Sterbehilfe aus juristischer Sicht
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- Sarah Holtzer
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1 Seniorenmarkt Thun, 17. Oktober 2015 Sterbehilfe aus juristischer Sicht Anton Genna, Fürsprecher, Thun
2 Themen 1. Recht als ethisches Minimum: BV, EMRK 2. Begriffe: Suizidbeihilfe Sterbehilfe (aktive, passive) 3. Suizid / Suizidbeihilfe / Organisationen 4. Sterbehilfe: aktive, passive, indirekt aktive 5. Fazit Seniorenmarkt Thun Oktober
3 Recht als ethisches Minimum Individualethik: Menschenwürde, Selbstbestimmung (Schutz der Persönlichkeit; freier Wille) Recht auf Leben: grundsätzlich nicht verzichtbares Gut Sozialethik: Verantwortung der Gesellschaft zum Schutz des Lebens = staatliche Aufgabe (soziale) Gerechtigkeit: Zugang zu Behandlung und Pflege! Zielgegensätze im Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen Seniorenmarkt Thun Oktober
4 Bundesverfassung / EMRK BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. 2 Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit. 3. EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Seniorenmarkt Thun Oktober
5 Begriffe aus juristischer Sicht Suizid und Suizidbeihilfe Suizid (StGB: «Selbstmord»): Voraussetzungen: urteilsfähig; selber handeln Suizidbeihilfe Organisierte Suizidbeihilfe Sterbehilfe Aktive Sterbehilfe: = Tötung eines Sterbenden (auf Verlangen oder aus Mitleid) Passive Sterbehilfe = Verzicht auf oder Abbruch der Therapie Indirekte aktive Sterbehilfe: Therapeutische Massnahme kann Tod als Nebeneffekt haben (Abgrenzung?) Seniorenmarkt Thun Oktober
6 Suizid Strafgesetzbuch: keine explizite Regelung, somit nicht verboten Recht auf Suizid? BGE 133 I 58 (2006) Heilmittelgesetz: Rezeptpflicht des Medikaments Natrium-Pentobarbital! Akademie der Medizinischen Wissenschaften: Mitwirkung an Suizid ist keine ärztliche Tätigkeit Kein Recht auf Bezug Medikament (Europ. Menschenrechtshof 2011 i.s. Haas) Seniorenmarkt Thun Oktober
7 Bundesgericht 2006 BGER 133 I 58 (2006) Zum Selbstbestimmungsrecht im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK gehört auch das Recht, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens zu entscheiden; dies zumindest, soweit der Betroffene in der Lage ist, seinen entsprechenden Willen frei zu bilden und danach zu handeln. Natrium-Pentobarbital kann einem Sterbewilligen weder nach dem Betäubungsmittelrecht noch nach dem Heilmittelrecht ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden. Art. 8 EMRK bzw. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV verpflichten den Staat nicht dazu, dafür zu sorgen, dass Sterbehilfeorganisationen oder Suizidwillige Natrium-Pentobarbital rezeptfrei beziehen können (E ). Seniorenmarkt Thun Oktober
8 Europäischer Menschenrechtshof 2011 Fall Haas: Zu Art. 8 EMRK: Verweigerung von Suizidhilfe verstösst nicht gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Schweiz muss suizidwilligen Personen keinen rezeptfreien Zugang zum tödlich wirkenden Mittel Natrium- Pentobarbital ermöglichen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Beschwerde eines psychisch kranken Mannes abgewiesen. Seniorenmarkt Thun Oktober
9 Suizidbeihilfe StGB 115: «Verleitung und Beihilfe zu Selbstmord» Strafbar nur wenn «aus selbstsüchtigen Beweggründen» (wie viel ist zu viel?) Organisierte Suizidbeihilfe / «Sterbehilfeorganisationen»: keine spezielle Regelung (BGE 136 II 415: kein Raum für Abmachung Staatsanwalt mit Exit/Dignitas) Deutschland: Keine ärztliche Abgabe des Medis. Generelles Verbot der Suizidhilfe geplant, inkl. Werbeverbot. Österreich: Verbot der Suizidbeihilfe. Seniorenmarkt Thun Oktober
10 Europäischer Menschenrechtshof 2013 Fall Gross Erstinstanzlich: Die gesetzliche Grundlage für die Beihilfe zum Suizid ist in CH ungenügend, da zu wenig klar. Verletzung von Art. 8 EMRK. Oberinstanzlich (grosse Kammer): Urteil aufgehoben, jedoch kein materieller Entscheid, weil kein Rechtsschutzinteresse (Beschwerdeführerin verstorben) Seniorenmarkt Thun Oktober
11 Tötung aus Mitleid Tötung auf Verlangen Aktive Sterbehilfe In der Schweiz (und in den meisten Ländern): absolut verboten In BENELUX erlaubt. Abgrenzungsproblem bei Suizidwilligen, die nicht mehr schlucken können o.ä. Seniorenmarkt Thun Oktober
12 Passive Sterbehilfe = Verzicht auf lebensverlängernde (therapeutische) Massnahmen. Einschliesslich: Abbruch einer Behandlung in Situation ohne jede Aussicht auf Besserung In der Schweiz erlaubt im Rahmen des Patientenrechts: Keine Behandlung ohne Zustimmung des Patienten oder der Stellvertretung. Seniorenmarkt Thun Oktober
13 Zustimmung zur Behandlung Grundsatz: Solange ich urteilsfähig bin, entscheide ich selber. Auch auf dem «Totenbett». Wenn ich nicht urteilsfähig bin: Ist die Patientenverfügung verbindlich, wo eine solche vorhanden Oder entscheidet eine stellvertretende Person! Vertrauensperson gemäss Patientenverfügung Familie (Kaskadenordnung) Beistand Seniorenmarkt Thun Oktober
14 Indirekte aktive Sterbehilfe Hochdosierung der Medikamente unter Inkaufnahme des (vorgezogenen) Todeseintritts Mit dem Zweck der Linderung von Leiden (Schmerzbehandlung, Atemnot etc.). Patientenverfügung! Seniorenmarkt Thun Oktober
15 Fazit Es gibt in der CH viele Möglichkeiten, das Lebensende zu beeinflussen und Sterbehilfe oder Suizidbeihilfe in Anspruch zu nehmen Patientenverfügung als Ausdruck des freien Willens Vertrauensperson einsetzen und instruieren! Trotzdem: Wir haben nicht alles im Griff zum Glück! Seniorenmarkt Thun Oktober
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