EDITION KUNST IM LANDTAG
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- Fritz Peters
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1 IX KUNST IM LANDTAG EDITION
2 Kunst im Landtag 26. September bis 28. Oktober 2016, Franz-Josef-Röder-Str. 7, Saarbrücken
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4 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde, die elfte Ausgabe der Reihe Kunst im Landtag widmet sich unter dem Titel hart & weich gehäkelten Skulpturen. Die Bildhauerin Katharina Krenkel verwendet Naturfäden und industrielle Materialien wie Absperrbänder, Müllsackstreifen oder Gummischnüre, die sie zu sogenannten Soft Sculptures verarbeitet. Katharina Krenkel studierte erfolgreich an der Hochschule der Bildenden Künste Saar und ist seit 1989 als freischaffende Künstlerin tätig. Zahlreiche Ausstellungen, etwa im Kunstmuseum Albstadt oder im Deutschen Textilmuseum Krefeld, haben sie über das Saarland hinaus bekannt gemacht. Die Künstlerin arbeitet in Kontrasten und lässt Arbeitsprozesse sichtbar werden. Den Besucher empfangen Einzelskulpturen, die in direktem Bezug zu den Räumlichkeiten des Landtages stehen. Auf der Terrasse des Landtagsgartens lagert in industriellen Stapel boxen das Rohmaterial der Ausstellung. Im Foyer des Hauptgebäudes be herbergen die Gitterboxen Skulpturen des Glücks und des Lebens oder bändigen die Elemente Luft, Wasser und Feuer. Wolkenhafte Netze am Aufgang zur Lobby sowie Linol drucke und gestickte Zeichnungen saarländischer Industrielandschaften ergänzen die farbenfrohen Installationen. Klaus Meiser Präsident des Landtages des Saarlandes
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7 Andrea Jahn Verzwickte Maschen Ferien in einem französischen Badeort, irgendwann in den 60er Jahren... Ein kleiner Junge spielt mit seinen Freunden am Meer. Nicht unbedingt ein reines Vergnügen, denn der Kleine trägt gehäkelte Wollbadehosen... und das heißt: Sand im Schritt und immer nasse, salzige Wolle auf der Haut. Es ist die Initiationsszene aus dem Film Der Mann der Friseuse, in der der Ich-Erzähler Antoine seine ersten erotischen Gefühle beschreibt... wie die kratzige Badehose ihm den eigenen Körper bewusst und seine erwachende Männlichkeit spürbar macht. Dass Gehäkeltes derart verstörende und sinnliche Reize auslösen kann, weiß auch Katharina Krenkel - eine Künstlerin, die sich mit Wolle auskennt. Sie beschäftigt sich seit Beginn ihrer Karriere in den 1990er Jahren mit dem Häkeln als einem Verfahren, dem Körperlichkeit quasi eingeschrieben ist. Masche für Masche lässt sie Skulpturen und Objekte entstehen, die in einem engen Bezug zum menschlichen Körper stehen. In ihren ersten Arbeiten entwickelte sie Soft Sculptures zum Überziehen, wie die Mösenhöschen (1993) oder die Tagesdecke Busen der Natur (1994), in denen sie die Doppelmoral ländlicher Mädchenerziehung durch brave Handarbeit humorvoll aufs Korn nimmt. Und auch in ihrer aktuellen Ausstellung im Landtag begegnen wir Skulpturen, die an diese künstlerischen Lösungen anknüpfen. Hier präsentiert Krenkel uns zwei übergroße Hohlformen aus hautfarbenen Häkelmaschen zwei Schlüpfer, die aus Omas Wäscheschrank stammen könnten, und die wie die leibgewordene Erfahrung des jungen Antoine im Raum hängen tückischerweise im einen Fall innen, im anderen Fall außen mit Rosendornen besetzt, aber dazu angelegt, alles andere als erotische Phantasien herauf zubeschwören. Vielmehr gemahnen diese Skulpturen uns eher an die schmerzhaften Seiten der Lust, als an ihre Erfüllung. Oder vielleicht auch an die 6
8 vielen kleinen Gemeinheiten, mit denen zu früheren Zeiten versucht wurde, lustvolles Empfinden zu vereiteln. Ihre ersten Schlüpfer schuf Katharina Krenkel Auch sie aus hautfarbener Stretchbaumwolle gehäkelt, doch über Rheinkiesel gezogen und als abstrakte Skulpturengruppe arrangiert. In dieser Phase entstand auch Die Mama, eine gleichfalls aus fleischfarbener Baumwolle gehäkelte Ganzfigur, mit naturalistischen Details, wie Brüsten, Babybauch und zugestöpseltem Geschlecht eine leere Hülle, die zu allem Übel auch noch auf einem Hackklotz präsentiert war. So formuliert die Künstlerin das Muttersein als durchaus fragwürdige Erfahrung: In seiner Weichheit, Hingabe und Wärme erscheint der mütterliche Körper zugleich ausgelutscht, nach überstandener Geburt ein trauriges Objekt, das seine Schuldigkeit getan hat. Die Überbleibsel gegenwärtig im anschmiegsamen, weichen Baumwollmaterial, das den Charakter dieser frühen Arbeiten prägt: Startpunkt war ein Restposten fleischfarbener Stretchwolle (Baumwolle mit eingesponnenem Elastikfaden) aus dem Pleite geiermarkt, Ludwigshafen, und eine Modenschau, bei der für das männliche Publikum die Busen und Pos der Models nicht im Vordergrund stehen sollten: Zwei Knäblein hüpfen in kurzen Hemdchen bei Vogel gezwitscher über den Laufsteg, als drei Frauen auftauchen. Diese entpuppen sich als Exhibitionistinnen, lupfen ihre Röcke [und zeigen ihre Mösenhöschen ], worauf die Jungs kreischend von der 1 Bühne kippen. Diese Aktion erinnert nicht von ungefähr an die Objekte und Performances der amerikanischen Bildhauerin Louise Bourgeois ( ), die bereits Ende der 70er Jahre mit provokativen Latex-Skulpturen Furore machte, in denen sie sich mit tabuisierten Körperteilen und Geschlechterverschiebungen auseinandersetzte. Zu ihren berühmtesten Werken zählt in diesem Zusammenhang La Fillette (1968), ein übergroßer Latex-Phallus, den sie auf einer Fotografie von Robert Mapplethorpe wie ein Baby im Arm hält. In 1 Katharina Krenkel, Heimarbeit, in: K. Krenkel, Heim, Herd & Hunde, Saarbrücken 1998, S
9 ihrer Performance Banquet A Fashion Show of Body Parts (1978) ließ Bourgeois dieses Spiel mit Geschlechtsidentitäten vor und mit dem Publikum stattfinden, indem sie die Vertreter der New Yorker Kunstszene in Kostüme steckte, die mit übergroßen Nachbildungen von Brüsten und Geschlechtsteilen besetzt waren. Bourgeois lieferte mit ihrer Installation einen Laufsteg, auf dem sich die Akteure in ihren verschiedenen sexuellen Rollen präsentierten und diese parodierten [...] 2 Diese Auseinandersetzung zieht sich wie ein roter Faden durch Bourgeois Werk und äußerte sich in späteren Jahren auch in Form von hautfarbenen Stoffskulpturen, in denen sie die Verfremdung und Vernähung männlicher und weiblicher Körper weiterverfolgte. Die Verwendung weicher Materialien, wie Stoff und Wolle, Filz und anderer textiler Gewebe stieß erstmals in den 1970er Jahren auf gesteigertes Interesse in der Kunst, als vor allem junge Künstlerinnen begannen mit neuen Materialien, Techniken und Stilmitteln zu experimentieren, um die bis dahin geforderte Trennung zwischen Kunst und Alltagsrealität zu überwinden. Dabei ging es darum, dem klassischen bildhauerischen Vokabular aus bild würdigen Werkstoffen wie Marmor, Stahl, Bronze oder auch Holz eine eigene Bildsprache entgegenzusetzen, die spezifisch weib lichen Körpererfahrungen (Menstruation, Sexualität, Geburt u. A.) Ausdruck geben konnte. Zugleich wurden diese armen Materialien und Produktionsweisen (Sticken, Häkeln, Nähen, Stricken) bewusst dazu herangezogen, den verschiedenen Bedingungen weiblicher Kunstproduktion gerecht zu werden. Ohne den Luxus eines geräumigen Ateliers, ohne die finanziellen Mittel für teuere Werkstoffe, ohne die ausreichende Zeit für aufwändige Produktionsverfahren haben Frauen Kunst gemacht und sich für diese Medien entschieden, weil sie ihrer Lebensrealität näher waren als die künstlerischen Ausdrucksmittel sogenannter Hoher Kunst. Nicht zuletzt aber war die Entscheidung für diese neuen bildnerischen Mittel Ausdruck der Kritik an den autoritären Konzepten 2 [...] nicht umsonst stülpte sie der Vaterfigur das Kostüm eines weiblichen, schwangeren Körpers über, um so seine phallische Macht der Lächerlichkeit preiszugeben., in: Andrea Jahn, Louise Bourgeois - Subversionen des Körpers, Berlin 1999, S
10 der Moderne, deren überkommene Werte und Hierarchien den gesellschaftspolitischen Veränderungen der westlichen Welt nicht länger entsprechen konnten. Judy Chicago, Harmony Hammond und Louise Bourgeois in den USA, Rosemarie Trockel, Tracey Emin und Annette Messager in Europa gehören zu den bekanntesten Vertreterinnen dieser Bewegung mit ihrer Hinwendung zu intro spektiven, feministischen, am Individuum wie an sozialpolitisch orientierten Themen. Krenkels körperbezogene Arbeiten knüpfen unmittelbar an diese Tendenzen an, indem sie nicht nur die inhaltliche, sondern auch die formale Auseinandersetzung in der Darstellung von Körper teilen suchen. Wie Körperzellen, wie Haar und Haut wachsen die gehäkelten Körper unter ihren Händen zu Skulpturen. Bei ihren NacktKörperanzügen zur Geschlechtsumwandlung arbeitete die Künstlerin in den 90er Jahren mit direkten Körperbezügen, bis sie diese in ihren aktuellen Werken wieder aufgreift. So sind auch die für diese Ausstellung entstandenen Glückskekse, die von der Künstlerin in eine Euro-Gitterbox gepackt wurden, in diesem Zusammenhang zu sehen. Es sind organische Rundungen, die Krenkel aus Trikotstoff in unterschiedlichen Hautfarben gehäkelt hat. Auch sie spielen mit assoziativen Körperformen, die ihre Weiblichkeit nicht verleugnen. Dabei ergibt sich eine interessante Parallele zu den frühen Arbeiten von Hannah Wilke ( ), die mit ihren Vaginal-Skulpturen und -Installationen in Keramik, Gummi und Latex in der Kunstwelt Aufmerksamkeit erregte. Während Wilkes Abstraktionen viel von ihrer assoziativen Kraft aus dem organischen Material bezogen, aus dem sie geformt waren, geht Krenkel den umgekehrten Weg. Bemerkenswert ist dabei, dass die Künstlerin in aktuellen Arbeiten wie den Glückskeksen, einen deutlich höheren Abstraktionsgrad anstrebt. Ihr Erscheinungsbild ist zutiefst künstlich handgearbeitet! Jede der gehäkelten Maschen lässt deutlich werden, was und wie hier konstruiert wurde. Es geht nicht um Nachahmung und schon gar nicht um eine mimetische Illusion. Krenkel verlässt den Glückskekse,
11 Bereich allzu naturalistischer Darstellung schon allein durch die Größe, in der sie ihre gehäkelten Objekte umsetzt. Dadurch erhalten sie eine deutlich skulpturalere Qualität, die über jede ursprüngliche Funktion hinausweist. So erfahren wir auch die dornenbespickte Unterhose nicht mehr als Kleidungsstück, sondern als abstrakte Skulptur, die schon deshalb irritiert, weil sie uns als übergroßes, hängendes Gebilde präsentiert wird. Für Krenkel spielt dabei die Auseinandersetzung mit ganz verschiedenen Materialien eine entscheidende Rolle, wie sie gerade in ihren aktuellen Werken zum Ausdruck kommt. Es sind Experimente mit Abfallprodukten aus der industriellen Produktion, wie Müllsäcke, Absperrbänder und Dichtungsgummis oder eben auch Reste aus der Textilindustrie wie die hautfarbenen Trikotstoffe, aus denen die Künstlerin ihre jüngsten Skulpturen gefertigt hat. Dahinter stecken inhaltliche Beweggründe, denn Krenkel häkelt demnach mit Material, das nicht neutral ist, sondern selbst Information transportiert. Das Medium Faden kann hier im übertragenen Sinne als Träger einer Art künstlerischen Nukleinsäure (DNA) verstanden werden, womit sich der Bezug zur Biologie sogar auf die molekulare Ebene ausweitet. 3 Wolke, 2016 Wasser, 2016 Neben dem menschlichen Körper sind es die vier Elemente, die sie bereits seit Jahren thematisch umkreist und die auch im Landtag in Form verschiedener Installationen präsent sind. Die Luft begegnet uns hier in Gestalt einer raumgreifenden, aus weißer Baumwolle gehäkelten Wolke, die in eine Gitterbox gequetscht wurde. Sie erinnert in ihrer Weichheit und weißen Reinheit an ein frisches, sauberes Kopfkissen und nimmt somit Bezug zur Herkunft und zu den alltäglichen Assoziationen des Textilen 4. Ihr gegenüber erscheint das Wasser als Ansammlung blauer Kugeln in unterschiedlichen Größen, gehäkelt aus zerschnittenen Plastikmüll säcken. Wie die Wolke setzt die Künstlerin auch die organisch anmutenden Blasen 3 Zit. n. Weyandt, a. a. O. 4 So die Künstlerin in einem unveröffentlichten Manuskript (2016). 10
12 in bewussten Kontrast zur rohen Gitterstruktur der Metallkästen, in denen die Wasserkugeln gefangen sind. Und selbst die Flammen einzelne, in sich gewundene Körper aus rot-weißem Absperrband, scheinen in den Gitterboxen eingesperrt, aber nicht wirklich unschädlich gemacht. Ob die Gefahr damit gebannt ist, lässt auch das Absperrband offen, das in dieser Form eine neue Bedeutung erhält. Es ist eine Verwandlung industrieller Werkstoffe in Objekte aus der Natur oder die Transformation unbelebter, synthetischer Materie in Leben. Flammen, 2016 Ganz besonders lebhaften Ausdruck findet diese Beschäftigung mit dem Organischen in Krenkels Werkgruppe des Ungeziefers, die Barbara Weyand als große, überdimensionierte silberne Wesen beschreibt, orientiert an Vorbildern in der Natur, an Spinnen läufern, Tausendfüßlern, Asseln und Skolopendern, die schließlich durch ihre maßstäbliche Veränderung wie die erschreckenden und bedrohlichen Erzeugnisse aus dem Labor eines Dr. Frankenstein oder wie Wiedergänger aus einem längst vergangenen Erdzeitalter erscheinen. 5 In dem Moment aber, in dem Werke, wie das mehrteilige Leben in dieser Ausstellung, Gefahr laufen, sich in allzu naturalistischer Kleinteiligkeit zu verlieren, erweisen sich die Krabbeltiere und amorphen Formen, die Krenkel als Ungeziefer in die Welt (oder, wie hier, in eine Gitterbox) gesetzt hat, als Objekte, die ganz subtil mit dem spielen, was wir als Abjekt erfahren organisches Leben, das uns bedrohlich, abstoßend oder zumindest unbehaglich vorkommt. Die metallisch glänzende Oberfläche des Ungeziefers entsteht aus einer Lackierung, mit der die Künstlerin dem weichen Wollmaterial den Garaus macht und anschmiegsames Tierhaar in einen chitinartigen Panzer verwandelt. Krenkels Objekte bewegen sich immer auf diesem schmalen Grat zwischen heimeligen, puppenhaften Erscheinungen und rätsel haften Formen, denen wir nicht wirklich über den Weg trauen können. Auf 5 Barbara Weyandt, Häkeln im erweiterten Feld Im Kosmos der Katharina K., in: Häkel-Labor Soft Sculptures von Katharina Krenkel, Ausst. Kat. Museum Tuch + Technik, Neumünster / Tuchmacher Museum Bramsche 2015, o. S. 11
13 den ersten Blick täuscht uns ihr kunsthandwerklicher Charakter und nimmt uns für sie ein, doch bei näherer Betrachtung müssen wir erkennen, dass der Schlüpfer Stacheln besitzt und sich das gehäkelte Äußere des Ohrwurms keineswegs als weiches Schmusepolster, sondern als harte Schale erweist, die sehr viel mehr mit einem Panzer als mit einem Kissen gemein hat. Und auch das hübsche Über- und Nebeneinander der dekorativen blauen Wasserbälle erweist sich als trügerisch, wenn wir wissen, dass es Mülltüten sind, welche die Künstlerin hier zu Wassertropfen ver arbeitet hat (und mit denen die Menschheit ihrerseits dabei ist, die Fauna der Weltmeere zu zerstören). Innen, Detail, 2016 Außen, Detail, 2016 In diesem Sinne dienen Krenkels Häkelverfahren auch der Erforschung von Materialeigenschaften. Das heißt, nachdem sie sich über viele Jahre dem Materialverhalten von Wolle gewidmet hat, richtet sich ihr aktuelles Forschungsinteresse auf industrielle Materialien wie Videotape, Absperrband, Metalldraht, Plastiktüten und Dichtungsgummi. Auf diesem Weg stößt die Künstlerin mit ihrer Serie Matrix noch weiter in den Raum vor, indem sie an den Wänden und an der Decke verspannte grobmaschige Matten aus Gummi installiert. Wie Netze dehnen und strecken sie sich zu lichtdurchlässigen, abstrakten Objekten, minimalistischen Skulpturen, deren Rohmaterial der Autoindustrie entstammt. Es ist Isoliergummi, der von Krenkel zweckentfremdet und so verarbeitet wird, dass letztlich nur noch der Geruch auf seine eigentliche Herkunft verweist. Dahinter steht ein direkter Bezug zur Industrie vor Ort, denn Krenkel bezieht ihr Material für diese Arbeiten von einem saarländischen Autozulieferer. Und auch sonst sucht die Künstlerin die Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Saarlandes, seiner Montanindustrie mit ihren Bergehalden, Gruben und Steinbrüchen. Letztere hat Krenkel in einer eigenen Serie porträtiert, in minimalistischen Fadenzeichnungen und großformatigen Linoldruckpanoramen (150 x 200 cm) des Großen Horst, einem riesigen Steinbruch im saarländischen Schmelz. Daraus sind sogenannte Weißlinienschnitte entstanden, also überwiegend schwarze Drucke, aus denen die Künstlerin ein Netz aus filigranen 12
14 weißen Linien herausgeschnitten hat. In diesen Darstellungen erscheint der Steinbruch als textil anmutendes Faden- und Liniengewirr, das aufgrund seines Überformats mit einer Straßenwalze gedruckt werden musste. Die Materialwahl und die Veränderung der Größenverhältnisse sind Krenkels entscheidende künstlerische Verfahren, mit denen sie den Abstraktionsgrad steigert und damit die künstlerische Eigenständigkeit ihrer scheinbar kunsthandwerklichen Motivwelt. Wo ihre Körperdarstellungen in den 90er Jahren noch menschlichen Dimensionen verpflichtet waren, hat sie sich in ihren jüngsten Arbeiten von diesen Abhängigkeiten befreit und aus Häkelmaschen einen Makrokosmos entstehen lassen, der seinen eigenen Gesetzen folgt. Mit den übergroßen Formaten ihrer Häkelstücke schafft Krenkel Skulpturen, die über den reinen Objektbezug hinausweisen. So erreichen nicht nur die Wasserblasen und Feuerzungen, sondern auch die dornenbesetzten Schlüpfer bei Krenkel skulpturale Dimensionen, die ihren Kunstcharakter betonen und geeignet sind, das assoziative Eigenleben ihrer gehäkelten Werke freizusetzen vielleicht genau so wie die träumerischen und erotischen Phantasien des jungen Antoine, die durch etwas so vermeintlich Banales wie gehäkelte Wollbadehosen in Gang gesetzt wurden. Druckaktion mit Straßenwalze, 2016 Leben,
15 Rohwolle, ungewaschenes Wollvlies von Jakobsschafen, in Euro-Gitterbox, 2016, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox) 14
16 Kugellager, Gummiprofil, gewickelt, in Euro-Gitterbox, 2016, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), einzelne Knäuel zwischen 15 und 30 cm Durchmesser 15
17 Feuer, Absperrband, gehäkelt, in Euro-Gitterbox, 2016, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), Feuerzungen zwischen 9 x 25 x 9 cm und 25 x 75 x 25 16
18 Wasser I, Plastikstreifen aus Müllsack, gehäkelt, in Euro-Gitterbox, 2016, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), einzelne Wasserblasen zwischen 10 und 35 cm Durchmesser 17
19 Feuer, Wasser, Luft, in Euro-Gitterbox, 2016, je 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), Luft, Baumwolle, gehäkelt, gestärkt, 2016, Objekt 110 x 65 x 60 cm rechte Seite: Wasser im Landtag, Plastikstreifen aus Müllsack, gehäkelt, 2016, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), einzelne Wasserblasen zwischen 10 x 10 x 10 cm und 35 x 35 x 35 cm
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21 Luft II, Baumwolle, gehäkelt, gestärkt,
22 Luft I, Baumwollchenille, gehäkelt, ausgestopft mit Plastikmüll, in Euro-Gitterbox, 2016, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), Objekt 110 x 65 x 60 cm 21
23 Glück, Baumwolltrikot, gehäkelt, 4-teilig in Euro-Gitterbox, 2016, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), einzelne Objekte 38 x 20 x 38 cm 22
24 Leben, Wolle, gehäkelt, lackiert, 7-teilig in Euro-Gitterbox, 2013, 800 x 1200 x 970 cm (Gitterbox), einzelne Wesen ca. 100 x 30 x 30 cm 23
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26 Matrix, Gummiprofil, gehäkelt, gespannt, 2015, 4-teilig, einzelne Matten im ungedehnten Stadium 40 x 40, 60 x 60, 90 x 90 und 130 x 130 cm 25
27 Matrix, Installationsansicht im Landtag mit Innen und Außen 26
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29 Innen & Außen, je Baumwolltrikot, gehäkelt, Rosendornen, Stahlreif, 2016, 65 x 65 x 55 cm, Installationsansicht in der Garderobe des Landtages 28
30 29 Innen & Außen, Detailansichten
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32 Handtasche, Wolle in Bramscher Rot, gehäkelt, 2015, 45 x 80 x 35 cm Rubin, Wolle in Bramscher Rot, gehäkelt, 2015, 35 x 30 x 30 cm Taschentücher (Bye Bye), Wolle in Bramscher Rot, gehäkelt, 2015, je 30 x 7 x 30 cm 31
33 Bergehalden (Ensdorf), Wollfaden, gestickt, 2015, 30 x 40 cm 32
34 Halden Ensdorf, Göttelborn, Grühling (Saarbrücken), Kleiner Fuji (Saarbr.), Lydia (Quierschied), Maybach, Reden und Victoria (Püttlingen), unsortiert 33
35 Gefallene Bäume, Wollfaden, gestickt, 2015, 30 x 40 cm 34
36 Gefallene Bäume, aus dem saarländischen Forst 35
37 Großer Horst I, Linoldruck, Offsetdruckfarbe auf Papier, 2016, 210 x 110 cm 36
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39 Großer Horst II, Linoldruck, Offsetdruckfarbe auf Papier, 2016, 210 x 110 cm 38
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41 Vom Steinbruch auf s Papier (links oben bis rechts unten) Zeichnen im Steinbruch Michelbach, Schmelz, Linolschnitt, großformatiger Druck mit Straßenwalze als Druckerpresse Großer Horst I, Graphitzeichnung, 2016, 84 x 59 cm 40
42 Großer Horst I, Abzug des Druckpapiers vom Druckstock 41
43 Atelieransicht, 2016 Nachwort Hart und weich, innen und außen, heiß und kalt, künstlich und natürlich, schwarz und weiß das sind Spannungsfelder, die sich bei meiner Installation von Gegensatzpaaren fortsetzen lassen. Es handelt sich um Bezüge und Kontraste, die das Leben spannend machen. Und darum geht es mir in meiner Kunst: Die Alltagswelt und die Kunst in Beziehung zueinander bringen und auf eine Ebene stellen, in der Kunst die Themen des Alltags aufgreifen und im Alltag die Kunst beobachten und das Gewöhnliche erforschen - Schätze, Materialien und Themen vor der Haustüre entdecken. Meine alchimistischen Schöpfungen, Materialstudien und die Suche nach dem Anfang des Fadens bilden meine eigentliche künstlerische Sprache; das Häkeln ist nur eine Möglichkeit, die molekularen Strukturen aufzubauen und sichtbar zu machen. So entstehen Verknüpfungen: Der Stein wird im Steinbruch zu Schotter verarbeitet und von der Straßenwalze, die meine Druckerpresse war, zur Straße gemacht. Das Druckmotiv ist ebenjener Steinbruch. Materialarchiv, 2016 Das Absperrband schreit Achtung, noch ehe man die Hitze der Flammenzungen spürt. 42
44 Der Wollfaden für die Stickereien der Bergehalden und der gefallenen Bäume stammt aus dem Nachlass von Sofie Dawo ( ), der großen saarländischen Textilkünstlerin. Das Wollgarn der roten Gruppe ist aus Bramscher Rot, einem von Schönfärbern hergestellten Farbton, in dem ehemals die Uniformjacken für die Hannoveraner Armee gefertigt waren. Nun entstanden aus dem Garn weibliche Accessoires. Die Spitzenunterhosen bestehen aus Resten der Wäscheindustrie und Rosendornen vom Feld hinter meinem Atelier. Und die Wolle stammt vom Schaf. Und die Welt ist ein Wollknäuel. Katharina Krenkel, August 2016 Dank an: Basalt AG, Südwestdeutsche Hartsteinwerke Steinbruch Michelbach, Jörg Kalmes; Britz Fußbodentechnik, Ralf Enning; dittgen Bauunternehmen GmbH, Renate Dittgen, Francesco Gallace; Druck Kontor Saar, O. W. Himmel; ESGE Maag, Albstadt-Ebingen, Udo Klaiber; Jakobsschafzucht Humes, Manfred und Stefan Brill; Paletten-Vertrieb Reichert GmbH, Evi Reichert-Schirra; Saargummi, Anja Lewer 43
45 Biografie 1966 geboren in Buenos Aires, aufgewachsen in Stuttgart 1986 Hochschulreife Interdisziplinäres Studium an der Hochschule der Bildenden Künste Saar, Grundlehre bei Oscar Hohlweck 1993 Diplom in Kommunikationsdesign seit 89 als freischaffende Künstlerin tätig, Mutter von 4 Kindern, lebt und arbeitet in Köllerbach Arbeiten in Öffentlichen Sammlungen Museen Albstadt Tuchmachermuseum, Bramsche Städel Museum, Frankfurt am Main Modemuseum im Schloß Ludwigsburg Museum Tuch + Technik, Neumünster pro arte, Ulmer Kunststiftung Stadt Saarbrücken Ministerium für Bildung und Kultur, Saarland Landeszentralbank des Saarlandes Stiftung Kulturbesitz Kreis St. Wendel Bibliografie Häkellabor - Soft Sculptures von Katharina Krenkel, Museum Tuch + Technik, Neumünster/Tuchmachermuseum Bramsche (Hrsg.), Neumünster 2014 Katharina Krenkel: Schöpfungsgeschichte - 2. Versuch, Heyne Kunst Fabrik (Hrsg.), Offenbach 2011 Krenkel & Himmel: Gewollt und Gebucht, Saarl. Künstlerhaus (Hrsg.), Saarbrücken, 2006 Katharina Krenkel: Die Welt in Heimarbeit/ O. W. Himmel: Daheim im Archiv, Museum St.Wendel (Hrsg.), St.Wendel, 2003 Katharina Krenkel: Heim, Herd & Hunde, Museum Illingen (Hrsg.), Illingen,
46 Einzelaustellungen 2016 Maschenprobe - Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart Hohenheim 2014 Häkellabor - Museum Tuch + Technik, Neumünster Rosa & Hellblau, FrauenGenderBibliothek Saar, Saarbrücken Crocher en Plein Air - Botanischer Garten + Botanisches Museum Dahlem, Berlin 2015 Fuchs & Hase - Kulturverein Burbach Second Life: Unsterblich als Kunstwerk, Kunstmuseum Albstadt 2013 Schöpfungsgeschichte - 2. Versuch, eine gehäkelte Ausstellung, Museum Beckum, Beckum/Westfalen Es war einmal... - Galerie im Kornhauskeller, Kunststiftung Pro Arte, Ulm Häkellabor - Tuchmacher Museum, Bramsche 2012 Kunst privat - Hessische Unternehmen zeigen ihre Kunstsammlungen, Sammlung Etage 3, Offenbach 2011 Wasser - Ein wanderndes und wachsendes Altartuch, Wanderausstellung durch verschiedene Kirchen im Saarland Schöpfungsgeschichte - 2. Versuch, eine gehäkelte Ausstellung, Heyne Kunstfabrik, Offenbach/Main 45
47 2010 S.O.S - Save our Souls - Rettungsringe im Kirchenschiff. Eine gehäkelte Installation in der Johanneskirche, Saarbrücken 1999 Gehäkelt mit Bouclé Ultra, Kunst im Pavillon, Ottweiler 1998 Heim, Herd & Hunde, Museum Illingen, Illingen Eine gehäkelte Installation in der Stadtkirche, St. Wendel Knochenarbeit - eine Waschperformance, Wiese bei Tailfingen 2009 Schöpfungsgeschichte, Maschenmuseum Tailfingen, Albstadt Die Kunst muß raus in die Welt, aw-magazin, Saarbrücken 2008 Im Alchimielabor, Kulturzentrum Bosener Mühle, Bosen 2006 Krenkel & Himmel: gewollt und gebucht, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken 2005 Wollknäuel und andere Planeten, G. B. Kunst, Trier 2003 Katharina Krenkel: Die Welt in Heimarbeit / O. W. Himmel: Daheim im Archiv Museum St. Wendel, St. Wendel Illustrierte Geschichten, Treppengalerie, Merchweiler 1997 Lessak-Andenken, Kunstbalkon, Kassel 1994 Krenkel & Himmel: Nackt in Mannheim, Heart Gallery, Mannheim 1993 Gestaltung der Herbstschrift 93 des Steirischen Herbstes, Graz 1992 Krenkelbunt, Treppengalerie, Merchweiler Gruppenaustellungen 2015 Neuland - Reiseskizzen und Reiseerinnerungen, Galerie Albstadt DIE TEXTILE - Festival für textile Kunst, Schmallenberg (Installationen im Außenraum, Häkelperformance und Ausstellung Stoffsuche in der Orangerie und in der Alten Mühle im Lennepark) 2000 Aktion Halsschmerz, Deutscher Pavillon, EXPO Hannover 2014 WE CAN MAKE IT - Neuerwerbungen der Galerie Albstadt Häkelkosmos - Deutsches Textilmuseum Krefeld PASSWORT 3 - Zeichenausstellung/Wettbewerb, Handwerksforum, Kassel Vier Elemente: Das Wasser, Kloster Weingarten 46
48 2013 Trauerarbeit - Ludwigshafener Kunstverein, Ludwigshafen/Rhein Kunst privat - Hessische Unternehmen zeigen ihre Kunstsammlungen, Offenbach Jahre Kulturbesitz Kreis St. Wendel, Bosener Mühle, Bosen 2007 Gesteinsformation, CIGL, Schifflange Luxembourg 2005 mit haut und haar, Kunsttempel, Kassel 2004 Postalisch, Saaländisches Künstlerhaus, Saarbrücken Wanderausstellung Schlüpfrig-von Liebestötern und anderen Lustbarkeiten, Maschenmuseum, Albstadt 2003 Zeit-Häkelperformance, Peterstrasse 14; Tag des offenen Denkmals, Görlitz kleinkariert und großgemustert, Kunsthaus Kaufbeuren, Kaufbeuren 2002 STOFF-Malerei Plastik Installationen, Galerie Albstadt, Albstadt Jacke wie Hose, Vestischer Künstlerbund, Recklinghausen Fifty Fifty, Kunsttempel, Kassel Knochenarbeit- Waschperformance, Kulturfabrik, Esch sur Alzette Luxembourg 2006 Alles Fußball-oder was?, Museum St. Wendel, St. Wendel handvollkunst, Handwerkskammer Kassel, Kassel 2001 Zeitgenössische Saarländische Kunst, Landeszentralbank Rheinland-Pfalz, Mainz 2000 Kunstszene Saar-Visionen 2000, Museum St. Ingbert, St. Ingbert Kunst-Bau, Landeszentralbank des Saarlandes, Saarbrücken 1999 Brust-Lust-Frust, Frauenmuseum, Bonn Kunst im Kasten, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken 1996 Sonntagsausflug (Performance) bei Auto, Aktionsraum LKW-Werkstatt, Ludwigshafen BBK-Jahresausstellung, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken 1994 Muttermal, Heart Gallery, Mannheim 1992 Göttinnen, Aktionsraum LKW-Werkstatt, Ludwigshafen 1991 Skulpturen, Objekte, Installationen, Museum St. Wendel, St. Wendel Kunst-Szene-Saar (Landeskunstausstellung), Saarlandmuseum, Saarbrücken Vorsicht Heiß!, Museum Abtei Liesborn, Wadersloh Zeit-Häkelperformance, Kulturfabrik, Esch sur Alzette Luxembourg 1990 Jugend Gestaltet, Sonderschau der Internat. Handwerkermesse, München 1989 Kunst-Szene-Saar (Landeskunstausstellung), Bürgerhaus Neunkirchen, Neunkirchen 47
49 Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung Katharina Krenkel hart & weich im Landtag des Saarlandes vom 26. September bis 28. Oktober 2016 Impressum Herausgeber: Klaus Meiser, Präsident des Landtages des Saarlandes Franz-Josef-Röder-Strasse Saarbrücken Kuratoren: Armin Schmitt, Christoph M. Frisch Autorinnen: Andrea Jahn, Katharina Krenkel Redaktion: Katharina Krenkel, Armin Schmitt Fotografie: Becker & Bredel (S. 3), Ralf Grömminger (S. 6, 7, 46), Gerhard Westrich (S. 9), O. W. Himmel (S. 46), Natacha Wagner (S. 47), Rich Serra (alle anderen) Umschlagfoto: Detail Wasser Gestaltung: Thomas Stopp-Ultes Satz und elektronische Bildbearbeitung: Thomas Stopp-Ultes, Rich Serra Druck: Krüger Druck + Verlag Handwerkstraße Merzig Copyright bei: Landtag des Saarlandes, Katharina Krenkel, den Autoren, den Fotografen, dem Grafiker, Saarbrücken
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Vier Elemente: Das Wasser
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