BMW und die Mär vom sauberen Kobalt - Nachlese zum SZ-Artikel vom

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1 BMW und die Mär vom sauberen Kobalt - Nachlese zum SZ-Artikel vom Michael O. Schwartz Die Flusstal-Oasen in Marokko sind ein touristisches Juwel. Es gibt sehr lange Flusstäler, in den Palmen wachsen, und viele kurze, abseits der touristischen Routen. In der Trockenzeit führen die Flusstäler im Süden wenig oder gar kein Wasser. Eine Ausnahme ist die Oase Sidi Blal. Die Kobalt-Arsenid-Mine Bou-Azzer, einige Kilometer flussaufwärts gelegen, liefert Wasser bis nach Sidi Blal, und zwar das ganze Jahr. Bou-Azzer selbst erhält sauberes Wasser über einen 30 km langen Kanal vom Oued Azguermerzi. Mit diesem Wasser wird das zerkleinerte Kobalt-Arsenid-Erz aufbereitet und somit zu einem Kobalt-Arsenid-Konzentrat oder Kobalt-Hydroxid-Konzentrat angereichert, fertig für den Transport zur Raffinerie Umicore in Belgien oder Guemassa in Marokko. Bei der Aufbereitung gelangen Unmengen von Arsen und Kobalt in das Abwasser der Grube und somit in das Tal von Sidi Blal. Bou-Azzer ist kein Einzelfall. Nicht nur Kobalterz, sondern viele andere Erze auf der ganzen Welt enthalten Arsen, und sie werden ebenfalls mit Wasser aufbereitet. Die Liste ist lang und enthält einige unserer wichtigsten metallischen Rohstoffe: Kupfer, Nickel, Zink, Blei, Zinn, Wolfram, Wismut, Gold und Silber. Die Abwässer der Minen werden ungeklärt oder wenig gereinigt in die Flüsse geleitet. Die SZ und ihre Partner haben mit ihrer Arsenstudie in ein Wespennetz gestochen. Die Marketing-Abteilung von BMW wirbt mit dem Superlativ von nachhaltig: BMW sei der nachhaltigste Autokonzern der Welt. Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass so viele Bäume gefällt werden, wie Bäume nachwachsen können. Bodenschätze wachsen nicht nach. Sie sind für immer verloren, es sei denn, die Recyclingrate erreicht unrealistische 100%. Der Begriff Nachhaltigkeit ist ein Minenfeld, das jede Marketingabteilung meiden sollte, besonders dann, wenn sie den Umgang mit Bodenschätzen ins Spiel bringt. BMW hat Pech mit dem Versagen der Marketingabteilung. BMW hat aber auch Glück und muss nur noch die sich bietende Chance nutzen. Bou-Azzer fördert nicht nur Erz aus der Tiefe, sondern hat noch riesige Abraumhalden, die ein halbes Prozent Arsen zusammen mit 0,4 Prozent Kobalt enthalten. Dieses Material verarbeitet seit 1996 eine chemische Aufbereitungsanlage und trennt Arsen von Kobalt. Arsen gelangt

2 als flüssige Phase mit den Abwässern in das Tal von Sidi Blal. Kobalt hingegen fällt als festes Kobalt-Hydroxid aus, bereit zum Transport zur Raffinerie in Guemassa. Üblicherweise durchlaufen Erze in einer chemischen Aufbereitungsanlage verschiedene Abschnitte, in denen Mobilisierung und Fixierung miteinander wechseln. Interessant ist der mittlere Abschnitt der Anlage in Bou-Azzer. Hier fällt Arsen als Skorodit aus. Skorodit ist das häufigste Arsenmineral an der Erdoberoberfläche. Skorodit bildet sich überall dort, wo primäre Arsenid-Erze an der Oberfläche anstehen und mit dem Sauerstoff der Atmosphäre reagieren. Der sekundäre Skorodit ist also das stabilste Arsenmineral an der Erdoberfläche. Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen in den Industrieländern entfernen Arsen in Form von Skorodit, wobei sie die passenden Reagenzien hinzugeben. In Bou-Azzer wurde das Rad nicht neu erfunden, sondern man kopierte einfach das Verfahren der Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen für den mittleren Abschnitt der chemischen Aufbereitungsanlage. Allerdings hat man absolut unverantwortlich gehandelt, indem man Skorodit im folgenden Abschnitt wieder in Lösung bringt und nur Kobalt-Hydroxid als feste Phase ausfällt. Verantwortliches Handeln würde bedeuten, die arsenhaltigen Wässer zu recyceln, Skorodit auszufällen und anschließend zu deponieren. Diese letzte Etappe würde weitgehend dem mittleren Abschnitt gleichen, allerdings mit dem Unterschied, dass Kobalt bereits aus der Lösung entfernt ist. Berdourzi (1999) hat in seiner Doktorarbeit gezeigt, dass das Wasser im Tal von Sidi Blal stark mit Arsen verunreinigt war, bevor die chemische Aufbereitungsanlage im Jahre 1996 den Betrieb aufgenommen hat. Die Arsengehalte waren nicht so hoch wie in der SZ-Studie angegeben, aber lagen weit über den wenig strikten marokkanischen Normen. Die Quelle ist die physikalische Aufbereitungsanlage für den eigentlichen Bergbaubetrieb. Hier durchläuft das zutage geförderte Reicherz verschiedene Stufen der physikalischen Aufbereitung, wobei große Mengen Wasser zum Einsatz kommen. Kobalt-Arsenid löst sich in Wasser auf, wenn die Sauerstoffkonzentration im Wasser hoch ist, also wenn das Wasser im Kontakt mit der Atmosphäre steht. Nach Aussage der Unternehmensleitung wird in Bou-Azzer kein Arsen freigesetzt, weil die Kobalt-Arsenid-Erze nur ungefährliches Arsenid enthalten: eine Aussage für die Witz-Rubrik einer mineralogischen Zeitschrift. BMW kann sich nicht auf die Aussagen der Unternehmensleitung von Bou- Azzer verlassen, sondern muss auf einen neuen Liefervertrag hinarbeiten, um glaubwürdig zu werden. In diesem Vertrag sollte festgehalten werden, dass in Bou- 2

3 Azzer kein Arsen in die Wasserrückhaltebecken gelangt, sondern als Skorodit deponiert wird. Die genaue Vorgehensweise bleibt natürlich der Unternehmensleitung überlassen. Ein Drei-Schichtenbetrieb in der chemischen Aufbereitungsanlage bietet sich an. In der ersten Schicht nutzt die Anlage nur den mittleren Abschnitt, und zwar für die Abwässer aus der physikalischen Aufbereitungsanlage, die Reicherz vorkonzentriert. In der zweiten Schicht verarbeitet die gesamte Anlage das Armerz aus den Abraumhalden wie bisher. In der dritten Schicht wird das arsenhaltige Abwasser der zweiten Schicht recycelt und Skorodit ausgefällt. Berdouzi (1999) hat in seiner Dissertation die Fixierung des im Wasser gelösten Arsens gefordert. Geschehen ist nichts. Jeder Vertrag ist Verhandlungssache. BMW kann dem Bergwerksbesitzer finanziell entgegenkommen, also höhere Preise bieten. Die theoretischen Mehrkosten kann BMW spielend wieder ausgleichen, wenn sich das Unternehmen nicht mehr als Märchenerzähler präsentieren muss, sondern als umwelttechnischer Vorreiter mit einem phantastischen Vermarktungspotential. Literatur Berdouzi, El Houssaine (1999) Étude de la dispersion des polluants minéraux autour de la mine de Bou-Azzer (Anti-Atlas Central, Maroc). Dissertation Institut National Polytechnique de Lorraine. 3