; MüKoBGB/Schwab 817 Rn. 28). Dem liegt die Frage zugrunde, ob es mit Treu und Glauben ( 242) vereinbar sein kann, dass B die rechtsgrundlose Leistung des H unentgeltlich behalten darf, nur weil dieser vorleistungsverpflichtet war.

24 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 24 VON 24 Nach der früheren Rechtsprechung des BGH (siehe BGH NJW 1990, 2542) war eine teleologische Reduktion anzunehmen, da der Bereicherungsanspruch dem Billigkeitsrecht angehört und somit der Fairness -Gedanke greift. Zudem besteht der Zweck des SchwarzArbG nicht in erster Linie in dem Schutz der Interessen des Auftraggebers. Vielmehr wohnt dem SchwarzArbG auch eine ordnungspolitische Zielsetzung (z.b. Verhinderung von Steuerausfällen, Schutz der Sozialversicherungsträger etc.) inne. Mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit des Vertrags zwischen den Parteien ist dieser ordnungspolitischen Zielsetzung Genüge getan. Dürfte der Besteller die Leistung hingegen unentgeltlich behalten, würde dies eher über das Ziel hinausschießen. Die Konsequenz daraus ist, dass der 817 S. 2 nicht zu einer Schlechterstellung des Vorleistenden (H) führen darf und B somit dem Verlangen des H nicht 817 S. 2 entgegenhalten kann. Nach der h.l. und der neuen Rspr. des BGH (BGH NJW 2014, 1805) würde eine teleologische Reduktion dazu führen, dass der Unternehmer auf Grund von 818 II die übliche Vergütung erhalten würde und dabei nicht einmal Mängelrechten ausgesetzt wäre. Es besteht auch keine Gefahr der wirtschaftlichen Ausnutzung des Unternehmers, da er i.d.r. nicht die wirtschaftlich schwächere Partei ist und der Besteller auch keine Mängelansprüche gegen ihn geltend machen kann. Das SchwarzArbG soll die Schwarzarbeit umfassend und effektiv bekämpfen und ihr jede wirtschaftliche Grundlage entziehen. Zudem darf es bei einem beiderseitigen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz gerade keinen Raum für Billigkeitserwägungen geben. Nach dieser Argumentation ist eine teleologische Reduktion des 817 S. 2 abzulehnen (a.a vertretbar). V. Ergebnis Der Anspruch des H gegen B aus 812 I 1 Alt. 1, 818 II ist gem. 817 S. 2 ausgeschlossen. D. Gesamtergebnis H kann von B keine Vergütung und keinen Wertersatz für die Verlegungsarbeiten verlangen. Anmerkung: Auch ein Anspruch aus 817 S.1 scheitert an 817 S. 2.