Das TEAM aus Dolmetscher und Auftraggeber
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- Annegret Sauer
- vor 7 Jahren
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1 Das TEAM aus Dolmetscher und Auftraggeber von Gunnar Lehmann Staatlich geprüfter Gebärdensprachdolmetscher Sie nutzen regelmäßig Gebärdensprachdolmetscher? Haben Sie sich schon mal darüber gewundert, warum Dolmetscher immer so beharrlich nach Vorbereitungsmaterial fragen? Bestimmt! Mit Sicherheit hat dies nichts mit der unstillbaren Neugier der Dolmetscher zu tun, es hat einen ganz anderen Grund! Warum ist das so? Die können doch dolmetschen! Dafür haben Sie doch eine Ausbildung gemacht, haben studiert! Das muss doch alles automatisch gehen! Warum muss ich als Auftraggeber immer alles bis ins kleinste Detail erklären? Puh, das macht soviel Arbeit! Es nervt! Ich möchte heute versuchen, etwas Klarheit in diese Thematik zu bringen, Klarheit für mich und für Nutzer, Auftraggebern von Dolmetschern! Es geht in meinem Beitrag um das Team bestehend aus Auftraggeber und Dolmetscher. Ich behaupte, dass eine Kommunikationssituation nur dann zur Zufriedenheit aller gelingt, wenn die Teamarbeit zwischen dem Auftraggeber (egal ob gehörlos oder hörend) und dem Dolmetscher funktioniert. Diese Teamarbeit muss auf gegenseitiger Achtung und Respekt basieren! Was bedeutet das? Grundlage meiner Überlegungen sind die Bedürfnisse der Beteiligten: Auftraggeber, Gesprächspartner und Dolmetscher. Die Bedürfnisse liegen sehr nah beieinander und können so aussehen: 1. Der Auftraggeber möchte, dass die Kommunikation optimal verläuft. Er hat sein Ziel vor Augen, er möchte etwas konkretes erreichen, etwas spezielles mitteilen oder erfahren. Grundlage dafür ist das Verstehen und Verstanden werden.
2 2. Der Gesprächspartner will eine möglichst natürliche Kommunikationssituation. Er will aber vor allem verstehen und verstanden werden und möchte das vom Auftraggeber Gedachte, während er spricht oder gebärdet, begreifen und nachvollziehen! Er möchte, wie der Auftraggeber auch, eine reibungslose Kommunikation! 3. Der Dolmetscher hat die Aufgabe, die Situation optimal zu gestalten. Er muss schnellstens begreifen, was im Kopf des Auftraggebers oder des Gesprächspartners passiert, muss alles, was gesagt oder gebärdet wird, sofort verstehen, einordnen und sogleich die entsprechende Formulierung in der jeweils anderen Sprache finden. Zeit um nachzudenken gibt es nicht, alles findet gleichzeitig, also simultan statt: Hören, Sehen, Verarbeiten, Merken, Sprechen und Gebärden, manchmal über Stunden! Und wo liegt jetzt das Problem? Wir Menschen sind Individualisten und jeder benutzt seine eigene Sprache! Jeder redet oder gebärdet etwas anders. Jeder hat andere Bilder im Kopf. Der eine spricht eine angenehme Sprache, er gebärdet gut, der andere nuschelt oder gebärdet unsauber oder sehr schnell. Einer hat ein sehr hohes Sprachniveau, der andere nutzt Umgangssprache! Er ist ein strukturierter Redner, sie immer chaotisch! So unterschiedlich sind wir Menschen und das ist ganz normal! Wissen Sie, wie oft es mir passiert, dass ich meinen hörenden Gesprächspartner nicht verstehe, obwohl er meine Muttersprache spricht, die ich zu 100 % beherrsche? Kennen Sie das auch? Jemand gebärdet mit Ihnen und Sie verstehen nichts oder nur die Hälfte? Oder Sie müssen dreimal nachfragen, bis Sie ihn verstanden haben? Gerade deshalb ist es wichtig, dass Auftraggeber und Dolmetscher vor dem Auftrag darüber reden, was passieren wird, was das Ziel der Kommunikationssituation sein soll. Der Dolmetscher sollte wissen, was ihn erwartet, welche wichtigen Namen und Inhalte es geben wird, damit er schnellstens die Bilder im Kopf des Redners begreifen kann. Hier beginnt die Teamarbeit zwischen Auftraggeber und Dolmetscher: In der Vorbereitung! Ein Dolmetscher kann eine Dolmetschsituation optimal gestalten, wenn
3 - er den Auftraggeber gut kennt - er sich schnellstens in das Denken der Person hineinversetzen und das innere Bild beim Sprechen oder Gebärden sofort begreifen kann - er das Kommunikationsziel der Person kennt und weiß, was sie will - er viel über das Thema weiß, also die Wörter, Begriffe und Namen kennt und ohne nachzudenken einordnen kann. Wie sieht die angesprochene Teamarbeit dann weiter aus? Der Auftraggeber und der Dolmetscher werden aus dem Auftrag zufrieden herausgehen, wenn sie - während der Kommunikationssituation in Kontakt bleiben. Der Auftraggeber sollte daher immer den Dolmetscher im Augenwinkel haben, aber auch nur etwas, denn der Dolmetscher steht ja nicht im Mittelpunkt. - sich nach dem Einsatz kurz über das Ergebnis der Situation austauschen und sich gegenseitig ehrliche Rückmeldung geben! Dafür benötigt man die entsprechende Sensibilität und Empathie, aber auch hohe soziale Kompetenzen. Was aber passiert, wenn Auftraggeber und Dolmetscher kein Team sind? 1. Der Auftraggeber fühlt sich nicht verstanden. Er wird vom Dolmetscher schlecht oder nicht richtig interpretiert. Er ist ggf. verunsichert, weil er merkt, dass die Situation hektisch und unangenehm wird. Es gibt aber auch viele Auftraggeber, die nicht merken, dass die Kommunikationssituation schief läuft. Sie verlassen sich blind auf den Dolmetscher: Er wird schon alles regeln, dafür ist er ja nun auch da, das ist sein Job, ich muss einfach nur gebärden oder reden! Den Rest macht er! 2. Der Gesprächspartner wundert sich über das, was der Dolmetscher sagt oder gebärdet und denkt sich: Oh ist das schlecht, was ist der Grund dafür? Hat der Auftraggeber ein schlechtes Niveau oder ist das ein schlechter Dolmetscher? Er kann auch den Eindruck bekommen, dass der Auftraggeber Wissenslücken hat oder sich nicht richtig ausdrücken kann! Der Gesprächspartner weiß aber nicht, dass der Dolmetscher vielleicht gerade voll im Dunkeln tappt und dringend Hilfe benötigt, weil er zu wenig über das Gesagte weiß. 3. Der Dolmetscher kämpft! Er versteht schlecht oder nicht! Er verbraucht sehr viel Energie, um zu verstehen, was geredet oder gebärdet wird! Er ist unzufrieden! Er ärgert sich! Er schämt sich, weil er denkt: Oh Gott, ich bin so schlecht vorbereitet
4 und ich verstehe nichts! Der Redner beachtet mich überhaupt nicht! Alle im Raum denken nun, dass ich ein schlechter Dolmetscher bin, dabei gebe ich all mein Wissen und meine ganze Kraft! Was werden meine Kollegen von mir denken? Eine kurze Geschichte als Beispiel: Eine Dolmetscherin soll eine wichtige Veranstaltung dolmetschen, die öffentlich ist, einen sehr hohen Außenwirkungsgrad hat und zudem noch vom TV aufgezeichnet wird. Hörende erhalten so einen Eindruck vom Leben der Gehörlosen. Vom Auftraggeber erhält sie nur die 5 Programmpunkte geliefert. Sie weiß nicht genau, wer kommen wird, auch nur grob, wer sprechen wird! Sie ist extra 15 Minuten vor dem Einsatz da, damit sie noch so viele Infos wie möglich erhaschen kann. Der Auftraggeber kommt aber erst wenige Minuten vor Beginn. Er nutzt die Dolmetscherin sofort, um mit den anderen Besuchern der Veranstaltung in Kontakt zu treten. Dass die völlig unvorbereiteten Original-Verdolmetschungen direkt für die TV-Aufnahmen genutzt werden, erfährt die Dolmetscherin am Rande. Für das Dolmetschen der kurzen Rede darf sie sich vorher die knappen Stichworte des Redners durchlesen. Noch bevor die Veranstaltung beginnt, versucht die Dolmetscherin heraus zu finden, was genau passieren wird, wie die Gäste heißen und wer gleich offiziell genannt werden wird. Der Organisator hatte ihr diese grundlegenden und selbstverständlichen Infos nicht gegeben! Sie will aber verhindern, dass es zu peinlichen Situationen kommt! Für das Dolmetschen gibt sie ihre ganze Kraft. Sie versucht alles, was sie vorher selbst noch im Internet recherchiert hat, zu aktivieren. Ihre Konzentration läuft auf Hochtouren. Während des Dolmetschens wird sie hin und hergeschoben: dort braucht sie die Kamera, hier steht sie im Weg... der Auftraggeber redet und schenkt ihr keine Beachtung, er verlässt sich voll und ganz auf die Dolmetscherin: Sie wird das schon richten, das ist ihr Job! Nachdem der Auftrag vorbei ist, hat sie keine Kraft mehr, sie schämt sich für ihre Leistung, ist verärgert und möchte nur noch ganz schnell nach Hause. Der Auftraggeber ist schnell weg, für ihn war es scheinbar so wie immer. Wie es der Dolmetscherin geht, weiß er nicht. Sie aber weiß: das mache ich nie wieder! Warum? Es gab KEINE Teamarbeit zwischen den beiden, der Auftraggeber hielt dies nicht für nötig. Und hier haben wir das PROBLEM! Eine Kommunikationssituation, in welcher Auftraggeber und Dolmetscher nicht zusammenarbeiten, kann schnell schief gehen! Sie kann peinlich werden und für Auftrageber und Dolmetscher sehr unangenehme Folgen haben. Dessen muss man sich stets bewusst sein!
5 Hier noch einmal die ersten Schritte, wenn man Teamarbeit zwischen Auftraggeber und Dolmetscher angehen will? 1. Den Auftrag gemeinsam gut vorbereiten! Vorher über die Inhalte und die wichtigsten Sachen reden! 2. Während des Auftrages immer in Kontakt bleiben. Als Auftraggeber immer schauen, mit einem Auge den Dolmetscher im Blick haben. Stresssituationen vermeiden! 3. Den Auftrag wenigstens kurz nachbesprechen. Ein ehrliches und angemessenes Feedback hilft dem Auftraggeber und dem Dolmetscher! Arbeit macht dann Spaß, wenn sie gelingt, wenn die Ergebnisse vorzeigbar sind! Dann stellt sich Zufriedenheit ein, Zufriedenheit auf allen Seiten! Und daran müssen immer zwei arbeiten: Dolmetscher und Auftraggeber!
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