Berna Kleinberg. Keine Ehe nicht. Szenen zwischen Leidenschaft und Trennung. Roman LESEPROBE
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- Ernst Eberhardt
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Berna Kleinberg Keine Ehe nicht Szenen zwischen Leidenschaft und Trennung Roman LESEPROBE 2010 AAVAA Verlag UG (haftungsbeschränkt) Alle Rechte vorbehalten Alle Personen und Namen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
2 Schnauze Gestern Abend musste ich mit meinem Rad an einer Ampel halten, die gerade auf Rot geschaltet hatte. Kaum vom Rad abgestiegen, hörte ich einen Mann neben mir sagen Habe ich die Schnauze voll. Ich hab ja so die Schnauze voll! Voll habe ich die Schnauze, bis oben hin voll! Sichtbar war es ihm vollkommen egal, ob jemand neben ihm stand oder nicht. Er wiederholte in einem fort Ich hab ja so die Schnauze voll!, wobei er zwar immer den gleichen Satz sprach, aber die Reihenfolge seiner Worte variierte. So was von voll habe ich die Schnauze! Schnauze voll, bis oben hin, hab ich sie die Schnauze! Die Ampel schaltete auf Grün. Wir überquerten gemeinsam die Straße. Inzwischen hatte ich richtigen Gefallen an dem Mann gefunden, der von irgendetwas seine Schnauze so voll hatte, dass ich nicht gleich auf meinem Rad davon fahren wollte. Also schob ich es neben ihm her, um noch ein wenig in der Nähe des Mannes bleiben zu können. Verstohlen sah ich ihn mir von der Seite an. Ein kleiner, gebräunter Mann. Augenblicklich konnte ich ihm ansehen, dass seine Bräune keine Urlaubsbräune war. Sondern Arbeitsbräune. Bau- oder Straßenarbeiter schoss es mir durch den Kopf. Er hat die Schnauze voll von seiner harten Arbeit. Ununterbrochen redete er weiter, während er neben mir auf die andere Straßenseite wechselte. Voll hab ich sie, die Schnauze und zwar bis oben hin, hab ich sie. Voll die verdammte Schnauze! So was von voll! Das war der letzte Satz, den ich hörte.
3 Mein Mann mit der vollen Schnauze ging geradeaus und verschwand in dem kleinen Park neben der Straße. Ich fuhr mit dem Rad weiter nach Hause. Plötzlich hatte ich auch die Schnauze voll. Voll bis oben hin. Randvoll so zu sagen. Von einem Augenblick auf den Anderen. Mit einem Schlag hatte ich die Nase von meinem schönen Leben voll. Von meinem Mann, meinen netten Kindern, von meinen Flügen durch die Welt. Kurzum, von allem, was auf meiner Lebensliste bisher ganz oben gestanden und ich so geliebt hatte. Davon hatte ich nun die Schnauze gestrichen voll. Mit den Füßen heftig in die Pedalen meines Rades eintretend, sagte ich nun auch laut vor mich hin Ich hab die Schnauze ja so voll. So was von voll hab ich die Schnauze! Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu sagen, was habe ich die Schnauze voll. Zu Hause angekommen redete ich immer weiter von meiner vollen Schnauze. Das Telefon klingelte. Augenblicklich nahm ich den Hörer ab, sagte ohne zu warten Ich habe die Schnauze voll! Von mir? rief mein Mann erschrocken. Ich holte tief Luft, sagte nein, und erzählte von der Begegnung mit dem Schnauzenmann. Wusstest du, sagte ich, wie sehr sich das Leben durch einen einzigen Satz verändern kann? Probier s doch auch mal, schlug ich vor.
4 Brauch ich nicht, antwortete mein Mann. Ich hab nämlich die Schnauze vom Alleinsein voll und zwar gestrichen voll hab ich sie, bis oben hin voll, randvoll! Ein Hund Was liegt denn da in meinem Bett? ruft die Stimme meines Mannes zur Schlafzimmertür heraus. Ein Hund, das siehst du doch. Ein kleiner, junger Hund und nun schrei nicht so, rufe ich zurück. Seit wann haben wir einen Hund, fragt mein Mann und kommt in mein Zimmer gestürzt. Seit dem du fort bist, sage ich und schaue fest in zwei verständnislose Augen. Du siehst ja aus wie ein Karpfen, der nach Luft ringt, bemerke ich und wiederhole, wir einen Hund. Du bist sein Herrchen und ich bin sein Frauchen, so nennt man das, wenn man einen Hund besitzt und jetzt mach deinen Mund wieder zu. Ich will aber keinen Hund besitzen, Herrchen will ich auch nicht sein und auf ein Frauchen pfeife ich, sagt mein Mann. Sprich nicht so laut. Du erschreckst ja den armen Hund Er ist ohnehin schon ganz verstört und ich will nicht, dass er zusätzlich das Gefühl bekommt abgelehnt zu werden, sage ich streng und nehme den Hund auf meinen Arm. Wie sieht der überhaupt aus, sagt mein Mann. Er ist ein Mischblut. Eine Kreuzung aus Labrador und noch irgendetwas. Das ist mir egal.. Einfach ein Strandhund, sage ich.
5 Und woher hast du diesen komischen Strandhund, sagt mein Mann. Es war so, ich bin zur Post gegangen, um einen Brief an dich an zu schicken. Vor der Post saßen ein paar Punks umgeben von einem ganzen Hunderudel. Einer der Typen hielt einen kleinen Welpen auf seinem Arm. Da musste ich einfach stehen bleiben und das kleine Hundchen streicheln und während ich ihn streichelte, fragte mich der Punker, ob ich ihm den Hund nicht abkaufen könnte. Er erzählte mir, er habe ihn am Meer angebunden an einem großen, schweren Stein gefunden. Bitte kaufen sie den armen Strandhund. Ich kann mich nicht um ihn kümmern, hat er gebettelt und ich wurde weich. So trug es sich zu, sage ich zu meinem Mann. Ich habe an dein Mitgefühl mit Strandhunden geglaubt. Ich dachte, ihr könntet Verbündete, ihr könntet Freunde sein, sage ich enttäuscht. Was verbindet mich mit einem Strandhund, fragt mein Mann. Eine ganze Menge, weißt du denn nicht mehr, wie du immer jammerst, weil du ohne mich sein musst? Ich fühle mich wie ein einsamer Strandhund ohne dich, hast du neulich am Telefon zu mir gesagt. Aber jetzt bin ich bei dir und das mit dem Strandhund hat sich erledigt, sagt mein Mann. Aber du warst einsamer Strandhund und jetzt bist du halt ein gemeiner Hund, sage ich. Da kannst du mal sehen, was aus einem harmlosen Köterchen alles werden kann, sagt mein Mann.
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