Beitrag: Braune Kameraden Rechtsextreme in der Bundeswehr

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1 Manuskript Beitrag: Braune Kameraden Rechtsextreme in der Bundeswehr Sendung vom 5. November 2013 von Christian Rohde und Ulrich Stoll Anmoderation: Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass die Nazi-Terrorgruppe NSU aufflog. Sie konnte lange unentdeckt aus dem Untergrund töten und rauben, weil der Staat und seine Geheimdienste versagten. Und bei der Bundeswehr haben sie zwar was gemerkt, aber nichts unternommen. Denn auf der Liste der NSU-Ermittler finden sich lauter Zeitsoldaten, die aus ihrer rechten Gesinnung in der Kaserne keinen Hehl machten. Und trotzdem an Waffen ausgebildet und noch befördert wurden. Eigentlich hat die Armee angeordnet: Wer als Rechtsradikaler auffällt, fliegt raus. Doch die Wirklichkeit ist anders als die Vorschriften. Christian Rohde und Ulrich Stoll haben dafür viele Beispiele. Zu viele. Text: Es ist die Nacht zum 21. Juli Asylbewerberheim Arnstadt. Zwei betrunkene Männer nähern sich dem Gebäude. Die Polizei protokolliert später, was passiert. Polizei-Protokoll: Die Männer zünden Feuerwerkskörper, werfen sie gegen das Heim. Als ein Heimbewohner sie zur Rede stellen will, pöbeln sie ihn an, zeigen den Hitlergruß. Die Angreifer sind Feldwebel der Bundeswehr. Die Friedenstein-Kaserne in Gotha. Hier haben die Zeitsoldaten gedient. Gegen sie wird ermittelt. Keine weitere Auskunft. O-Ton Petra Enders, DIE LINKE, Landrätin: Ich fühle mich von der Bundeswehr nicht gut informiert. Ich hätte mir gewünscht, dass man uns über den aktuellen Stand des Ermittlungsverfahrens informiert und dass man uns vor allen Dingen sagt, wie die Bundeswehr mit solchen Bundeswehrsoldaten umgeht. Wir wollen wissen: Sind in der Kaserne weitere Soldaten als Rechtsextremisten aufgefallen? Die Antwort der Bundeswehr:

2 Nein, es liegen keine Erkenntnisse bezüglich solcher Vorkommnisse vor. Keine Erkenntnisse? Im August 2012 fiel in Gotha schon einmal ein Zeitsoldat als Rechtsextremist in Uniform auf. Das hat es die Bundeswehr selbst aufgelistet: Gotha, Soldat auf Zeit. Der Soldat bezeichnet sich selbst als Neonazi und hält weiterhin Verbindungen zur rechtsextremen Szene aufrecht. Einer von 338 rechtsextremistischen Verdachtsfällen allein im Jahr Beteiligt auch viele länger dienende Zeitsoldaten. Die Liste, die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke. Nur wenige rechtsextreme Soldaten wurden tatsächlich bestraft. O-Ton Ulla Jelpke, DIE LINKE, MdB: Wenn nur 18 Soldaten aus der Armee entfernt werden, dann muss man sich wirklich fragen: Warum lässt man es einfach so hinplätschern und warum können solche Leute weiter wirken in der Bundeswehr? Das ist wirklich ein Skandal. Ein weiteres Beispiel aus der Aufzählung: 15. August Das Sanitätsregiment 32 übt Konfliktverhütung und Krisenbewältigung. Ein Soldat fällt auf. Der Soldat soll... vor dem Mannschaftsheim der Kaserne... Frau Stabsunteroffizier Z. mit Tarnstift ein Hakenkreuz auf ihre Stirn gemalt haben. Beispiel Kaserne Luttmersen. 31. Juli Ein Soldat ruft einem Kameraden syrisch-libanesischer Herkunft hinterher: Das schaut aus, als wäre das der Weg zur Gaskammer. In den 1990er Jahren erschüttern Berichte über rechtsextreme Soldaten die Truppe. Nazi-Feiern in bayerischen Kasernen, Amateurfilme von Soldaten, die Erschießungen und Vergewaltigungen in der Kaserne nachspielen. Es folgen ein Untersuchungsausschuss und das Versprechen des damaligen Verteidigungsministers Rühe, keine Nazis in der Truppe mehr zu dulden. Bis heute gilt das offizielle Leitbild: der Staatsbürger in Uniform. Zuletzt erneuerte Verteidigungsstaatssekretär Kossendey im

3 November 2011 das Versprechen: Weg mit den Braunen Kameraden. Erkannte Rechtsextremisten würden mit allen Mitteln des Dienstrechts bzw. des Rechtsstaates ( ) möglichst schnell aus der Bundeswehr entlassen. Jürgen Rose schied vor drei Jahren als Oberstleutnant aus der Bundeswehr aus. Der Offizier ist überzeugt: Die Bundeswehr habe nach wie vor Probleme mit Rechtsextremisten. O-Ton Jürgen Rose, Oberstleutnant a.d.: Die Bundeswehr ist wie jedes Militär anfällig und attraktiv für Rechtsradikale, Rechtsextremisten, auch Nazis, weil sie eben eine Vielzahl von Komponenten anbietet, die sie attraktiv macht. Also nicht nur die Hierarchie, das Uniform tragen, die Möglichkeit, Befehle zu geben und Macht auszuüben, sondern eben auch ganz besonders der Umgang mit verschiedensten Sorten von Waffen, mitunter eben auch Sprengstoffausbildung, Einzelkämpferausbildung und solche Dinge. Rose bekam selbst den Hass nationalistischer Soldaten zu spüren. Als er sich kritisch zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr äußerte, schickte ihm ein Hauptmann eine Mail: Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln danach ausrichten, diesen Feind... zu zerschlagen... O-Ton Jürgen Rose, Oberstleutnant a.d.: Das wirkte bedrohlich, ich habe das sofort zur Meldung gebracht. Nur es wurde dann natürlich völlig unzureichend eingeschritten, der Mann wurde im Grunde genommen gedeckt. Der Hauptmann kam mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme davon. Die Zentrale des Militärischen Abschirmdienstes in Köln. Der MAD soll Rechtsradikale aufspüren, damit sie aus der Truppe entfernt werden. Doch er versagte kläglich. Das zeigt sich jetzt beim NSU-Prozess in München. André E. ist als Unterstützer der NSU-Terroristen angeklagt. Schon während seiner Bundeswehrzeit war er bekennender Nationalsozialist. Das geht aus E.s Bundeswehr-Personalakte hervor. In Befragungen durch Vorgesetzte und MAD bekannte er: Ich denke nationalsozialistisch. Und weiter: Ja, ich habe eine Tätowierung Blut und Ehre, da ich die militärische Leistung der SS bewundere. O-Ton Hans-Christian Ströbele, B 90/Grüne, MdB, NSU- Untersuchungsausschuss: Herr E. hätte, nach allem was wir heute wissen, sofort aus der Bundeswehr sofort entfernt werden müssen. Man hätte sofort ein Disziplinarverfahren durchführen müssen, weil es musste allen

4 klar sein, dass von diesem Mann, wenn er noch an Sprengstoff und Waffen ausgebildet wird, wenn er eine militärische Grundausbildung bekommt, eine große Gefahr ausgehen konnte. Der als Nazi erkannte Soldat wurde an schweren Waffen ausgebildet das belegt sein Schießbuch. Und sein Kompaniechef überreichte ihm die Beförderung zum Gefreiten. Das Bundeskriminalamt hat mutmaßliche NSU-Unterstützer auf einer Liste erfasst. Jeder dritte Mann auf der Liste diente in der Bundeswehr, wurde an Waffen ausgebildet. Die MAD-Ermittler stoppten die braunen Kameraden nicht. O-Ton Hans-Christian Ströbele, B 90/Grüne, MdB, NSU- Untersuchungsausschuss: Vor allen Dingen die Gefahren, die aus der Gesinnung, aus einer nationalsozialistischen Gesinnung, die zum Teil ja ganz offen geäußert worden ist, die haben sie unterschätzt. Sie haben immer nur geguckt, liegt ein schlimmer Straftatbestand vor. Und wenn das nicht der Fall war, dann haben sie die Leute weiter dienen lassen, haben sie sogar befördert und haben nicht eingegriffen. Zum Umfeld des NSU zählen die Ermittler auch David Petereit. Heute sitzt er für die NPD im Schweriner Landtag. Auch er musste als Soldat den MAD nicht fürchten. In der Kaserne übte er für sich - verbotene rechtextreme Lieder. Die Bundeswehr beschlagnahmte sein Liederbuch. Darin ein Text in Petereits Handschrift, das die ermordeten Juden verhöhnt: Seine Frau, die war in Ravensbrück und kam angeblich nie zurück. Sie hatte schon immer diese schlimme Allergie. Sie vertrug kein Zyklon B. Ist das Ihre Schrift? Was sagen Sie dazu? Warum haben Sie so was gesungen, Herr Petereit? Wann haben Sie das gedichtet? O-Ton David Petereit, NPD, MdL Mecklenburg-Vorpommern: Totaler Quatsch. Totaler Quatsch? Petereit sagt aus, er habe das Lied bei anderen gehört und abgeschrieben, aber nie gesungen. Das Truppengericht lehnte einen Disziplinararrest ab. Petereit wurde zum Hauptgefreiten befördert und war sogar als Reservist für Auslandseinsätze vorgesehen. Nach der Bundeswehr war Petereit Herausgeber der rechten Zeitschrift Der weiße Wolf. Dort erschien 2002 folgender Text: Vielen Dank an den NSU. Es hat Früchte getragen. Der Kampf geht weiter. Offenbar wusste Petereit also damals schon vom NSU-Terrortrio.

5 Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos lebten bereits im Untergrund. Der NSU hatte seine ersten Morde verübt. Wir fragen nach beim MAD. Kein Interview. Auch auf schriftliche Nachfrage reagiert der Bundeswehr-Geheimdienst nicht. Burkhard Hirsch, früherer Landesinnenminister der FDP, ist Mitglied einer Expertenkommission, die die Arbeit der Sicherheitsdienste überprüfte. Glauben Sie hier, dass der MAD seine Aufgabe gut erledigt hat, Extremisten aus der Bundeswehr zu entfernen? O-Ton Burkhard Hirsch, FDP, Expertenkommission Sicherheitsgesetze: Wenn man die Erfahrung aus den NSU-Vorgängen zieht, dann muss man wohl sagen: Nein. Ich halte ihn als eigene Behörde für überflüssig. Ich kann überhaupt nicht erkennen, dass die Bundeswehr zum Verfassungsschutz eine eigene Behörde braucht. Der MAD, offenbar auch überfordert beim Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Feldlager Kunduz, ein Vorfall im März 2012: Der Soldat soll dreimal Sieg gerufen haben, aus einer Nachbarstube wurde mit Heil geantwortet. Feldlager Masar-i-Sharif, August 2012: Der Soldat soll ein afghanisches Kind zum Deutschen Gruß genötigt haben. Die Bundeswehr bis heute anfällig und attraktiv für Rechtsextreme weil der MAD versagt und die Bundeswehrführung nicht eingreift. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.