Die Bedeutung der Wasserwege für die Stadt Fulda und ihre Umgebung; von Paul Schneider

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1 Die Schiffbarmachung der Fulda und Großprojekte in jahrhundertlanger Planung; Ulster- und Fuldatalsperre, Schutzhafen bei Bronnzell, Industriehafen bei Johannesberg. Im folgenden Bericht soll beleuchtet werden, welche baulichen Maßnahmen und Investitionen schon vor Jahrhunderten im Fuldaer Raum und der Rhön vorgesehen waren, um Großschifffahrtsstraßen in Deutschland zur Förderung des Handels, zur Versorgung der Bevölkerung und für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands herzustellen. Heute können wir nur spekulieren: Welche Entwicklung hätte Fulda und die Region genommen, wenn eines der Kanalbauprojekte umgesetzt worden wäre? Im Jahre 742 befuhr der Mönch Sturmius mit seinem Gefolge auf einem Kahn die Fulda von Hersfeld kommend, auf der Suche nach einem geeigneten Platz zur Gründung eines Klosters im Auftrag des Hl. Bonifatius. Alleine dieses Ereignis zeigt die Wichtigkeit funktionierender Wasserwege. Sturmius und seine sieben Begleiter begannen am 12. März 744 mit dem Bau des Klosters. Der Klosterbau bildete die Basis für die spätere Stadt Fulda. Die Bedeutung der bereits mit Namen versehenen Flüsse und Bäche als Verkehrs- und Transportwege machen auch die nachfolgenden Ereignisse deutlich. Der Fuldaer Abt Eigil (*um ) schreibt im Jahre 778 in der Lebensgeschichte des Hl. Sturmius (*~ ), wie weit Sturmius auf der Fulda vorgedrungen war, nämlich bis er zu dem Gebiet gekommen sei ca Schritte hinter dem Zufluss der Gisalah (Giesel), wo sich das Tal verengt und die Berge rechts und links bis an den Fuldafluss reichen; folglich Bronnzell/Ziegel. Ferner schreibt Eigil von der proxima cella (nächstgelegene Zelle), wo die Mönche mit den Gebeinen des Hl. Bonifatius (* ) auf ihrer Flucht vor den Sachsen zum ersten Mal übernachten. Diese Cella liegt dort, wo die Fliede in die Fulda mündet, nämlich am östlich Ortsrand von Ziegel. Um das Jahr 836 nennt der Fuldaer Mönch Rudolf (*< ) in der Lebensbeschreibung der Hl. Lioba (*um ) die vicinia cella (benachbarte Zelle). Der Kirchenhistoriker Prof. Konrad Lübeck (* ) identifiziert diese Zelle als die bereits im Jahre 778 genannten Zelle. Eine Wasserstraßenverbindung von Süden nach Norden sei durch die bonifatianische Linie der Kloster- und Bistumsgründungen vorgezeichnet gewesen. Bewusst oder unbewusst habe Bonifatius die geographisch-historische Linie Würzburg-Fulda-Hersfeld-Bebra- Eschwege-Göttingen-Nörten betreten. Das im Jahre 775 gegründete Fuldaer Nebenkloster Hameln, ist wohl im Wesentlichen nur auf dem Wasserwege erreichbar und von Fulda aus zu halten gewesen. 1 Aufgrund der starken Bewaldung und der geringen Besiedelung führten die Flüsse zu dieser Zeit wesentlich mehr Wasser und konnten so für die Schifffahrt mit Kähnen und Flößen genutzt werden. Kaiser Ludwig I, genannt Ludwig der Fromme, verleiht am 4. Februar 836 dem Kloster Fulda durch den Vortrag des Abts Raban, Hrabanus Marus (*um ), das Recht im ganzen Reich Handel zu treiben und dessen Handelsleuten Zollfreiheit zu Wasser und Land. 2 Mit Urkunde vom 1. Juli 850 bestätigt Kaiser Lothar I. dem Kloster Fulda die Zollfreiheit in 1 Pessenlehner, Robert; Berichte über dessen Vortrag im Fuldaer Geschichtsverein in: Papins Dampfschiff fuhr auf der Fulda. Fuldaer Zeitung vom und in: Wasserstraße zwischen Main und Weser. Fuldaer Zeitung vom Verlag Parzeller. Fulda Mühlbacher, Engelbert; Lechner, Johann (Hg.); I. Die Karolinger Verlag d. Wagner schen Univ.- Buchhandlung. Innsbruck Seite 1 von 11

2 seinem Reich zu Wasser und Land. 3 Dieses Recht war für das Kloster Fulda von großer Bedeutung, da das Bistumsgebiet im Süden weite Strecken des Mains und des Rheins umfasste sowie im Norden die Fulda-Werra-Schifffahrt. Wie bedeutsam die Schifffahrt für die Versorgung der einzelnen Klöster und der Bevölkerung in ihrer Region war, zeigen auch Streitigkeiten zwischen den Klöstern. So entschied am 30. Dezember 979 Kaiser Otto II. einen Streit zwischen dem Fuldaer Abt Werinhar und dem Hersfelder Abt Gozbert, der die Schifffahrt auf der Hörsel im Lupinzgau betraf. Die Entscheidung fiel zu Gunsten des Klosters Fulda aus, wonach der Anspruch auf Durchbrechung der Hersfelder Flusssperre anerkannt wurde. Der Raum für die ungehinderte gleichzeitige Durchfahrt zweier Schiffe von je drei Fuß Bodenweite musste vom Kloster Hersfeld zugelassen werden. 4 Unter Landgraf Moritz von Hessen-Kassel gingen ab dem Jahre 1592 trotz erheblicher Kosten die von seinem Vorgänger Wilhelm IV. forcierten Ausbauarbeiten besonders an der Fulda weiter. 5 Bis Hersfeld wurde die Fulda schiffbar gemacht, aber nicht bis zur Stadt Fulda weitergeführt, da sich die Fuldaer Regierung dem Plan widersetzte. Die Streitigkeiten des Stiftskapitels mit dem Fürstabt Balthasar von Dermbach ( ), die sogar zur längeren Amtsenthebung des Fürstabtes führten, behinderten jedoch die Weiterverfolgung dieses Planes. 6 Der 30jährige Krieg ( ) machte alle weiteren Planungen und Baumaßnahmen zunichte. Erst zu Beginn 18. Jahrhundert wurden die Planungen über die Schiffbarmachung der Fulda von Hersfeld bis Fulda wieder aufgenommen. Auf Drängen der Franzosen im Jahre 1762, die die Wichtigkeit der Wasserstraße für ihre Zwecke erkannten, sollte die Fulda von Hersfeld bis nach Fulda erschlossen werden. Der Fuldaer Bischof und die Grafen von Schlitz mussten Schleusen von Hersfeld flussaufwärts anlegen. So beim Eichhof, bei Rimbach, Fraurombach, Pfordt und Hemmen. Die Schleusenwerke waren noch bis Anfang des 19. Jahrhundert zu sehen. 7 3 Mühlbacher, Engelbert; Lechner, Johann (Hg.); I. Die Karolinger Verlag d. Wagner schen Univ.- Buchhandlung. Innsbruck Hess. Staatsarchiv Marburg: Urk. 75, Nr Wegner, Paul: Die mittelalterliche Flussschifffahrt im Wesergebiet; aus Hansische Geschichtsblätter 19, Köln 1913, S Antoni, Georg: Ein Vorschlag zur Schiffbarmachung des Fulda von Fulda bis Hersfeld. In: Hessenland, Heimatzeitschrift für Kurhessen 50/1939. E. Hitzeroth (Hg.). Marburg-Lahn. Heft 1/2, , Brunner, Hugo: Beiträge zur Geschichte der Schifffahrt in Hessen, besonders auf der Fulda. Zeitschrift für Hessische Geschichte 26 Nf Verein für hessische Geschichte und Landeskunde. Commisionsverlag A. Freyschmidt , 240. Seite 2 von 11

3 Da im Siebenjährigen Krieg ( ) die Straßen im Fuldaer Land ganz besonders durch die Kriegsvölker unsicher gemacht wurden, benutzte man gezwungenermaßen die Fulda schon von der Stadt Fulda ab als Verkehrsstraße. Zu diesem Zwecke waren drei Schiffe, offenbar von der Fuldaer Regierung, bereit gestellt. 8 Der Hessen- Kasseler Minister von Waltz und der Fuldische Geheimrat Baron von Scheer verhandelten zwei Jahre über die Wirtschaftlichkeit dieser Wasserstraße. 9 Auch Fürstbischof Heinrich von Bibra (* ) erkannte die Notwendigkeit verbesserter Transportbedingungen für den Handel zur sozialen Befriedung der stark wachsenden Bevölkerung. Als Haupthandelsort zog er Bremen in Betracht, und Bremer Waren wie Hering, Stockfische, Öle, französische Weine, Gewürze. Aber auch ein Teil des englischen und westfälischen Handels sollten über Fulda vermittelt werden und von da aus nach Frankfurt und Würzburg geleitet werden. Ja, auch über Hamburg, Lübeck und Emden aus Ostfriesland kommende Waren sollten zu Schiff bis Fulda verfrachtet werden und von da per Achse nach Frankfurt transportiert werden. Man sah Fulda als Handelszentrale für Süd- und Norddeutschland an, in der die Handelswege von Hamburg, Bremen, Lübeck, Emden, Leipzig, Würzburg und Frankfurt zusammenlaufen und die Produkte von Nord und Süd ausgetauscht werden sollten. 10 Fürstbischof Heinrich VII von Bibra ließ Straßen bauen und Postverbindungen herstellen. Dem Ausbau der Fulda- Schifffahrt, einem seiner Wunschprojekte, aber war kein Erfolg beschieden. Wiederum erteilt das Fuldaer Domkapitel keine Zustimmung zur erforderlichen Finanzierung Antoni, Georg: Ein Vorschlag zur Schiffbarmachung des Fulda von Fulda bis Hersfeld. In: Hessenland, Heimatzeitschrift für Kurhessen 50/1939. E. Hitzeroth (Hg.). Marburg-Lahn. Heft 1/2, , 180ff. 9 Kramer, Johannes (T. v. F.): Lange Beratungen Ergebnis: Lahme Ente. Von Fulda wollte man in den Main schiffen. In: Vergangenheit spricht zur Gegenwart. Fuldaer Verlagsanstalt. Fulda Ried, Ursula; Die Wirtschaftspolitik Heinrichs VIII Antoni, Georg: Ein Vorschlag zur Schiffbarmachung des Fulda von Fulda bis Hersfeld. In: Hessenland, Heimatzeitschrift für Kurhessen 50/1939. E. Hitzeroth (Hg.). Marburg-Lahn. Heft 1/2, , 180ff. Seite 3 von 11

4 Avertissement / Anordnung vom 12. Mai 1764 der Hochfürstlichen Hofkommission an alle Projektbeteiligten 12 Ende des 18. Jahrhunderts kamen neue, weitergehende Pläne auf den Tisch. In der aus dem Jahre 1804 im Hessischen Staatsarchiv in Marburg verwahrten Acta Die projectierte Schiffbarmachung der Fliedenbache und des Fuldaflußes betreffend 13 befindet sich eine detaillierte Beschreibung vom 30. September 1804 an das Fürstliche Oberfinanzkollegium, samt Kostenrechnungen und Lageplänen. Auszug aus der Projektbeschreibung samt Kostenrechnung vom 30. September Hess. Staatsarchiv Marburg: Bestand 91 Nr. 1710; Projekt zur Schiffbarmachung des Fuldaflusses. 13 Hess. Staatsarchiv Marburg: Bestand 97e Nr. 255; Die projectierte Schiffbarmachung der Fliedenbache und des Fuldaflußes betreffend. 14 Hess. Staatsarchiv Marburg: Bestand 97e Nr. 255; wie Fußnote 13. Seite 4 von 11

5 Diese Kanalbaupläne wurden im Jahre 1816 erneut aufgegriffen. 15 Von der Fulda wollte man in die Fliede gelangen und nach dem Muster Napoleons in Frankreich mit einem unterirdischen Kanal die Kinzig und den Main erreichen. Der ganze Plan ist im Jahre 1831 der Kurhessischen Ständekammer vorgelegt worden und dort steckengeblieben. 16 Trotz des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert massiv betriebenen Ausbaus der Eisenbahnstrecken in Deutschland, dem Anschluss Fuldas im Jahre 1866 an die von Norden kommende Bebra-Strecke und der Fertigstellung bis Frankfurt am Main im Jahre 1873 wurde Anfang des 20. Jahrhunderts der Bau der Wasserstraße erneut angefasst. So wurden im Jahre 1916 von kurhessischer Seite erneut Pläne zum Bau einer Wasserstraße zwischen Weser und Main erstellt. Berechnungen wurden vorgelegt, wonach der Warentransport mit Schiffen günstiger erfolgen könne als mit der Eisenbahn. Der Lübecker Oberbaudirektor Dr. Ing. Peter Rehder stellte im Jahre 1918 mit einer großen Kanalstudie 17 die Notwendigkeit des Ausbaues der deutschen Wasserstraßen, samt Berechnungen und Plänen vor. Mit zu den Hauptlinien gehört der Kanal von Dankmarshausen a. d. Werra nach Fulda. Dieser zweigt aus der Werra bei Dankmarshausen ab, überschreitet die Wasserscheide zwischen Werra und Fulda im Tal der Ulfe über Weiterode, führt dann im Tal der Fulda und Fliede aufwärts, überschreitet in der Bergsenke (Landrücken) die Wasserscheide zwischen Fulda und Kinzig, läuft im Tal der Kinzig abwärts, einerseits im Tal der Jossa und der Sinn und erreicht den Main bei Gemünden, andererseits im Tal der Kinzig fortlaufend unterhalb Hanau in den Main. Weiter heißt es, dass sich die parallel zur Lage der Maberzeller Straße gerade verlaufende Kanalstrecke unterhalb der Schleuse bei Horas vorteilhaft zu einem Hafen ausbilden lässt. Dieser würde dann seinen Platz finden zwischen den beiden aus der Stadt Fulda über die Fulda führenden Brücken östlich von Neuenberg. Oberhalb des Fuldaer Hafens werden drei Schleusen errichtet, die erste unmittelbar vor dem Hafen am Wege von der Stadt über die Hornungsbrücke, die zweite im Fuldabett bei Ziegel am Zusammenlauf der Fliede und Fulda und die dritte im Bett der zu verlegenden Fliede bei Ziegelhütte (bei Kerzell). Die Kanalstrecke bis Johannesberg kann durch Aufhöhen des Wiesengeländes zu einem günstig gelegenen Industriehafen ausgebaut werden. Die Ziegel-Mühle (in Ziegel) kann durch einen Düker 18 im Oberdrempel der Schleuse gespeist werden. Das Hochwasser der Fliede und Fulda wird hier in einem neuen Seitenlauf der unteren Fulda zugeleitet. Von der Schleuse bei Ziegelhütte beginnt die Hebestrecke, welche den Landrücken durchschneidet und den Abstieg ins obere Kinzigtal bei Schlüchtern vermittelt. Der Landrücken kann in der Richtung zwischen Schweben und Rückers hindurch mittels eines 5,55 km langen Tunnels nach dem Elmbach beim Bahnhof Elm geführt werden, oder alternativ auf der Ostseite von Flieden und Kautz vorüber westlich von der Bahnlinie mittels eines 2,2 km langen Tunnels nach dem Mordgraben (Anm: Flurbezeichnung/bei Schlüchtern) hin. Er nimmt seinen weiteren Lauf im Tal des Mordgrabens, westlich von der Badeanstalt und der Molkerei von Schlüchtern. 15 Hess. Staatsarchiv Marburg: Bestand 86 Nr. 9245; Die Schiffbarmachung der Fliede und Fulda. 16 Lange Beratungen Ergebnis: Lahme Ente. Von Fulda wollte man in den Main schiffen. In: Vergangenheit spricht zur Gegenwart. Fuldaer Verlagsanstalt. Fulda Rehder, Peter: Die Fortsetzung der Mitteldeutschen Kanalstraße, enthaltend den Werra-Fulda-Main-Kanal von Dankmarshausen an der Werra nach Hanau (Frankfurt a. M.) am Main mit Gabelungskanal nach Gemünden am Main. In: Der Nord-Süd-Kanal und das zukünftige Mitteldeutsche Kanalnetz zwischen Weser und Elbe mit Anschlüssen an die Donau und Oder und an den Main und Rhein. Druck Gebr. Borchers. Lübeck ff. siehe auch: Die Kanalstrecke Fulda-Gemünden-Hanau-Frankfurt a. M. In: Fuldaer Zeitung vom Fuldaer Actiengesellschaft. Fulda Ein Düker ist ein Wasserlauf, der einen höher gelegenen Wasserlauf oder einen Fluss unterquert. Wird bei Mühlgräben erstellt, die höher liegen als das umliegende Gelände. Seite 5 von 11

6 Wenn sich unter anderem die Beschaffung des Kanalspeisewassers für die Schleusenstrecke zwischen Horas und Ziegelhütte ungünstig gestalten sollte, kann anstelle der vier Schleusen ein Hebewerk treten. Das Hebewerk würde in diesem Falle an der Kreuzungsstelle mit der Bahnlinie Fulda-Gießen anzulegen sein und der Kanal dort Anschluss an den Kanalzug unterhalb der Horas-Schleuse in +243 m NN Spiegelhöhe erhalten. Die Haltungsstrecke des Hebewerks würde von letzterem aus in fast gerader Linie westlich von St. Antoniusheim, Neuenberg und Pröbelsfeld nach Johannesberg verlaufen, dort abbiegen nach Harmerz, östlich davon die Giesel überschreiten, dann die alte Heeresstraße kreuzen, im Hohlwege nach Ziegel gelangen und oberhalb Ziegel wieder in die früher beschriebene Kanallinie einlaufen. Bei dieser Hebewerkshaltung könnte auch im Haim-Bache ein für Fulda recht günstig gelegenes und 1,6 km langes Hafenbecken geschaffen werden. Landkarte 1918 Blatt 17 (Ausschnitt Fulda) von Dr. Ing. Peter Rehder,Wasserbaudirektor a. D Rehder, Peter: Der Nord-Süd-Kanal und das zukünftige Mitteldeutsche Kanalnetz zwischen Weser und Elbe mit Anschlüssen an die Donau und Oder und an den Main und Rhein. Druck Gebr. Borchers GmbH. Lübeck Landkarte Blatt 17. Seite 6 von 11

7 Der Fuldaer Stadtbaurat Michael Josef Eberlein beschrieb ebenfalls die Notwendigkeit der Kanalvorschläge von Rehder und deren zeitnahe Umsetzung. Vorrangig den Bau von Wasserkraftanlagen, um Mittel zu erwirtschaften, die zur Finanzierung des Kanalbaus herangezogen werden können. 20 Auch wenn sich Rehders Pläne als nicht umsetzbar erwiesen, blieb Eberlein über Jahre ein Verfechter für die Notwendigkeit einer Kanalverbindung über Fulda. Ausschnitt aus Schleusenblatt 1918 Blatt 7 von Dr. Ing. Peter Rehder, Wasserbaudirektor a. D. 21 Dieser Planausschnitt zeigt die Kanalstraße vom Hebewerk bei Elm (li.) bis zur Kanalmündung bei Sontra (re). Um die Interessen zu bündeln und zu koordinieren, wurde am 19. März 1921 in Fulda der See-Fulda- Main-Kanalbau- Verein gegründet. Auszug aus der Vereinssatzung des im Jahre 1921 gegründeten See-Fulda-Werra-Kanal-Vereins. 20 Eberlein, Michael Josef: Die deutschen Kanalprojekte. In: Fuldaer Zeitung vom Fuldaer Actiendruckerei. Fulda Rehder, Peter: Der Nord-Süd-Kanal und das zukünftige Mitteldeutsche Kanalnetz zwischen Weser und Elbe mit Anschlüssen an die Donau und Oder und an den Main und Rhein. Druck Gebr. Borchers GmbH. Lübeck Schleusenblatt 7. Seite 7 von 11

8 Treiber waren die Industrie- und Handelskammern in Frankfurt und Hanau, zu deren Bezirk auch Fulda gehörte. Syndikus Dr. Fritz Weymar, Geschäftsführer der IHK-Bezirksstelle Fulda, wurde als Geschäftsführer des Vereins benannt, der Frankfurter Stadtrat und spätere Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Dr. Ludwig Landmann, als Vereinsvorsitzender. Der Verein mit Sitz in Fulda sollte den Mittelpunkt bilden für alle Bestrebungen zum Bau von Kanalverbindungen zwischen den Nord- und Ostseehäfen einerseits und dem Main, dem Rhein und der Donau andererseits. Dr. Weymar wirbt national und international für das Fuldaprojekt und lässt vom Staatlichen Vorarbeitenamt Eisenach Einzelheiten über den Kanalbau und Kostenvoranschläge ausarbeiten. Mehrere Tunnel waren geplant, so auch bei Lüdermünd über 440 m Länge und bei Flieden über eine Länge von 4,5 km. Die Steigungen und Gefälle von 138 m zwischen Hannover bis Ziegel sollten durch Staustufen und Hebewerke überwunden werden. Talsperren zur Regelung der Wasserzufuhr waren geplant. So auch oberhalb von Lüdermünd, bei Rothemann und Döllbach. Hierbei sollte durch Kraftwerke die Rentabilität des Projektes gesteigert werden. Die errechneten Kosten betrugen 375 Millionen Mark, davon allein 85 Millionen für die Sinn-Linie. Diese Kanalverbindung sollte Einsparungen von 65 Prozent der Transportkosten gegenüber der Eisenbahn bringen. Die visionären Pläne von Rehder zur Schaffung eines umfassenden Kanalnetzes im Deutschen Reich zeigten sich bei näherer Betrachtung jedoch als nicht umsetzbar. Ebenso die des Ministerialdirektors Dr. Ing. Leo Sympher; beide versuchten den Höhenzug zwischen Fulda und Main mit Tunnellösungen zu überwinden. 22 Mit der erneuten Planung einer bereits im Jahre 1911 vorgeschlagenen Verbindung wurde der Frankfurter Ingenieur Hermann Uhlfelder beauftragt. Die Fulda-Kinzig-Sinn-Mainlinie beginnt bei Hann.-Münden in einer Höhe von 117 m über NN. Sie steigt stufenweise im Tal der Fulda flussaufwärts bis Kassel um 28 m und führt über Melsungen, Rothenburg, Hersfeld nach Fulda. Bei Ziegel zweigt der Kanal in das Gebiet der Fliede ab und erreicht bei Opperz-Neustadt-Ellers (Neuhof) den Fuß der Wasserscheide des Landrückens; nach Norden die Fulda mit Weser, nach Süden die Sinn in den Main/Rhein. Die Hauptschwierigkeit dieser Linie liegt in der Überwindung des Gebirgsrückens, der die Einflussgebiete der Fulda und des Mains trennt. Uhlfelder 23 sieht die Lösung im Norden mit 4 Hebewerken, die zusammen 61 m Höhe bewältigen. Bis zum Tal der Fliede sind 22 Schleusen geplant. Die Täler der Fliede und der oberen Fulda sind breit genug und stellen keine besonderen Herausforderungen dar. Im weiteren Verlauf wird das Tal der Fulda enger und abschnittsweise werden die Flusskrümmungen stärker. Soweit dem Flusslauf nicht gefolgt werden kann, sind die zu starken Schleifen durch Sehnenkanäle zu begradigen. Auf diese Weise wird die Fuldaschleife bei Kämmerzell abgeschnitten. Am 7. April 1923 wird vom Bezirksausschuss Cassel auf Basis des Wassergesetzes vom 1. April 1913 und des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 die Genehmigung zur Vornahme allgemeiner Vorarbeiten für die geplante Kanalverbindung vom Main bei Hanau und Gemünden über die Fulda zur Weser erteilt. Alle Handlungen, die zur Vorbereitung des Unternehmens erforderlich sind, muss jeder beteiligte Grundstückseigentümer auf seinem Grund und Boden geschehen lassen. In der Verfügung sind unter Pos.: e) Kreis Fulda: die betroffenen Orte entlang der Fliede und Fulda explizit aufgeführt. 22 Eberlein, Michael Josef: Der Fulda-Kinzig- und der Sinn-Kanal. In: Fuldaer Zeitung vom Fuldaer Actiendruckerei. Fulda Uhlfelder, Hermann; Bericht über dessen Plan in: Der Fulda-Kinzig- und der Sinn-Kanal. Fuldaer Zeitung vom Verlag Parzeller. Fulda Seite 8 von 11

9 In dem auf der Hauptversammlung des Zentralvereins der Binnenschifffahrt am 30. Mai 1924 von Oberregierungs- und Baurat Johann Innecken 24 vorgestellten Plan sind bei der Fulda- Kinzig-Sinn-Linie Schutzhäfen vorgesehen, bei Melsungen, Lispenhausen bei Bebra und bei Bronnzell. Ein Schutzhafen kann als Zufluchtshafen für Wasserfahrzeuge bei widrigen Verhältnissen, z. B. Hochwasser, Eis, Sturm, genutzt werden. Der Kanal soll auf Schiffe mit einem Gewicht von 1000 Tonnen, 80 m Länge und 10,20 m Breite ausgelegt sein. Wo es sich wirtschaftlich rechnet, sind an den Staustufen Wasserkraftwerke vorgesehen. Auf der beschriebenen Kanalstrecke sollen jährlich etwa 2 Millionen Kilowatt-Stunden Strom erzeugt werden, die zur Gesamtfinanzierung benötigt werden. Inneken rechnet auf der Fulda- Kinzig-Strecke mit einem Gesamtverkehr von 450 Millionen Tonnen-Kilometern und daraus mit jährlichen Einnahmen von 2,6 Millionen Mark. Die Kanal-Gesamtlänge von Hann.-Münden bis Hanau beträgt 232 km. Von Hann.-Münden bis nach Ziegel erfolgt durchweg eine Kanalisierung der Fulda mit einigen Seitenkanälen. Erst hiernach schließt sich bis Hanau bzw. Gemünden der eigentliche Kanal an. Zur Wasserversorgung ist auch bei dieser Linienführung eine Talsperre bei Döllbach vorgesehen. Die starken Aktivitäten für den Weser-Fulda-Main-Kanal riefen Befürworter anderer Kanalverbindungen auf den Plan. So wurden unter anderem Pläne für einen Neckar-Donau- Kanal oder den Weser-Fulda-Eder-Lahn-Wetterau-Main-Kanal vorangetrieben. In Limburg bildete sich ein Fulda-Lahn-Kanalverein, der die schon 200 Jahre alten Pläne, erstellt unter Landgraf Karl von Hessen-Kassel, erneut aufnahm und einen Kanalbau von der Fulda über die Schwalm zur Lahn forderte. Auch im Osten Fuldas gab es verschiedenste Kanalbaupläne. Ludwig III. König von Bayern befürwortete bereits im Jahre 1903, einen von Norden durch Thüringen geplanten Weser- Werra-Main-Kanal bei Bamberg an den Main-Donau-Kanal anzubinden. So sollte eine Großschifffahrtsstraße von der Nordsee bis in das Schwarze Meer hergestellt werden. In einem der Pläne zur Schiffbarmachung der Werra von Hann.-Münden bis Wernshausen/Thüringen sind hierzu in der Rhön vier Talsperren geplant, davon drei im Gebiet der Ulster. Einerseits, um den im Rhöngebirge und den angrenzenden Gebieten fast in jedem Jahr wiederkehrenden Verwüstungen durch Wasserschäden in Zukunft vorzubeugen, und andererseits auch um das erforderliche Speicherwasser für die noch zu kanalisierende Werra zuzuführen. Das Niederschlagsgebiet der oberen Ulster umfasst rund 200 Millionen Kubikmeter. Der Abfluss tritt sehr ungleichmäßig und vielfach verheerend auf, sodass in einigen Gemeinden durch Überschwemmungen ungeheurere Schäden verursacht werden. Aus den Verhandlungen im März 1916 in Buttlar ging hervor, dass zunächst eine Talsperre mit 50 Millionen Kubikmeter Inhalt oberhalb von Lahrbach geplant ist. Ferner sollen zwei Talsperren oberhalb Buttlar mit 25 Millionen Kubikmeter und bei Wenigentaft mit 10 Millionen Kubikmeter Inhalt angelegt werden. Eine weitere Talsperre ist im Feldatal bei Weilar vorgesehen. 25 Ein anderer Plan favorisiert zur ausschließlichen Fahrwasserspeisung der Weser eine Talsperre mit etwa 20 km Länge und bis zu 1 km Breite von Fraurombach unterhalb Pfordt bis zur Stadt Fulda, mit einem Stauvolumen von 200 Millionen Kubikmeter Wasser. Die Stauhöhe beträgt 27 m. Die Größe der Staufläche beträgt 1350 Hektar. 26 Zum Vergleich: Die 24 Innecken, Johann; Bericht über dessen Pläne, vorgestellt auf der Hauptversammlung des Zentralvereins für Binnenschifffahrt am , in: Die Wasserstraßenverbindung zwischen Weser und Main. Fuldaer Zeitung vom Verlag Parzeller. Fulda Schiffbarmachung der Werra. In: Fuldaer Kreisblatt vom J. L. Uths Hofbuchdruckerei. Fulda Die Großschifffahrtstraße. Von der Nordsee durch Thüringen nach Bamberg und Nürnberg. (Nordsee-Donau- Verbindung). Fuldaer Zeitung vom Fuldaer Actiengesellschaft. Fulda siehe auch: Die Seite 9 von 11

10 Edertalsperre verfügt über eine Wassermasse von 205 Kubikmeter. Ferner eine Talsperre im Tal der Orke, einen Nebenfluss der Eder. Beide wurden als nicht umsetzbar verworfen, da sie eine Unzahl von Dörfern und umfangreiches Kulturland überschwemmen würden. Nachdem das staatliche Vorarbeitenamt sowohl die Weser-Fulda-Main-Linie als auch die Weser-Werra-Main-Linie für technisch machbar einstuften, sieht Dr. Müchler, Frankfurt am Main, in seinem in der Zeitung für Binnen-Schifffahrt vom 15. September 1925 veröffentlichen Vergleich eindeutige Vorteile in der Umsetzung der Kanallinie über Fulda. Er kommt zu dem Schluss, dass die Fulda-Kinzig-Linie dem innerdeutschen und zwischenstaatlichen Verkehr in unvergleichlich höherem Maße dient als die Werra-Linie. Sie bietet durch frachtgünstige Erfassung aller beteiligten Verkehrsgebiete so wesentliche Vorteile, dass, von diesen Gesichtspunkten aus gesehen, nur ihre Wahl in Frage kommen kann. 27 Auf der Verkehrsausstellung in München im Jahre 1925 wurde ein Modell des Fulda-Projektes gezeigt. Trotz aller Begeisterung und Befürwortung kam das Projekt nicht zur Umsetzung. Aufgrund der allgemeinen Geldentwertung durch die Inflation und die im Jahre 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise wurden die weiteren Planungen eingestellt. Das Vorarbeitenamt in Eisenach wurde geschlossen. Die Stadt Fulda trat im Jahre 1930 aus dem Kanalverein aus. Der Ausbau des Straßen- und Autobahnnetzes trat nun in den Vordergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Bundesrepublik mit dem wirtschaftlichen Aufschwung einen Motorisierungsschub im Kraftfahrtgüter- und Personenverkehr. Spätestens mit dem Anschluss Fuldas an die neu erbaute Bundesautobahn 7 im Jahre 1966 war ein Bedarf für Schiffbarmachung der Fulda nicht mehr gegeben. Der Main-Werra-Kanal (aus dem bayrischen Franken nach Norden) ist ebenso ein nicht verwirklichtes Bauprojekt für einen Kanal in Deutschland. Er sollte das Flusssystem des Oberen Mains mit dem der Oberweser schiffbar verbinden. In der mit Unterbrechungen über 300 Jahre andauernden Planungsphase wurde das Projekt je nach Planungszeitraum und Streckenvariante auch als Werra-Main-Kanal, Main-Werra-Weser-Kanal und Fulda-Werra-Main-Kanal bezeichnet. Mit einer variantenabhängigen Kanallänge von mindestens 284,5 Kilometern und einer zu überwindenden Höhe von bis zu 229 Metern zählte der Main-Werra-Kanal seit jeher zu den ehrgeizigsten Wasserstraßenprojekten Deutschlands; dieses wurde aber 1961 endgültig eingestellt. Das Schwesterprojekt zwischen Donau und Main wurde als Ludwig-Donau-Main- Kanal schon 1846 und nochmals 1992 als Main-Donau-Kanal verwirklicht. 28 Talsperren-Projekte im Gebiet der Werra und Fulda in Verbindung mit dem Entwurf des Nordsee-Donau- Kanales. In: Gießener Zeitung vom Gießener Verlagsdruckerei Albin Klein. Gießen Müchler: Das Fulda-Kinzig-Sinn-Projekt. In: Sonderdruck aus der Zeitschrift für Binnen-Schiffahrt; Heft 9 vom 15. September Main-Werra-Kanal: abgerufen am Seite 10 von 11

11 Die Main-Weser-Verbindung. Gut zu erkennen sind die Weser-Fulda-Main-Linie und die an Eisenach vorbei führende Weser-Werra-Main-Linie über Meiningen-Coburg und Bamberg Hess. Staatsarchiv Marburg: Bestand 180 Fulda Nr. 5707: Die Verbindung des Rheins mit der Weser. Seite 11 von 11