Das Gummibärchen-Orakel [1]
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- Christina Zimmermann
- vor 7 Jahren
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1 Das Gummibärchen-Orakel [1] 1. Allgemeines Lehrplanbezug: Klasse 10 bzw. 11, z.b. beim Wiederholen der kombinatorischen Formeln Zeitbedarf: 1 bis 4 Schulstunden je nach Vertiefungsgrad 2. Einstieg und Hinführung Es gibt 5 Sorten von Gummibärchen: rot, gelb, weiß, grün, orange. Wieso gibt es keine blauen Gummibärchen? Biologischer Grund: schmecken so gut, dass fast ausgerottet! Chemischer Grund: blauer Farbstoff so teuer! Oder etwa sogar ein mathematischer Grund? Einige Experimente mit Gummibärchen: WDH der bekannten kombinatorischen Formeln, etwa Ziehen von drei von fünf verschiedenfarbigen Gummibärchen, mit / ohne Beachtung der Reihenfolge, etc.. Das Gummibärchen Orakel: Buch vorstellen und durchspielen Ziehe fünf Bärchen aus der Tüte und du erfährst alles über deine Zukunft (Reihenfolge egal) 3. Analyse des Problems Die Analyse zeigt: Das Orakel kann als Ziehen mit Rücklegen ohne Beachtung der Reihenfolge interpretiert werden! Problem: Keine Formel bekannt! Gesucht ist eine Formel zur Berechnung aller Möglichkeiten! 4. Lösung des Problems 4.1 Bringe die gezogenen Farben in eine Ordnung: (wirkliche) Farbe rot gelb weiß grün orange Ordnungszahl w Beispiel: gezogen: rot gelb gelb grün rot a umgeordnet: rot rot gelb gelb grün Ab sofort nennen wir die Farben stets in dieser Ordnung.
2 4.2 Der Trick: Das erstgenannte Bärchen ist gemäß der Vereinbarung rot, also nennen wir es rot, das zweitgenannte ist ebenfalls rot, also nennen wir es gelb (!), das drittgenannte ist gelb, wir nennen es grün, das an vierter Stelle genannte ist gelb, wir nennen es orange! Wer erkennt, was hinter diesem Trick steckt? Die neue (sog. unwirkliche) Farbe des an der p-ten Stelle genannten Bärchens erhält man, wenn man in obiger Tabelle ausgehend von der wirklichen Farbe (p 1) Farben weiterzählt! Demnach müssen wir neue Farben einführen, um dem an der fünften Stelle genannte Bärchen (wirkliche Farbe: grün) eine unwirkliche Farbe zuordnen zu können: Das an fünfter Stelle genannte Bärchen nennen wir lila. Weitere Überlegungen führen zu weiteren unwirklichen Farben: unwirkliche Farbe rot gelb weiß grün orange blau schwarz lila pink Ordnungszahl u Nun sollte gespielt werden, damit alle Schülern den Trick verstehen. Es scheint, also hätte man das ursprüngliche / wirkliche Experiment in folgendes unwirkliches Experiment überführt: Wir ziehen 5 aus 9 unwirklichen Farben. 4.3 Das Ergebnis In schwächeren Klassen wird man nur plausibel machen, dass wir nun 5 aus 9 Farben ohne Rücklegen ohne Beachtung der Reihenfolge ziehen und dass es hierfür 9 über 5 Möglichkeiten gibt. Ferner sollte man an Beispielen aufzeigen, dass die Zuordnung wirkliche Farbe a unwirkliche Farbe bei beliebiger, aber fester Stelle p der Farbe in beiden Richtungen eindeutig (bijektiv) ist. Für p = 3 also zum Beispiel: Ist die drittgenannte wirkliche Farbe gelb, so ist die entsprechende unwirkliche Farbe eindeutig zu bestimmen: grün. Auch umgekehrt kann man aus der an dritter Stelle genannten unwirklichen Farbe orange sofort auf die wirkliche Farbe weiß schließen. Daher ist auch die Abbildung, die jedem wirklichen Ergebnis (bestehend aus 5 geordneten wirklichen Farben) dessen unwirkliches Ergebnis zuordnet, bijektiv. Somit gehen keine Ergebnisse verloren. [Mit Position der Farbe ist gemeint, an welcher Stelle die Farbe genannt wird, nachdem man die wirklichen Farben in die oben vereinbarte Ordnung gebracht hat.]
3 Besonderer Hinweis für die Teilnehmer des Arbeitskreises: Die Tatsache, dass z.b. orange als unwirkliche Farbe auf mehrere verschiedene Arten auftreten kann, rot aber nur auf eine Art, ist nicht problematisch, denn eine unwirkliche Farbe hat nur dann eine anschauliche Bedeutung, wenn p bekannt ist: Taucht orange als 1. unwirkliche Farbe auf, so bedeutet sie orange, taucht sie als 2. unwirkliche Farbe auf, so bedeutet sie grün, usw.... Taucht sie als 5. unwirkliche Farbe auf, bedeutet sie rot! Wichtig ist nur: Im wirklichen Experiment möchten wir die Anzahl der denkbaren wirklichen Ergebnisse (bestehend aus den 5 wirklichen Farben in vereinbarter Anordnung) bestimmen. Jedes dieser wirklichen Ergebnisse wird bijektiv auf ein unwirkliches Ergebnis abgebildet! Insbesondere gehören zu zwei verschiedenen wirklichen Ergebnissen daher auch zwei verschiedene unwirkliche Ergebnisse, weshalb kein wirkliches Ergebnis verloren geht. Dass ferner alle unwirklichen Farbkombinationen bestehend aus 5 von 9 unwirklichen Farben ein Urbild haben, kann den Schülern auch zunächst durch Beispiele plausibel gemacht werden: Das Urnenexperiment ziehe 5 aus 9 Farben ohne Rücklegen könnte liefern (*) r l s o b Gemäß der vereinbarten Ordnung der Farben entspricht dies dem unwirklichen Ergebnis r o b s l und somit dem wirklichen Ergebnis r gr gr gr gr. Dasselbe wirkliche Ergebnis erhält man bei sämtlichen Permutationen von (*). Dies zeigt übrigens, dass uns beim Ziehen von 5 aus 9 Farben in der Tat die Reihenfolge der Farben egal sein muss, damit dieses unwirkliche Experiment unserem ursprünglichen / wirklichen Experiment entspricht. Schließlich kann mit der Klasse erarbeitet werden: Die allgemeine Formel beim Ziehen von k aus n Kugeln mit Rücklegen ohne n + k 1 Beachtung der Reihenfolge ist. k Diese Formel wird uns in der Wahrscheinlichkeitsrechnung nichts nutzen, da die Ergebnisse nicht gleichwahrscheinlich sind. Der Grund, weshalb es die blauen Gummibärchen nicht gibt, ist mathematischer Natur: Der Mathematiker benötigt die blauen Gummibärchen als unwirkliche Farbe bei seinem Beweis. 5. Vertiefung Weitere Aufgaben desselben Typs sind z.b.: 5.1 Sieben identisch aussehende Bälle sollen in 4 Taschen verteilt werden.
4 5.2 Wie viele Wege führen vom Punkt P(0/0) eines Koordinatensystems zum Punkt Q(7/5), wenn man nur entlang der Gitterlinien gehen darf und zwar nur in Richtung Norden oder Osten, also z.b. wie folgt 6. Weitere Möglichkeiten 6.1. Wenn man möchte, kann man die Zuordnung wirkliche Farbe a unwirkliche Farbe bei festem p durch eine Funktion beschreiben: Ordnet man die wirklichen Farben gemäß unserer Vereinbarung und ist w die wirkliche Farbe 1 an der p-ten Position, so erhält man die zugehörige unwirkliche Farbe 2 u offenbar wie folgt: (**) u p (w):= w + (p 1) Schaubild: [Die verschiedenfarbige Strecken sind irreführend. Aufgrund der Definitionsmenge handelt es sich eigentlich um diskrete Punktmengen. An den Achsen sind die Farben und deren Ordnungszahlen angegeben.] Mittels dieser Visualisierung lässt sich die Bijektivität der Zuordnung bei gegebenem p am Schaubild nachvollziehen. 1 genauer: die Ordnungszahl der wirklichen Farbe 2 genauer: die Ordnungszahl der unwirklichen Farbe
5 6.2 Zudem kann man die alternative Lösung des Problems behandeln: Man vereinbart wie oben eine Reihenfolge der Farben und schreibt z.b. das Ergebnis rot rot gelb orange orange als (00/0///00). Dabei dienen die Trennstriche (/) zur Abtrennung der fünf Farben voneinander, das Symbol 0 steht für das Auftreten der entsprechenden Farbe. Somit lässt sich das Problem umformulieren: Wie viele Möglichkeiten gibt es, vier Trennstriche auf neun Positionen zu verteilen. 6.3 In einer AG kann man ferner den formalen Beweis [2] klären und ihm die anschaulichere Variante mit den Farben gegenüberstellen. 6.4 Unabhängig davon kann man motivieren, weshalb es sinnvoll ist zu unwirklichen Farben überzugehen: Die Analyse des ursprünglichen Problems hatte gezeigt: Wir ziehen 5 aus 5 mit Rücklegen ohne Reihenfolge. Eine Lösungsstrategie könnte sein: Wir führen diesen Fall auf einen bekannten zurück, z.b. auf: a) Mit Rücklegen mit Reihenfolge. b) Ohne Rücklegen ohne Reihenfolge. Zunächst verfolgen wir a) Dazu beachten wir einfach die Reihenfolge der gezogenen Farben im wirklichen Experiment und erhalten 5 5 Möglichkeiten. Fasst man alle diejenigen Möglichkeiten zusammen, die zu demselben wirklichen Ergebnis führen, wird schnell klar, dass diese unterschiedlich oft vorkommen, z.b. kommt 5mal rot nur einmal vor, 4mal rot und 1mal grün allerdings 5mal. Daher können wir die Anzahl aller Möglichkeiten nicht einfach durch eine Zahl teilen, um das Problem zu lösen. Diese Vorgehensweise führte ja beim Finden einer Formel für den Fall Ziehen ohne Rücklegen ohne Reihenfolge zum Ziel. Vielleicht bringt uns b) weiter: Hierbei liegt das Problem darin, dass die wirklichen Farben der Gummibärchen auch mehr als einmal vorkommen können. Dies müssen wir unterbinden. Dazu erfinden wir neue (= unwirkliche) Farben. Wichtig ist, dass kein Ergebnis verloren geht die unwirklichen Ergebnisse alle aus 5 verschiedenen Farben bestehen Idee: Die erstgenannte Farbe könnten wir einfach beibehalten. Damit die zweitgenannte Farbe nicht mit der ersten übereinstimmt, aber dennoch eine eindeutige Zuordnung getroffen wird, verschieben wir einfach die Farben um eins nach rechts... Literatur: [1]: D. Bittrich, Das Gummibärchen Orakel, Goldmann, Bielefeld 1996 [2]: U. Krengel, Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik, Vieweg, Braunschweig 1988
6 Wir formulieren das Problem um Wir vereinbaren eine Reihenfolge der Farben Farbe rot gelb weiß grün orange blau schwarz lila pink Nummer Der Trick Wir haben das wirkliche Experiment in ein unwirkliches Experiment transformiert: Wir haben unwirkliche Farben und ziehen davon, nun allerdings Zurücklegen!
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