Holz[Hybrid]Hochhaus HoHo Wien 1.0

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1 Holz[Hybrid]Hochhaus HoHo Wien 1.0 Das Holzhochhaus HoHo Wien ist ein bemerkenswertes Beispiel moderner Architektur und ein Symbol für die Zukunft des Bauens. Mit 24 Etagen und 84 Metern Höhe liegt es im Wiener Stadtteil Seestadt Aspern und ist für seine wegweisende Holz-Hybridbauweise bekannt. Das Gebäude bietet Büros, Appartements, ein Hotel und erfüllt höchste Sicherheitsstandards, während es gleichzeitig den CO2-Fußabdruck reduziert und somit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet.

2 Allgemeine Informationen 1 Standort und Urbaner Kontext Das HoHo Wien befindet sich im Stadtteil Seestadt Aspern, einem der innovativsten und größten Stadtentwicklungsgebiete in Wien. Als integraler Bestandteil dieser neuen urbanen Landschaft trägt das HoHo Wien zur Entwicklung eines modernen, ökologisch orientierten und multifunktionalen Quartiers bei. 2 Architektur und Design Das HoHo Wien stellt mit seinen 24 oberirdischen Etagen zum Errichtungszeitpunkt das zweithöchste Holzhochhaus der Welt dar. Sein innovatives Design verbindet traditionelle Holzbauweise mit modernen architektonischen Ansätzen. 3 Nutzungskonzept Das HoHo Wien ist für eine vielseitige Nutzung konzipiert, es beherbergt Büros, Serviced Apartments, ein Hotel sowie Bereiche mit Wellness+Health.

3 Produktion - Transport - Montage Qualitätssicherung Das Bauprojekt verwendet Cross-laminated Timber (CLT) und wurde unter strengen Qualitätsstandards umgesetzt. Transport- und Montagelogistik Die vorgefertigten Bauteile wurden sorgfältig zum Bauplatz transportiert und montiert. Bau mit weitgehend vorgefertigten Bauteilen in Mischbauweise Das Baukonzept kombiniert Brettschichtholz-Stützen, Betonfertigteil-Träger, Ortbetonkerne, HBV-Decken und CLT-Fassadenelemente.

4 Nachhaltigkeit und ökologische Aspekte 1 ESG-Kriterien Das HoHo Wien erfüllt die Kriterien für nachhaltiges Bauen im Rahmen der ESG-Standards. 2 EU-Taxonomie Das Projekt entspricht den EU-Richtlinien für nachhaltige Bauweisen. 3 Gebäudezertifizierung HoHo Wien hat zahlreiche Auszeichnungen für seine nachhaltige Bauweise erhalten. LEED Platinum Certificate

5 kurze Bauzeit + lange Genehmigungphase Baukosten und Bauzeit Der Einsatz vorgefertigter Bauteile trug zur Reduzierung von Baukosten und Bauzeiten bei. Genehmigungsverfahren und Laborprüfungen Umfangreiche Genehmigungsverfahren und Laborprüfungen gewährleisteten die Einhaltung aller relevanten Standards.

6 Technische Aspekte Schallschutz 1 Das HoHo Wien erfüllt hohe Schallschutzstandards. Brandschutz 2 Brandschutzmaßnahmen wurden sorgfältig in die Konstruktion integriert. Fassade 3 Die Fassade wurde mit innovativen Techniken und Materialien konstruiert.

7 Kreislauffähige Bauweisen Lebenszyklus von Gebäuden Rückbaubarkeit Anpassbarkeit Kreislaufwirtschaft Lebenszyklus

8 Ausführung und Besonderheiten 1 Das Bauprojekt wurde von der Toleranzen und Bauablauf Der Bauablauf wurde sorgfältig geplant, Ausführung Handler Bau 2 renommierten Firma Handler Bau ausgeführt. um Toleranzen zu minimieren. 3 Fremdüberwachung Das Projekt wurde durch verschiedene Ebenen der Fremdüberwachung begleitet, um Qualität und Sicherheit zu gewährleisten.

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10 HoHo Wien das 84m Hochhaus mit Holz ein Leuchtturmprojekt der Seestadt Aspern cetus Baudevelopment/KiTO.photography Lernen vom Holz-Hochhaus in Wien Der Brandschutz für das 84 Meter hohe Holzhochhaus in Wien war für Planer und Behörden eine besondere Herausforderung, die Erkenntnisse daraus konnten auch für Folgeprojekte gewonnen werden. Das HoHo Wien ist nicht nur stadträumlich ein Leuchtturmprojekt der Seestadt Aspern, sondern stellt als Holzhochhaus von Anfang an einen architektonischen Sonderfall dar. Das von einem privaten Investor, der Kerbler Holding (unter der Projektleitung von Caroline Palfy) entwickelte Projekt betritt eindeutig konstruktives Neuland. Ein Kern aus Stahlbeton, daran angehängt eine Holz-Verbundkonstruktion, bestehend aus vier Grundelementen: Verbunddecken, Wandelementen, Stützen und Unterzügen. Die ersten Mieter zogen 2019 ein und 2020 eröffnete eine Hotelkette. Standort Bauherr Architektur Statik Holzbau 1220 Wien, Seestadt Aspern Janis-Joplin-Promenade 26 cetus Baudevelopment RLP Rüdiger Lainer + Partner RWT plus ZT, Projektleitung DI Dr. Julian ZOTTER Handler Bau Brandschutz Kunz die Brandschutzplaner Timeline Vorentwurf 2014 Eninreichung 2015 Baubeginn 2016 Fertigstellung 2019 Höhe Vorentwurf 2014 cetus Baudevelopment/KiTO.photography

11 Erdbebenkräfte ins massive»rückgrat«des HoHo Wien musste gewährleistet bleiben, auch unter Berücksichtigung eventueller Bautoleranzen. Die große Bewährungsprobe schließlich war der Brandversuch für den Systemknoten, bestehend aus den 3 Elementen Stütze Träger Decke, im Maßstab 1:1, in der Versuchsanstalt der Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle der Magistratsabteilung 39 (MA 39), mit 90 Minuten Befeuerung mit C. cetus Baudevelopment/KiTO.photography Holz in der Höhe ganz klar, dass hier von Anfang an die Frage des Brandschutzes zentral war. Die Planer RLP Rüdiger Lainer + Partner setzten mit Brandschutzplaner Alexander Kunz und Ingenieur Richard Woschitz ein Strategiepapier auf und legten dieses der Kompetenzstelle Brandschutz (KSB) der Magistratsabteilung 37 (MA 37) vor.»wir haben uns genau überlegt, was wir erreichen wollen und wie wir es umsetzen«, erklärt Rüdiger Lainer. Die Argumente, mit denen die Planer die Behörden überzeugen wollten, waren unter anderem: Das aus den vorgefertigten Elementen bestehende Konstruktionssystem wies, im Unterschied etwa zu traditionellen Tramdecken, keine Hohlräume auf, in denen sich ein Feuer unbemerkt entwickeln und ausbreiten kann. Die kleinen Brandabschnitte, die sich aus dem Entwurf ergaben, waren ein weiterer Vorteil. Das Ergebnis war positiv: Es kam zu einem Abbrand von ca. 5 cm und es bildete sich eine Kohleschicht. Nach Entfernung der komplett verkohlten Oberflächenschicht von 2 bis 3 cm erwies sich der Kern des Holzes als komplett intakt. Erkenntnis am Rande: Ein wichtiger Einflussfaktor für das Brandverhalten war die Klebstoffschicht in den Brettsperrholzelementen, die je nach Klebstoffeigenschaft und vor allem bei den Decken zu einem vorzeitigen Abfallen der schützenden Kohleschicht führt und damit brandbeschleunigend wirkte, während die dazwischenliegenden Holzschichten das - Vordringen des Feuers bremsten. In ihrer Strategie kamen die Planer den Behörden zudem entgegen, denn sie entwickelten ihr Brandschutzkonzept aus den Normen heraus.»die Bauordnung definiert Schutzziele«, so Alexander Kunz.»Wie diese einzuhalten sind, steht als Empfehlung in den OIB-Richtlinien. Wir haben also jeden Punkt der Richtlinien den Schutzzielen zugeordnet und dargestellt, in welchen Punkten wir davon abweichen. Für diese Punkte hatten wir uns bereits Gegenmaßnahmen überlegt.«dies betraf im Wesentlichen die Tragkonstruktion. Die erste Besprechung mit der MA 37 und der Feuerwehr verlief vielversprechend, zu lösen war danach vor allem die Frage, wie stabil die Knoten und Auflager im Brandfall sein würden. Sprich: Die kraftschlüssige Übertragung der horizontalen Schnittdarstellung: Hochhaus OG s

12 »Man muss wirklich sagen, dass die Professionalität aller Beteiligten hier zum Erfolg beigetragen hat«, sagt Irmgard Eder, Leiterin der Kompetenzstelle Brandschutz (KSB) bei der MA 37.»Der Test bei der MA 39 war hilfreich, aber ganz elementar waren die technischen Überlegungen des Brandschutzplaners. Der Rest war ein gemeinsamer Iterationsprozess zwischen allen Planern, der Feuerwehr und mir.«zweifellos förderlich war auch die Tatsache, dass das HoHo Wien ein Leitprojekt für die gesamte Stadt war, das niemand scheitern sehen wollte. Hat man bei der KSB aus diesem Sonderprojekt Erkenntnisse für weitere Fälle gewonnen?»grundsätzlich ist jedes Projekt ein Einzelfall, aber der Ansatz, die Brandlast durch kleinere gekapselte Einheiten zu reduzieren, wurde schon in anderen Projekten erfolgreich umgesetzt«, sagt Irmgard Eder. Auch die umgesetzte Kombination»Holz, wo möglich, Beton, wo erforderlich«, sei für künftige Projekte der Schlüssel zum Erfolg. Sprich: Bei Stiegenhäusern gewinnt aus konstruktiven und brandschutztechnischen Gründen der Stahlbeton, bei den Decken sind neben der Statik aus Schallschutzgründen die Holz-Beton-Verbunddecken deutlich im Vorteil. Bild: Schema Brandabschnitte Brandschutzkonzept Konstruktionssystem ohne Hohlräume kleine Brandabschnitte Hybridbauweise: Stahlbetonkern, Holz-Beton-Verbunddecken Brandversuche mit Systemknoten- und Auflagerdetail flächendeckende Sprinkler- und Brandmeldeanlage Ausführungsfotos

13 Holzhochhäuser Tabelle: world's 3 tallest mass-timber buildings Projekt Standort Gebäude Höhe (m) Geschosse Anzahl Bauweise Mjøstårnet Brumunddal, Norwegen Holzbau HAUT Amsterdam Amsterdam, Niederlande Holz-Hybridbau HoHo Wien Wien, Österreich Holz-Hybridbau Ascent Milwaukee, USA Holzbau h ps:// worlds-tallest-buildings-mass- mber-revolu on/ Quelle: Amy Peacock 29 March 2023 h ps:// ons.eu/project/ hoho-wien-the-worlds-tallest-wooden-high-rise/ h ps://lightwood.org/worlds-tallest- mber-building-hohotower-in-vienna h ps://

14 HAUT Amsterdam PEFC-certified timber Netherlands tallest hybrid wooden building 22 June 2023 PEFC Construction Sustainable from the forest to the building The 21-story residential building HAUT enriches Amsterdam with its iconic status, allowing residents to enjoy the city through large windows and spacious terraces. With a height of 73 metres, it is the tallest wooden residential building in the Netherlands, and one of the tallest timber-hybrid buildings in the world. Over 2,800 m 3 of PEFCcertified timber was used for construction, storing 1,800 tonnes of CO 2. This reduced the carbon footprint by 50% compared to the construction of a conventional building. Sustainable living in the city The wood for HAUT comes from Austrian PEFCcertified forests owned by our international stakeholder member Mayr Melnhof. The amount of wood used for HAUT grows back in less than two hours in these forests. Binderholz produced the CLT and Brüninghoff carried out the final processing, resulting in very little waste at the construction site in Amsterdam. Contractor JP van Eesteren realised the construction of the hybrid building on the Amstel River. HAUT comprises 52 luxury flats overlooking Amsterdam. Developed by Lingotto and designed by Team V Architecture, it is a prototype for building innovative and environmentally friendly high-rise timber structures. The building s structure, floors and walls were made of Cross Laminated Timber (CLT), the energy-generating façade uses triple glazing and, where possible, recyclable materials. Combined with the rooftop photovoltaics, the energy-positive exterior generates enough energy to supply the entire building with electricity. A rooftop garden and nest boxes for birds and bats add to the biodiversity on site. Even before HAUT was finished, it was already winning awards: the design won the International BREEAM Award in the category 'Homes - Designs' in After that, HAUT won several more awards, among them the Best Prize and the category 'Green Architecture' and 'Residential Architecture - Multi Unit' of the Architecture Master Prize, and was nominated for the Best Use of Certified Timber Prize of the World Architecture Festival (WAF). Photos: Jannes Linders - Team V Architectuur

15 Mjøstårnet das höchste Holzhaus der Welt Hochhaus in Norwegen von Voll Arkitekter Vom Council on Tall Buildings and Urban Habitat aus Chicago höchst offiziell bestätigt: Das ist das derzeit höchste Holzhaus der Welt. Insgesamt 85,4 Meter misst der Turm, der seit kurzem am Ufer des Mjøsa, dem größten See Norwegens, steht. Eröffnet wurde der Mixed-use-Tower nach nicht einmal 2 Jahren Bauzeit, entworfen wurde er vom norwegischen Büro Voll Arkitekter. Die Architekten messen dem Mjøstårnet der Name ist norwegisch und bedeutet der Turm am Mjøsa durchaus Symbolcharakter zu. Er soll ein Zeichen für den green shift und ein Beweis dafür sein, dass man hohe Gebäude bauen kann mit lokalen Ressourcen, örtlichen Unternehmen und aus nachhaltigen Holzmaterialien. Eine halbe Zugstunde südlich von Lillehammer und anderthalb Autostunden nördlich von Oslo, am Rand eines kleinen Ortes, steht das Hochhaus. Und es überragt mit 18 Stockwerken die Häuschen der Menschen, die in Brumunddal leben. Holzfassade, Holzinnenausbau, Holzkonstruktion: Zum Einsatz kam Brettschichtholz das kostengünstig, stark, feuerfest und biegsam ist. So besteht das Haupttragwerk aus Brettschichtholz- Fachwerk an der Fassade sowie Stützen und Trägern innen. Traversen verleihen dem Gebäude die nötige Steifigkeit, Massivholzwände nehmen zusätzlich die Last der drei Aufzüge und zwei Treppen auf. Die Gebäudehülle besteht aus großen, vorgefertigten Sandwichelementen, die mit einer nicht brennbaren Isolierung versehen sind. Verkleidet ist das Hochhaus mit Kiefernholz, das wie alle Fassadenteile am höchsten Holzhaus der Welt feuersicher sein musste. Diese Bezeichnung ist natürlich auch ein wenig geschummelt, entsteht die Höhe doch durch die gut drei Meter hohe Dachskulptur. Aber das war vielleicht auch gar nicht das Ziel. Mjøstårnet solle nicht als Blaupause eines hohen Holzgebäudes verstanden werden, so die Architekten. Wichtiger sei gewesen, auch vom Aspekt der Nachhaltigkeit zu zeigen, dass es möglich ist, große komplexe Holzgebäude zu bauen und andere zu inspirieren, das selbe zu tun. (kat) Trotzdem, oder gerade deshalb, ist der Turm auch für sie gedacht. Denn neben 72 Hotelzimmern vom 8. bis zum 11. Stock wurden auch Etagen für Büros, ein Restaurant, ein Veranstaltungssaal im 17. Stock, 33 Wohnungen und eine öffentlich zugängliche Dachterrasse in den 85m-Holzturm integriert. 640m2 misst jedes Stockwerk mit einer Grundfläche von 17x38 Meter sowie insgesamt rund Quadratmeter BGF. Direkt nebenan entstand zudem eine Schwimmhalle mit 4.700m2, ebenfalls aus Holz gebaut, ebenfalls von Voll Arkitekter entworfen. Bauherr ist Projektentwickler Arthur Buchardt, Chef von AB Invest, der selbst in Brumunddal aufgewachsen ist. Umgesetzt haben das Holzhochhaus der Bauunternehmer Hent AS und der auf Holzprodukte spezialisierte Zulieferer Moelven, der die Baukosten mit umgerechnet rund 52 Millionen Euro angibt.

16 Lernen vom 84 Meter hohen Hochhaus in Wien Brandschutzkonzept (Auszug) _ Konstruktionssystem ohne Hohlräume _ kleine Brandabschnitte _ Hybridbauweise: Stahlbetonkern, Holz-Beton-Verbunddecken _ Brandversuche mit Knoten- und Auflagerdetail _ flächendeckende Sprinkler- und Brandmeldeanlage Maik Novotny Der Brandschutz für das 84 Meter hohe Holzhochhaus in Wien war für Planer und Behörden eine besondere Herausforderung, die Erkenntnisse daraus konnten auch für Folgeprojekte gewonnen werden. Das HoHo Wien ist nicht nur stadträumlich ein Leuchtturmprojekt der Seestadt Aspern, sondern stellt als Holzhochhaus von Anfang an einen architektonischen Sonderfall dar. Das von einem privaten Investor, der Kerbler Holding, entwickelte Projekt betritt eindeutig konstruktives Neuland. Ein Kern aus Stahlbeton, daran angehängt eine Holz-Verbundkonstruktion, bestehend aus vier Grundelementen: Verbunddecken, Wand elementen, Stützen und Unterzügen. Die ersten Mieter zogen 2019 ein, eine Hotelkette wird im Sommer 2020 eröffnen. Holz in der Höhe ganz klar, dass hier von Anfang an die Frage des Brandschutzes zentral war. Die Planer rlp Rüdiger Lainer + Partner setzten gemeinsam mit Brandschutzplaner Alexander Kunz und Ingenieur Richard Woschitz (Woschitz Group) ein Strategiepapier auf und legten dieses der Kompetenzstelle Brand schutz (ksb) der Magistratsabteilung 37 (ma 37) vor. Wir haben uns genau überlegt, was wir erreichen wollen und wie wir es umsetzen, erklärt Rüdiger Lainer. Die Argumente, mit denen die Planer die Behörden überzeugen wollten, waren unter anderem: Das aus den vorgefertigten Elementen bestehende Konstruktionssystem wies im Unterschied etwa zu traditionellen Tramdecken keine Hohlräume auf, in denen sich ein Feuer unbemerkt entwickeln und ausbreiten kann. Die kleinen Brandabschnitte, die sich aus dem Entwurf ergaben, waren ein weiterer Vorteil. In ihrer Strategie kamen die Planer den Behörden zudem entgegen, denn sie entwickelten ihr Brandschutzkonzept aus den Normen heraus. Die Bauordnung definiert Schutzziele, so Alexander Kunz. Wie diese einzuhalten sind, steht als Empfehlung in den oib-richtlinien. Wir haben also jeden Punkt der Richtlinien den Schutzzielen zugeordnet und dargestellt, in welchen Punkten wir davon abweichen. Für diese Punkte hatten wir uns bereits Gegenmaßnahmen überlegt. Dies betraf im Wesentlichen die Tragkonstruktion. Die erste Besprechung mit der ma 37 und der Feuerwehr verlief vielversprechend, zu lösen war danach vor allem die Frage, wie stabil die Knoten und Auflager im Brandfall sein würden. Sprich: Die kraftschlüssige Übertragung der Horizontalkräfte ins massive Rückgrat des HoHo Wien musste gewährleistet bleiben, auch unter Berücksichtigung eventueller Bautoleranzen. Die große Bewährungsprobe schließlich war der Worst-Case-Test eines kompletten Elements (Stütze, Knoten, Decke) im Maßstab 1:1 in der Versuchsanstalt der Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle der Magistratsabteilung 39 (ma 39), mit 90 Minuten Befeuerung mit C. Das Ergebnis war positiv: Es kam zu einem Abbrand von ca. 5 cm und es bildete sich eine Kohleschicht. Nach Entfernung der komplett verkohlten Oberflächenschicht von 2 bis 3 cm erwies sich der Kern des Holzes als komplett intakt. Erkenntnis am R ande: Ein wichtiger Einflussfaktor für das Brandverhalten war die Klebstoffschicht in den Brett sperrholz-elementen, die je nach Klebstoffeigenschaft und vor allem bei den Decken zu einem vorzeitigen Abfallen der schützenden Kohleschicht führt und damit brandbeschleunigend wirkte, während die dazwischenliegenden Holzschichten das Vordringen des Feuers bremsten.

17 Sch bsc nda e leus Bra zuschnitt Brandrede für Holz hni Brandabschnitt 1 5 Sprinkleranlage HO Fluchtweg HO 5m 0 Schleuse Man muss wirklich sagen, dass die Professionalität aller Beteilig ten hier zum Erfolg beigetragen hat, sagt Irmgard Eder, Leiterin der Kompetenzstelle Brandschutz (ksb) bei der ma 37. Der Test bei der ma 39 war hilfreich, aber ganz elementar waren die technischen Überlegungen des Brandschutzplaners. Der Rest war ein gemeinsamer Iterationsprozess zwischen allen Planern, der Feuerwehr und mir. Zweifellos förderlich war auch die Tatsache, dass das HoHo Wien ein Leitprojekt für die gesamte Stadt war, das niemand scheitern sehen wollte. Hat man bei der ksb aus diesem Sonderprojekt Erkenntnisse für weitere Fälle gewonnen? Grundsätzlich ist jedes Projekt ein Einzelfall, aber der Ansatz, die Brandlast durch kleinere gekapselte Einheiten zu reduzieren, wurde schon in anderen Projekten erfolgreich umgesetzt, sagt Irmgard Eder. Auch die Kombination Holz, wo möglich, Beton, wo erforderlich, sei für künftige Projekte der Schlüssel zum Erfolg. Sprich: Bei Stiegenhäusern gewinnt aus konstruktiven und brandschutztechnischen Gründen der Stahlbeton, bei den Decken sind auch aus Schallschutzgründen die Holz-Verbunddecken im Vorteil. Auch die Architekten haben Leitthemen aus dem HoHo Wien seit her weiterverfolgt. Bei rlp ist vor allem das Grundkonzept eines fixen Kerns mit flexibel nutzbaren Anhängseln seit langem eine Konstante. Wir versuchen jetzt, dies im verdichteten Flachbau um zusetzen, sagt Projektleiter Oliver Sterl. Ein aktuelles Projekt ist der Wohnbau in der Waldrebengasse in Wien-Stadlau, der im Rahmen eines Bauträgerwettbewerbs der Wohnbauoffensive 2018 bis 2020 entsteht. Hier wird ein massiver Stiegenhauskern mit 7 Meter tiefen Wohntrakten in Hybridbauweise kombiniert. Dafür entwickelten rlp das System obsys, eine Fortführung des HoHo-Systems. Die Kernidee dabei ist, dass wir uns nicht wie beim HoHo Wien an einen Hersteller binden wollen, der das Marktmonopol hat, erklärt Sterl. Denn solche hoch angesetzten Preise seien für den geförderten Wohnbau nicht realisierbar. Das obsys ist daher als offenes Bausystem konzipiert, das dank serieller Vorfertigung und Anbieterkonkurrenz auch für Wohnbauträger rechnerisch attraktiv ist. Die Umsetzung kann mit Brettsperrholz, Brettschichtholz oder klassischen Dippelbaumdecken-Systemen erfolgen. Das Brandschutzkonzept funktioniert hier, was die Fluchtwege betrifft, ähnlich wie beim HoHo Wien, nämlich durch kleine Brandabschnitte und die kurze Distanz zu den Stiegenhauskernen. Zudem profitiert man von der 2015 erfolgten Änderung der oib-richtlinie 2, die Holzkonstruktionen in Gebäuden bis zu sechs Geschossen ermöglicht. Der Baubeginn für die Waldrebengasse, ein Projekt der iba Wien, ist für 2022 geplant. Maik Novotny ist Architekturjournalist und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung Der Standard, die Wochenzeitung Falter sowie für Fachmedien über Architektur, Stadtentwicklung und Design. Standort Seeparkquartier, Wien AT Bauherr cetus Baudevelopment GmbH, Wien AT, Planung rlp Rüdiger Lainer + Partner Architekten, Wien AT, Statik Woschitz Group, Wien AT, Brandschutzplanung Kunz die innovativen Brandschutzplaner, Mödling AT, Holzbau Handler Bau GmbH, Bad Schönau AT, Teilfertigstellung 2019 tt

18 Wenn Holz brennt, dann helfen der vorbeugende und abwehrende Brandschutz und die Schutzschicht des Holzes Löschangriff nur von innen Die Einteilung der Gebäudeklassen beruht auf den Einsatzmöglichkeiten der Feuerwehr max. 32 m > 32 m 32 m max. 12 m 11 m 22 m Drehleiter max. 22 m Löschangriff von außen möglich Schiebeleiter dreiteilig Standardfahrzeug Feuerwehr Gebäudeklasse 4 nicht mehr als vier oberirdische Geschosse, Fluchtniveau 11 m Gebäudeklasse 5 sechs oberirdische Geschosse Fluchtniveau 22 m Gebäudeklasse 5 mehr als sechs oberirdische Geschosse Fluchtniveau > 22 m Brandschadenstatistik Die Brandschadenstatistik zeigt, dass die Bauweise keinen Einfluss auf die Zahl der Brandtoten hat. Ein Brand bleibt meist in einer Wohneinheit. Gibt es Todesopfer, dann stirbt meistens nur eine Person in der Brandwohnung selbst aufgrund der brennenden Wohnungseinrichtung. In den letzten zehn Jahren gab es in Österreich im Schnitt dreißig Brandtote pro Jahr. Temperaturentwicklung im Vollholz 31 % der Toten lebten allein und sind über 65 Jahre. 93 % der Feuer entstehen im Wohn- oder Schlafzimmer 71 % der Brandtoten sterben an Rauchgasvergiftungen 95 mm 20 C 200 C 400 C 600 C 800 C Brandschutz zur Erreichung der Schutzziele Temperaturentwicklung nach 30 Minuten Brandeinwirkung vorbeugender Brandschutz abwehrender Brandschutz baulich anlagentechnisch betrieblich Feuerwehr

19 Brandverhalten von Brettsperrholzdecken Brandversuche an der eth Zürich zeigten, dass Deckenelemente aus mehrschichtigen Holzplatten ein ungünstigeres Brandverhalten aufweisen als Massivholzplatten, weil sich einzelne Schichten nach dem Durchbrand ablösen können. Die Kohleschicht besitzt im Vergleich zum Holz eine geringere Wärmeleitfähigkeit und schützt daher das innere Holz vor der Wärmeeinwirkung. Wenn sich Teile der einzelnen Schichten der Brettsperrholzplatte nach der Verkohlung ablösen, geht die Schutzwirkung der sich bildenden Holzkohleschicht verloren. Es ist dann wegen der steigenden Brandraumtemperatur mit einem erhöhten Abbrand zu rechnen. Dieses Ablösen von Schichtteilen wurde hingegen nur bei Deckenelementen aus Brettsperrholz beobachtet, nicht bei Wandelementen. Deshalb kann für die Ermittlung des Restquerschnitts bei Wänden die eindimensionale Abbrandrate angenommen werden. Bei Decken muss das Phänomen von ablösenden Schichtteilen mit einer Verdopplung der Abbrandrate rechnerisch vereinfacht berücksichtigt werden. 25 mm Deckenelemente Beim Brand von Brettsperrholzdecken können sich einzelne Schichten nach der Verkohlung ablösen. Abbrand in mm 20 zuschnitt Brandrede für Holz Abbrandrate von Holz Die Verkohlungszone verzögert den Abbrand des Restquerschnitts, weil durch diese Schutzschicht die thermische Zersetzung nach innen langsamer fortschreitet, u. a. aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit der Holzkohle und des Holzes. Die Abbrandgeschwin digkeit verschiede ner Hölzer hängt u. a. von der Temperaturentwicklung im Brandraum ab, von der Holzfeuchte und der Holzart (Rohdichte und Zellstrukturen). Einseitige Abbrandrate Sie wird bei einem einseitigen Abbrand, wie er beispielsweise bei einer Massivholzwand bzw. -decke vorliegt, verwendet. Abbrand pro Minute für Brettschichtholz 0,65 mm einseitige Abbrandrate 0,7 mm mehrseitige Abbrandrate Mehrseitige Abbrandrate Bei Stützen und Balken kommt es aufgrund der mehrseitigen Brandbeanspruchung zu einem erhöhten Abbrand in der Ecke. Die nominelle Abbrandrate wird auch bei Rissen im Holz angewendet. Nach 30 Minuten bildet sich eine Kohleschicht von ca. 2 cm. Richtlinien und Normen oib-richtlinie 2, Brandschutz oib-richtlinie 2, Erläuterung, April 2019 önorm en Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten Teil 1-2: Allgemeine Regeln Tragwerksbemessung für den Brandfall önorm b Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holzbauten Teil 1-2: Allgemeine Regeln Bemessung für den Brandfall Nationale Festlegungen, nationale Erläuterungen und nationale Ergänzungen zur önorm en önorm en Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten Teil 2: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Feuerwiderstandsprüfungen, mit Ausnahme von Lüftungsanlagen. önorm b Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen Teil 9: Bauteile in Holzbauweise Anforderungen, Prüfungen und Beurteilungen. Quelle: Brandschadenstatistik der österreichischen Brandverhütungsstelle 2018, Brandverhütung. Das Magazin zum Vorbeugenden Brandschutz Quelle (Temperaturentwicklung und Brettsperrholzdecken): Andrea Frangi, Michael Klippel, eth Zürich: Einfluss des Klebstoffes auf das Brandverhalten von Holzbauteilen, Vortrag beim 17. Internationalen Holzbau-Forum 11.

20 Lernen vom 60 Meter hohen Unihochhaus im Kanton Zug Baustoffe RF 1 (Material ohne Brandbeitrag) EI 60-RF 1 Brandabschnitt EI 90 Schleuse Sprinkleranlage Fluchtweg 5 m Brandschutzkonzept (Auszug) _ Hybridbauweise: Stahlbetonkern und Holz-Beton-Verbunddecken _ Löschanlage ermöglicht sichtbares Holz _ Begleitung durch Brandschutzfachperson _ Fassade aus nicht brennbaren Baustoffen Clementine Hegner-van Rooden Bereits 2018 entstand im Suurstoffi-Areal in Risch-Rotkreuz ein Hochhaus aus Holz. Nun wurde im September 2019 ein weiteres Holzhochhaus fertiggestellt. Dieses ist mit seinen 60 Metern das derzeit höchste Holzhochhaus der Schweiz. Der Neubau für den Informatik- und Finanzcampus der Hochschule Luzern entstand nach den Entwürfen der Arbeitsgemeinschaft des Büro Konstrukt aus Luzern und Manetsch Meyer Architekten aus Zürich. Der 15-geschossige Bau ist ein Holz-Beton-Hybridbau: Die beiden Untergeschosse sind in Stahlbeton ausgeführt, ein vertikal tragender und horizontal aussteifender Kern in Stahlbeton reicht über alle Geschosse. Die Geschossdecken sind als Holz-Beton- Verbunddecken konzipiert: Rippen aus Brettschichtholz bilden das Lagerraster für die 16 cm starke Betonplatte. Die Decken lagern einzig auf Stützen entlang der Fassade. Damit wird das Hochhaus zu einem klassischen Skelettbau, im Innenraum entsteht eine umlaufende, stützenfreie und flexibel bespielbare Raumschicht. Zwischen den Stützen spannen deckengleiche Unterzüge in Holz-Beton-Verbund, die einen verstärken den Deckenkranz bilden. Die Stützen sind zum Teil aus Fichten-Brettschichtholz, zum Teil aus Buche. Sie weisen in jedem Geschoss den gleichen Querschnitt auf und unterscheiden sich vom Dachzum Erdgeschoss nur um 8 cm. Für diese nahezu einheitlichen Abmessungen über alle Geschosse hinweg waren optimierte Stützenquerschnitte mit materialtechnologischer Verstärkung erforderlich. Bei den am stärksten belasteten Stützen setzten die Ingenieure einen Kern in Buchen-Furnierschichtholz (Baubuche) ein ummantelt mit Umleimern aus Fichtenholz, damit sie sich optisch nicht von den anderen Stützen unterscheiden. Holzbau als Brandschutz Die Architekten konzipierten die Fassade als nicht brennbare Metall-Glas-Konstruktion. Diese äußere Materialisierung des Hochhauses lässt kaum vermuten, dass der Innenbereich vor allem aus Holz besteht. Obwohl brennbar, kann Holz sichtbar belassen werden und das mit einem Standard-Brandschutzkonzept. Der Grundstein für solche Bauten wurde in den letzten Jahrzehnten durch die Anpassung der Schweizer Brandschutzvorschriften gelegt. Noch vor zwanzig Jahren wurden nur zweigeschossige Bauten in Holzbauweise realisiert, seit 2005 auch sechsgeschossige und seit Januar 2015 sind keine höhenspezifischen Grenzen mehr gesetzt. Diverse Forschungsarbeiten, beispielsweise an der eth Zürich, der Berner Fachhochschule und der Empa, sowie Referenzprojekte, die über die letzten zehn Jahre schweizweit entstanden sind, konnten belegen, dass brandsichere Gebäude auch mit brennbaren Materialien realisiert werden können. Holz brennt und schützt zugleich Das Prinzip, auf dem der Brandschutz basiert, ist nicht neu. Der statisch verlorene, verbrannte Holzkohle-Bereich isoliert aufgrund seiner geringen Wärmeleitfähigkeit und schützt den intakten Teil des Holzes, der kalt und tragfähig bleibt. Auch nach einem Brandfall bleibt bei einer entsprechenden Dimensionierung genügend Holzmaterial übrig, um die anfallenden Traglasten aufzunehmen. Die Holzkohle kann nach einem Brand entfernt und der Holzträger rekonstruiert bzw. zum sichtbaren Holztragelement reprofiliert werden. Die Architekten konnten all jene Bauteile, die der Brandverhaltensgruppe RF 3 zugeordnet werden und damit in der Schweiz als brennbares Material mit einem zulässigen Brandbeitrag kategorisiert werden, nur deshalb sichtbar belassen, weil sie zusätzliche bauliche Maßnahmen vorsahen. Eine entsprechende Dimensionierung auf das Ereignis Brandfall wurde mit zusätzlichen technischen Brandschutzmaßnahmen ergänzt. Das ganze Gebäude ist mit einer Löschanlage geschützt. Der Sprinklervollschutz verhindert einen Flashover, einen plötzlichen Übergang zum Vollbrand, im Gebäudeinneren. Durch die Löschanlage konnte zudem der einzuhaltende Feuer widerstand von 90 auf 60 Minuten (REI 60) reduziert werden.

21 Brandrede für Holz zuschnitt Grundsätzlich ist der Personenschutz im Brandfall bei diesem Holz-Hybrid-Bau genauso geregelt wie bei einem Massivbau. Es gibt ein Sicherheitstreppenhaus und einen Feuerwehrlift, über die jede Nutzungseinheit erschlossen ist. Ohne Sprinkleranlage hätten allerdings alle Holzbauteile gekapselt ausgeführt werden müssen. Dann hätten alle brennbaren Bauteile gemäß Brandschutzvorschriften mit einer allseitigen (sechsseitigen) feuerwiderstandsfähigen Bekleidung geschützt werden müssen und die ästhetisch wertvolle Holzsichtigkeit wäre nicht möglich gewesen. Vom Brandschutzkonzept bis zur Qualitätssicherung Die Schweizer Brandschutznorm von 2015 verlangt, dass der Bau von mehrgeschossigen Gebäuden unabhängig von ihrer Materialität von einer Brandschutzfachperson begleitet wird. Sie erstellt das Brandschutzkonzept, unterstützt die Fachplaner in der Planungsphase und kontrolliert die geplanten und umgesetzten Maßnahmen. Für Bauherren, die sich für so innovative Gebäudekonstruktionen entscheiden, ist eine solche verantwortungsvolle Beratung und Begleitung besonders wichtig. Aber auch der Ausblick auf eine effiziente Planung und Ausführung spielte bei der Entscheidung für diese Bauweise eine Rolle. So liefen grundsätzlich sämtliche Prozesse während des Baus modellbasiert ab. Mithilfe der bim-basierten Planung konnten Vorfabrikation und Montage rationalisiert und beschleunigt werden, was einen früheren Bezugstermin ermöglichte. bim hat uns aber auch bei der Planung des Brandschutzkonzepts geholfen, sagt Christoph Elsässer, Leiter der Abteilung Brandschutz bei Pirmin Jung Schweiz ag, die bei diesem Bau mit der Qualitätssicherung und der Brandschutzbegleitung beauftragt waren. Beim Brandschutz war die Effizienzsteigerung am offensichtlichsten, weil man alle Eigenschaften im Modell erfassen und daraus Pläne generieren konnte, ergänzt Elsässer. Letztlich aber fügt sich die Holzbauweise Holz ersetzt hier die Hälfte des Betonbaus vor allem auch optimal in die Nachhaltigkeitsziele der Bauherrschaft für dieses Areal. Denn entsprechend dem Zero-Zero-Prinzip für das Suurstoffi-Areal soll dieses Holzhochhaus zusammen mit seinen Nachbargebäuden ein komplett CO2-freies Quartier bilden. Solare Nutzung, mehrere dynamische Erdwärmesonden-Speicher und ein Anergienetz sollen während der Nutzungsperiode einen niedrigen Energieverbrauch garan tieren. Auch sollten Konstruktionen aus Holz als nachhaltigem Baustoff, nachwachsendem Rohstoff, als lokaler Ressource und CO2-Speicher zum Einsatz kommen. Die angepassten Brandschutznormen bildeten eine wichtige Grundlage, ja den initialen Impuls für diese wertvolle Entwicklung. Clementine Hegner-van Rooden ist diplomierte Bauingenieurin (eth Zürich) und Fachjournalistin br Standort Suurstoffi West, Risch-Rotkreuz CH Bauherr Zug Estates ag, Zug CH, Planung Büro Konstrukt, Luzern CH, Manetsch Meyer Architekten ag, Zürich CH, Statik und Brandschutzplanung Pirmin Jung Schweiz ag, Rain CH, Holzbau Erne ag Holzbau, Laufenburg CH, Fertigstellung August 2019

22 Brandausbreitung über die Fassade Unterschiedliche Schutzziele in Deutschland, Österreich und der Schweiz Thomas Engel, Michael Merk und Markus Lechner In Deutschland existiert aktuell kein eindeutiges Schutzziel für die Brandausbreitung über die Fassade. Es gibt lediglich eine allgemeine bauordnungsrechtliche Forderung, dass die Brandausbreitung an der Fassade ausreichend lange zu begrenzen ist. E xemplarisch wird auf die Musterbauordnung (mbo) verwiesen. In Deutschland können geregelt aktuell nur schwer entflammbare Außenwandbekleidungen in Gebäudeklasse 4 und 5 verwendet werden. Die Verwendung von Holz (normalentflammbar) ist folglich noch nicht geregelt möglich. Bei Außenwandbekleidun gen aus Holz sind Einzelfallbetrachtungen im Rahmen eines Abweichungs verfahrens notwendig. Ein eindeutiges Schutzziel ist jedoch für die Bewertung von neuartigen Fassaden und Außenwandbe kleidungen notwendig. In Österreich und der Schweiz hingegen e xistieren eindeutige Schutzziele für die Brand ausbreitung über die Fassade: Grenze der Brandausbreitung Zwei Geschosse Grenze der Brandausbreitung Drei Geschosse Schutzziel in Österreich In Österreich existiert ein in der oib-richtlinie 2 (2015 Abschnitt 3.5.6) festgeschriebenes allgemeines Schutzziel für Fassadenbrände: Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5 sind vorgehängte hinterlüftete, belüftete oder nicht hinterlüftete F assaden so auszuführen, dass eine Brandweiterleitung über die Fassade auf das zweite über dem Brandherd liegende Geschoss und das Herab fallen großer Fassadenteile wirksam eingeschränkt wird. Konkret bedeutet dies, dass der Brand auf maximal zwei Geschosse zu begrenzen ist. Schutzziel in der Schweiz Basierend auf Forschungsergebnissen der Lignum-Gruppe (Lignum-Dokumentation Brandschutz 7.1) wurde für die Schweiz folgendes Schutzziel formuliert: Bei einem Brand der Gebäudeaußen wand darf es vor dem Löschangriff der Feuerwehr nicht zu einer Brand ausbreitung über mehr als zwei Ge schosse oberhalb des Brandgeschosses kommen. Hieraus ergibt sich eine Begrenzung des Brandes auf maximal drei Geschosse. Fazit Der voranstehende Vergleich zeigt, dass sich das Schutzziel in Österreich im Vergleich zu dem in der Schweiz um ein Geschoss unterscheidet, während für Deutschland keine präzise Vorgabe existiert. Zum aktuellen Zeitpunkt werden in Deutschland Außenwandbekleidungen aus Holz für Gebäude bis zur Hochhausgrenze regelmäßig in Brandschutznachweisen über bauordnungsrechtliche Abweichungen ermöglicht. Der Nachweis, dass diese Fassaden brandschutztechnisch sicher sind, wird dabei über in Österreich oder in der Schweiz zugelassene Systeme geführt. Wie zuvor beschrieben, liegen diesen Lösungen jedoch unterschiedliche Schutzziele zugrunde, die eine Anwendung in Deutschland nicht ohne Weiteres ermöglichen. Bei einer abschließenden Definition eines deutschen Schutzziels müssen die Parameter klar definiert sein. Nur dadurch lassen sich mögliche konstruktive Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin bewerten. Die Flammenhöhe des Primärbrandes aus einer Fensteröffnung lässt sich über ein allgemeines Schutzziel nicht definieren oder begrenzen. Es sind zwar für unterschiedliche Nutzungen statisti sche Annahmen für durchschnittliche Brandlastdichten bekannt, diese können jedoch von der realen Situation stark abweichen. Brände in Räumen verlaufen in der Regel zudem ventilations gesteuert. Das heißt, der Sauerstoff im Raum reicht nicht aus, um die vorhandene Brandlast (z. B. Möbel, Akten etc.) im Raum selbst vollständig zu verbrennen. In der Abluft befinden sich folglich brennbare Bestandteile, die bei Luftzutritt (Austritt aus Fenster) erst verbrennen. Bei stark erhöhter Brandlast werden also mehr brennbare Pyrolysegase nach außen transportiert und es entstehen folglich höhere Flammenlängen an der Fassade. Die Flammen, die aus einem in Vollbrand stehenden Raum schlagen, durch konstruktive Maßnahmen daran zu hindern, ins nächste Geschoss zu gelangen, ist nur durch aufwendige Maßnahmen umsetzbar: bei Hochhäusern beispielsweise durch eine 1 Meter hohe feuerbeständige Brüstung oder eine 1 Meter auskragende feuerbeständige D eckenplatte. Für normale Gebäude scheinen solche Maßnahmen überzogen. Die Außenwandbekleidung aus Holz selbst kann die Flammenlänge, die aus e iner Wohnung schlägt, nicht begrenzen. Ist es daher praxisnah, das Schutzziel durch die zulässige Brandausbreitung über Geschosse zu definieren, oder ist es sinnvoller, die tatsäch liche Ausbreitung auf der brennbaren Fassade zu bewerten? Letzteres kann durch konstruktive Maßnahmen, die ein selbstständiges Mitbrennen der Holzfassade außerhalb des Primärbrandbereichs verhindern, erreicht werden. Diese Frage wird aktuell innerhalb von Forschungsprojekten wie dem timpuls, ( untersucht. Thomas Engel, Dr. Michael Merk und Markus Lechner sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der tu München.

23 HAUT Amsterdam: PEFC-certified timber stars in the Netherlands tallest hybrid wooden building... von , 13:12 22 JUNE 2023 CONSTRUCTION The 21-story residential building HAUT enriches Amsterdam with its iconic status, allowing residents to enjoy the city through large windows and spacious terraces. With a height of 73 metres, it is the tallest wooden residential building in the Netherlands, and one of the tallest timber-hybrid buildings in the world. 3 Over 2,800 m of PEFC-certified timber was used for construction, storing 1,800 tonnes of CO. This reduced the carbon footprint by 50% compared to the construction of a conventional building. 2 HAUT comprises 52 luxury flats overlooking Amsterdam. Developed by Lingotto and designed by Team V Architecture, it is a prototype for building innovative and environmentally friendly high-rise timber structures. The building s structure, floors and walls were made of Cross Laminated Timber (CLT), the energygenerating façade uses triple glazing and, where possible, recyclable materials. Combined with the rooftop photovoltaics, the energypositive exterior generates enough energy to supply the entire building with electricity. A rooftop garden and nest boxes for birds and bats add to the biodiversity on site. The wood for HAUT comes from Austrian PEFCcertified forests owned by our international stakeholder member Mayr Melnhof. The amount of wood used for HAUT grows back in less than two hours in these forests. Binderholz produced the CLT and Brüninghoff carried out the final processing, resulting in very little waste at the construction site in Amsterdam. Contractor JP van Eesteren realised the construction of the hybrid building on the Amstel River. Even before HAUT was finished, it was already winning awards: the design won the International BREEAM Award in the category 'Homes - Designs' in After that, HAUT won several more awards, among them the Best Prize and the category 'Green Architecture' and 'Residential Architecture - Multi Unit' of the Architecture Master Prize, and was nominated for the Best Use of Certified Timber Prize of the World Architecture Festival (WAF). Photos: Jannes Linders - Team V Architectuur

24 Das 18-stöckige Mjøstårnet in Norwegens ist das höchste Holzgebäude der Welt Foto: Rumah123/Dezeen 19 Juli 2022 Author: Dodiek Dwiwanto Der norwegische Architekt Voll Arkitekter entwarf das 18-stöckige Gebäude mit speziell verarbeiteten Holzwerkstoffen wie Brettsperrholz und Brettschichtholz. Mjøstårnet t ist offiziell das höchste Holzgebäude der Welt. Dieser "Titel" wurde vom Council on Tall Buildings and Urban Habitat (CTBUH) verliehen. Wie kommt es, dass hohe Gebäude aus Holz gebaut werden können? Sicherlich stellen Sie sich vor, dass ein Gebäude aus Holz nur ein Haus ist. Auch wenn es sich um ein Gebäude handelt, wird Holz mit Beton oder Eisen kombiniert. Später konnten Architekten und Bauingenieure nachweisen, dass hohe Gebäude mit Holzwerkstoffen ausgestattet werden können. Eine Reihe von hölzernen Hochhäusern hat in mehreren Ländern gestanden. Der norwegische Architekt Voll Arkitekter entwarf Mjostarnet für AB Invest. Dieses Gebäude ist ein Hotel, ein Schwimmbad, Büros und ein Restaurant. Das Gebäude mit einer Höhe von 85,4 Metern befindet sich im norwegischen Brumunddal. Brumunddal ist eine kleine Stadt mit nur etwa Einwohnern. Architekten verwenden Brettsperrholz (CLT) oder speziell behandeltes Holz. Eine Reihe von Holzbrettern wird mit speziellem Leim zusammengeklebt, damit sie stärker sind. Dieses Material ermöglicht es Architekten, hohe Gebäude aus Holz zu bauen.

25 Der Holzspezialist Moelven Limitre hat dieses Gebäude aus Brettsperrholz (CLT) gebaut, während für Säulen oder Gebäudekonstruktionen aus Brettschichtholz (GLT) gebaut wurde. Mjostarnet wurde zum höchsten Holzgebäude der Welt, nachdem es den Titel vom Brock Commons Tallwood House in Vancouver, Kanada, übernommen hatte, das eine Höhe von nur 53 Metern hat. Dieses Gebäude verwendet jedoch eine Mischung aus Holz und Beton. Ein weiteres höchstes Holzgebäude ist das Treet in Bergen, Norwegen. Dieses Gebäude war mit einer Höhe von 49 Metern auch einst das höchste Holzgebäude der Welt. Das Gebäude mit dem Namen Mjostarnet hat 18 Stockwerke und ist das höchste Holzgebäude der Welt. Bei diesem Gebäude handelt es sich um eine Mischnutzung, bestehend aus Hotels, Büros, Restaurants und Schwimmbädern (Foto: Rumah123/Dezeen)

26 Studienauftrag Lokstadt Baufeld 4b, Winterthur Holz-Wohnturm im Zentrum Gemäss einem städtebaulichen Masterplan soll das 100 Meter aufragende Hochhaus «Rocket» gemeinsam mit dem autonomen Sockelteil «Tigerli» das räumliche und städtebauliche Zentrum der Lokstadt Winterthur werden. Der Studienauftrag schrieb dafür ein spezifisches Holzbausystem vor. Von Manuel Pestalozzi Über der geschützten Industriehalle Habersack soll das Holzhochhaus 100 Meter in die Höhe ragen. Bilder: Ina Invest Die Lokstadt entsteht derzeit anstelle der ehemaligen Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM), die südöstlich vom Bahnhof Winterthur und der benachbarten Fabrik Sulzer angesiedelt war. Die SLM ging in den 1960er-Jahren in den Besitz des Sulzerkonzerns über, sein Industriegelände, auch bekannt als Werk 1, wurde somit Teil des Sulzerareals. Dieses verwandelt sich seit Beginn dieses Jahrhunderts in ein gemischtes urbanes Quartier. Die Lokstadt ist die letzte Etappe dieser Transformation. Als Käuferin der Sulzer Immobilien AG übernahm der Entwickler und Generalunternehmer Implenia 2010 das Portfolio inklusive der Liegenschaften des Sulzerareals Stadtmitte. Er macht aus dem einstigen Sulzerareal Werk 1 die Lokstadt, basierend auf einem Gestaltungsplan, der im Jahr 2015 vom Winterthurer Stimmvolk abgesegnet wurde. Baufelder nach Loks benannt Verschiedene Baufelder erhielten die Namen historischer Lokomotiven. Dies gilt auch für das Baufeld 4b: Das hier geplante Hochhaus «Rocket» erinnert an das legendäre Schienengefährt, das 1829 von Robert Louis Stevenson für die Liverpool and Manchester Railway entwickelt wurde. Sein Sockel «Tigerli» trägt den Kosenamen eines Dampflock-Typs der SLM, der während mehr als 60 Jahren auf dem Schienennetz der SBB im Dienst stand. Das Ensemble «Rocket» und «Tigerli» entsteht am Nordrand der Lokstadt, wo diese in das ursprüngliche Sulzer-Areal übergeht. Es wird sich am Dialogplatz erheben, einer Freifläche mit Bäumen. Sie ist das Zentrum dieses neuen Quartiers, in dem das industrielle Erbe lebendig und erkennbar bleibt. Über einen Studienauftrag als digitales, einstufiges Verfahren mit Präqualifikation und Zwischenbesprechung suchte Implenia über sein Spin off-unternehmen Ina Invest nach einem Projekt, das die hohen städtebaulichen Ansprüche, ein vielseitiges Raumprogramm und konkrete Vorstellungen zur Konstruktion erfüllte. 32 baublatt Nr. 19, Freitag, 16. September 2022

27 Wohnen und Hotel in Holzbauweise Im Hochhaus «Rocket» hatten die Entwurfsteams ein vielfältiges Angebot an Mietwohnungen im gehobenen Marktsegment unterzubringen. Bei der Zielgruppe dachten die Auftraggebenden schwerpunktmässig an «Paare und alleinstehende Personen mit einer progressiven Grundorientierung». Sie gliederten den Turm in einen Sockel- und Mittelbau sowie eine «Krone» mit einem öffentlich zugänglichen Dach. Kleinwohnungen wollten sie im Mittelbau konzentriert haben, in der «Krone» soll der Standard den Ansprüchen einer gehobenen Klientel gerecht werden. Da in der Lokstadt gemäss Gestaltungsplan 30 Prozent der Wohnflächen für gemeinnütziges Wohnen und/oder preisgünstiges Wohnen für Personen in Ausbildung zu nutzen sind (Hochhausanteile nicht einzurechnen), soll der Sockelbau «Tigerli» den noch zu leistenden Anteil zu zirka zwei Dritteln der entsprechend anrechenbaren Geschossfläche (agf) an grossen und erschwinglichen Familienwohnungen enthalten. Im verbleibenden Drittel sind preisgünstiges studentisches Wohnen geplant. Hinzu kommt beim «Tigerli»-Sockelbau ein erweiterter Hotelbetrieb im Viersterne-Bereich, welcher jenen in den benachbarten Lokstadthallen komplementiert. Deshalb war zum weiter westlich liegenden Baufeld 4a, dem Arealteil Habersack, zusätzlich eine gedeckte Passerelle einzuplanen. Auch bei der Konstruktion hatten die Auftraggebenden sehr konkrete Vorstellungen. Implenia realisiert einen wesentlichen Teil der Lokstadt in Holz. Für «Rocket» war deshalb ein spezifisches Holzbausystem zu Die Fassade von «Rocket» wird durch das regelmässige, mit Terracotta verkleidete Raster der Tragstruktur gegliedert. Nr. 19, Freitag, 16. September 2022 Zusammen mit den drei «Tigerli»-Trakten umschliesst «Rocket» einen begrünten Hof. Ein Gleis verbindet über ihn eine alte Drehscheibe mit der Halle Habersack. verwenden, welches Implenia gemeinsam mit dem Ingenieurbüro WaltGalmarini aus Zürich und der ETH Zürich entwickelt (siehe Kasten «Das Ziel ist die Zementreduktion» auf Seite 34). «Rocket» soll mit seinen 100 Metern weltweit das höchste Wohnhochhaus aus Holz werden. Auf Basis einer öffentlichen Präqualifikation wählte das Beurteilungsgremium für den Studienauftrag aus 64 Bewerbungen acht Teams für die Bearbeitung aus, wobei diverse ausländische Büros mit Partnern aus der Schweiz Teams bildeten. In der Hälfte der Bearbeitungszeit präsentierten die Teams dem Beurteilungsgremium ihren Projektstand. Am Ende der Jurierung stand die Empfehlung des Beurteilungsgremiums, das Projekt des Teams ARGE Schmidt Hammer Lassen Architects, Kopenhagen / Cometti Truffer Hodel Architekten AG, Luzern, weiter bearbeiten zu lassen. Fragmentiertes Tigerli Das siegreiche Projekt besteht aus einem 33-geschossigen Hochhaus, das direkt am Dialogplatz steht und umgeben ist von drei achtgeschossigen Gebäuden. Die freistehenden, im Grundriss windmühlenartig zueinander angeordneten Volumen bilden ungestörte stereometrische Körper und sind in ein strenges orthogonales Raster eingepasst. Der erweiterte Hotelbetrieb ist im Gebäude westlich des Turms untergebracht, die Wohnungen für die Studierenden und für Familien in jenen gegenüber den Hallen 52/53, die nicht mehr zur Lokstadt gehören. Das Freispielen von «Rocket» und die Fragmentierung von «Tigerli» überzeugte das Beurteilungsgremium. Die Auflösung des Blocks in freistehende Bauten ermögliche für die Wohnungen in den Obergeschossen mehr Fassadenfläche, dies stelle einen verstärkten Bezug zur Umgebung her, schreibt es in seiner Begründung. Da alle Bauten freistehend sind, können sich auch im Sockelbereich unterhalb der 23 Meter-Grenze die Eckwohnungen zu den Gassen hin öffnen. Gleichzeitig sorgen diese Gassen zwischen den Bauten für eine starke Vernetzung der unterschiedlichen öffentlichen Aussenräume auf dem Stadtboden. Die Gebäude fassen einen Innenhof mit Grüninseln ein. Durch ihn führt auch ein Gleisstrang von der erhaltenen Drehscheibe in der Nordostecke des Areals. Er unterquert das weitgehend offene Sockelgeschoss des östlichen «Tigerli»-Teils. Diese rund sieben Meter hohe Stadtloggia verspreche zu einem interessanten überdachten öffentlichen Ort zu werden, meinte das Beurteilungsgremium. Jedes baublatt 33

28 «Das Ziel ist die Zementreduktion» Bei «Rocket» soll eine innovative Holzkonstruktion zum Einsatz kommen, die von Implenia zusammen mit der ETH Zürich und dem Ingenieurbüro WaltGalmarini eigens für Hochhäuser entwickelt wurde. Seine wichtigsten Elemente sind eine tragende Fassaden-Rahmenkonstruktion und eine Holzbetonverbund-Flachdecke. Das neuartige System war für die Projekte des Studienauftrags zu verwenden. Die beteiligten Entwurfsteams erhielten Konstruktionsunterlagen. Und Bauingenieur Wolfram Kübler von WaltGalmarini stand ihnen für Rückfragen zur Verfügung. Der Spezialist für Tragkonstruktionen in Holz, der etwa auch für die Kuppel über dem Elefantenhaus des Zoos in Zürich zuständig war, gehörte als beratender Experte ohne Stimmrecht dem Beurteilungsgremium an. WaltGalmarini war bei zwei Entwurfsteams des Studienauftrages für die Statik zuständig aber nicht in jenem des siegreichen Projektes. Bild: WaltGalmarini Vor der eigentlichen Entwicklungsarbeit studierten die Verantwortlichen bereits bestehende oder projektierte Hochhäuser, die mit Holz in der Tragstruktur operieren. «Wir haben dabei festgestellt, dass sie meistens pro Geschoss viel mehr Höhe benötigen als Beton-Hochhäuser, primär wegen dem Schallschutz und dem Bedürfnis, Installationen in die Decke zu integrieren», sagt Kübler, «bei gleichem Volumen stellen sie weniger Nutzfläche zur Verfügung.» Bei der Suche nach einer besseren Lösung half das Studium von Stahlskelett-Hochhäusern, deren Konstruktionsprinzipien später von Systemen in Beton verdrängt wurden. «Unsere Ideen sind grundsätzlich nicht neu», so Kübler, «damals gab es die Notwendigkeit, materialsparend zu bauen.» Durch das geringere Gewicht von Holz kann bei den Fundierungen und den betonierten Untergeschossen Beton und somit auch Zement gespart werden. Bild: WaltGalmarini Das Konstruktionssystem, mit Kern, Flachdecken und einem Fassadengitter wurde für das Hochhausprojekt Pi in Zug entwickelt. Von der Idee zum System Das System für das 100 Meter-Hochhaus in Winterthur wurde für ein anderes geplantes 80 Meter-Hochhaus in Zug entwickelt. Implenia nahm 2018 zusammen mit WaltGlamarini und dem Architekturbüro Duplex an einer Gesamtleistungsstudie für ein Wohnhochhaus auf dem Areal der V-Zug teil. Die Vorgaben verlangten Ökonomie, Ökologie, Materialeffizienz. «Sie haben im Prinzip ein Holzhochhaus bestellt», erinnert sich Wolfram Kübler. Das Projektteam arbeitete darauf hin, mit ihrem Vorschlag eine möglichst hohe Zementreduktion zu erzielen, da die Herstellung von Zement besonders energieaufwendig ist. «Es gibt Bereiche, in denen Beton alternativlos ist», räumt Kübler ein, «wo wir Alternativen haben, sollten wir sie aber nutzen. Der Holzbau hat sich massiv entwickelt, bei den Werkstoffen sowie bei den Verbindungstechnologien. Das ermöglicht es jetzt, auch Hochhäuser zu bauen.» Mit dieser Haltung wurde für das Hochhaus Pi in Zug ein Projekt und ein konstruktives System mit grossem Holzanteil entwickelt, das sich in der Gesamtleistungsstudie durchsetzen konnte. Dieses System möchte man jetzt auch bei «Rocket» anwenden. Das Konstruktionssystem soll es erlauben, auch in den Untergeschossen und im Fundament Beton einzusparen. Pragmatismus in Baubuche Ein Kernelement des neuen Konstruktionssystems ist eine statisch wirksame Rahmenkonstruktion in der Fassade. «Die Stützen und Pfeiler sind einfach ein bisschen grösser als sonst. Wir verwenden die Brüstungen als Riegel. Dieses Netz in der Fassade stabilisiert das Hochhaus», erklärt Wolfram Kübler, «der 34 baublatt Nr. 19, Freitag, 16. September 2022

29 Haus besitzt Eingänge sowohl an der Strassenseite als auch im Innenhof. Durchgehende Eingangshallen sorgen für spannende visuelle Bezüge durch die Gebäude und ermöglichen insbesondere im «Rocket» einen repräsentativen Ankunftsort. Hülle aus Terracotta-Elementen Auf Gefallen stiess auch der Ansatz einer subtil variierenden Formulierung der Aussenfassaden für die unterschiedlichen Gebäude. Diese zeigt gegen aussen die einfache, modulare Konstruktion aus Holz, welche auch die innere Logik der einzelnen Bauten formt. Die Gebäudehülle besteht aus unterschiedlichen roten Terracotta-Elementen. Sie sollen eine Beziehung zum industriellen Erbe der Lokstadt herstellen. Die durchdachte modulare Konstruktion aus Holz und eine präzise Setzung der Erschliessungs- und Sanitärkerne ermöglicht eine grosse Vielfalt an Wohnungstypologien. Die modulare Organisation erlaubt ausserdem ein hohes Mass an Flexibilität für die weitere Planung. In den Erdgeschossen aller Bauten sind öffentliche Nutzungen wie Gewerbe, Cafés und Shopping sowie dem Wohnanteil dienende Gemeinschaftsprogramme vorgesehen. Mit seiner Schmalseite grenzt das Hotel an die südwestliche Kante des Dialogplatzes. Im nördlichen Bereich befindet sich das Wohnhaus mit Familienwohnungen. Das erste Obergeschoss des Hochhauses ist mit einer Passerelle durch das Hotel hindurch mit der benachbarten Halle Habersack verbunden. In dieser Ebene werden Büros und weitere Gewerbeflächen angeboten. Darüber befinden sich Wohnungen, welche von 2,5 Zimmern bis zu Penthouses mit 5,5 Zimmern variieren. Im Dachgeschoss des Hochhauses werden als öffentlich zugängliches Programm ein Spa- und ein Co-Working- Bereich vorgeschlagen. Das Vorprojekt im Sinne des siegreichen Studienauftrags wird jetzt in Angriff genommen. Der Gebäudekomplex «Rocket» und «Tigerli» soll gemäss Ina Invest bis 2026 geplant und realisiert werden. Kern hat nur noch einen untergeordneten Anteil an der Stabilisierung. Man kann Holz also auch für den Kern anwenden.» Holz heisst in diesem Fall Furnierschichtholz. Als Verbindungen dienen ins Holz eingeklebte Stahl-Gewindestangen. «Das ist sehr analog zum Betonbau und ähnlich leistungsfähig wie dessen Bewehrungen», begründet Kübler die Wahl der Verbindungsart und fügt an: «Das System verhält sich auch vom Tragverhalten her wie Stahlbeton. Damit ist das vom Verständnis her sämtlichen Ingenieuren, die sich mit Stahlbeton auskennen, zugänglich und verständlich.» Man erkennt, dass es hier nicht um Holzbau «à tout prix» ging. «Wir glauben, dass dieses System ein grosses Potenzial hat, weil es robuster ist und die relevanten Prozesse kontrolliert in der Vorfabrikation erfolgen. Wir setzen bei diesen Hochhäusern, wo es wirklich grosse Beanspruchungen gibt, auf bewährte Konstruktionsprinzipien aus dem Betonfertigteilbau», bekräftigt Wolfram Kübler die pragmatische Haltung. Das System wurde an der ETH auf seine Tauglichkeit geprüft; Andrea Frangi, Professor für Holzbau, begleitet dieses Konstruktionssystem wissenschaftlich. Das zweite Kernelement des Systems ist die Holzbetonverbund-Flachdecke, an der im Rahmen eines Innosuisseprojekts bereits seit 2016 gearbeitet worden war. Sie besteht aus drei horizontalen Schichten. Die unterste besteht aus Baubuchen-Furnierschichtholz, es folgt eine Schüttung und zuoberst eine Betonschicht. In der Vertikalen dienen Stahlrohre als Schubverbinder. «Mit der Schüttung bringen wir eine zementfreie Masse zwischen die beiden statischen Schichten ein und sparen so Konstruktionshöhe», erklärt Kübler den Aufbau, «durch diese Art von Wabenkonstruktion, die nicht nur biegesteif, sondern auch torsionssteif ist, kann die Decke zweiachsig tragen, wie eine Betondecke.» In die Schüttungsschicht lässt sich auch das Sprinklersystem integrieren. Und der notwendige Schallschutz ist gewährleistet. Das Deckensystem erlaubt eine freie Anordnung von Trennwänden in den Geschossen. «Mit dieser Konstruktion können wir auch die erhöhten Schallanforderungen im Geschoss von Wohnung zu Wohnung einhalten und in jedem Geschoss eine andere Wohnungseinteilung ermöglichen,» zeigt sich Kübler überzeugt. Das Deckensystem werde «interessant» ab sieben Metern Spannweite. Herstellen wird die Konstruktion Implenia selbst. Wie weit die Vorfabrikation gehen wird, ist noch nicht endgültig geklärt. «Der limitierende Faktor ist, dass in der Schweiz Transporte nur bis 23 Tonnen möglich sind. Deshalb ist es logistisch wahrscheinlich interessanter, nur die Holzschicht mit den Rohren, der Schüttung und den Sprinklern im Werk vorzufabrizieren und dann auf der Baustelle einmal ein ganzes Geschoss zu betonieren», erklärt Wolfram Kübler, «da muss der Prozess noch finanziell und ökologisch optimiert werden.» Da in Zug noch ein Bebauungsplan genehmigt werden muss, könnte es sein, dass Pi und «Rocket» gleichzeitig gebaut werden und Implenia mit der Konstruktion parallel gleich zwei Hochhäuser realisiert. (mp) Bild: Duplex Architekten AG Der Schemagrundriss des Hochhauses Pi möchte die Vielfalt möglicher Grundrisstypologien andeuten, welche das Konstruktionssystem ermöglicht. Blau sind die optimalen Platzierungsmöglichkeiten von Nasszellen. Nr. 19, Freitag, 16. September 2022 baublatt 35

30 coming soon - Design & Engineering Guide Intelligent Hybrid Buildings - HoHo 2.0

31 MATERIALTECHNOLOGIE + BAUTEILPRÜFUNGEN