Weihnachtsgeld nach Verkauf des Betriebs?
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- Christin Bruhn
- vor 8 Jahren
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1 Weihnachtsgeld nach Verkauf des Betriebs? Anspruch auf Sonderzahlung aus nachwirkendem Tarifvertrag nach Betriebsübergang, Betriebsvereinbarung als ablösende Regelung vgl. BAG NZA 2002, 41 und BAG NZA 2008, 542 Sachverhalt Gabelstaplerfahrer Anton ist seit 1995 bei der Feinkost-GmbH Müller beschäftigt und seit 2002 Betriebsratsvorsitzender des ca. 130 Arbeitnehmer zählenden Betriebs in Horb. Für sein Arbeitsverhältnis zur M-GmbH galt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag (MTV) der Ernährungswirtschaft Baden-Württemberg vom 19. August 1999 unmittelbar und zwingend. Am 31. Dezember 2002 ist die M-GmbH aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausgetreten, zum 31. Dezember 2003 ist der MTV von der tarifschließenden Gewerkschaft NGG gekündigt worden. Nach 12 Ziff. 1 des MTV erhalten Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tag im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, eine Jahressondervergütung für das Jahr 2003 in Höhe von 65 % des tariflichen Monatsentgelts. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten verkaufte die M-GmbH ihren Betrieb in Horb mit Wirkung vom 1. September 2005 an die nicht tarifgebundene Feinkost-GmbH Engelbrecht. Diese unterhält bereits einen Feinkostbetrieb in Freudenstadt. Fortan wurde in beiden Betrieben Feinkost aus Gemüse und Fleisch hergestellt; die M GmbH hatte zuvor auch Margarine produziert. Im Betrieb der E-GmbH in Freudenstadt war 2002 ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt worden, der sich infolge des Ausscheidens von zwei Mitgliedern und des Fehlens von Ersatzmitgliedern im Jahre 2005 auf drei Mitglieder verringert hatte. Am 11. Juni 2005 unterschrieb die Betriebsratsvorsitzende Bauer eine "Betriebsvereinbarung zur Absicherung der Arbeitsbedingungen (BV 2005). 7 Ziff. 1 der Betriebsvereinbarung lautet: Klausurenpool SPB Unternehmensrecht SPB-Klausur 1 1
2 "Mit der Entgeltzahlung im November eines Jahres erhalten alle Beschäftigten des Betriebs eine weitere Jahressonderzuwendung. Über die Höhe dieser Sonderzuwendung wird im Oktober eines Jahres zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verhandelt, wobei die voraussichtliche Ertragslage des Unternehmens zu berücksichtigen ist." Die E-GmbH setzte die Höhe der Sonderzuwendung 2005 auf 350 Euro fest und zahlte sie an die Arbeitnehmer beider Betriebe. Der weiterhin im Betrieb Horb bestehende Betriebsrat der ehemaligen M-GmbH wurde nicht beteiligt. Anton möchte sich nicht mit der Sonderzuwendung von 350 Euro begnügen und fordert von der E-GmbH die Differenz aus der nach 12 Ziff. 1 MTV für das Jahr 2005 zu zahlenden Sonderzuwendung und dem gezahlten Betrag in Höhe von unstreitig 793,18 Euro brutto. Er vertritt die Ansicht, dass die BV 2005, die die E-GmbH mit dem Betriebsrat in Freudenstadt abgeschlossen habe, für die Arbeitsverhältnisse der in der Betriebsstätte Horb Beschäftigten keine Geltung beanspruchen könne und beauftragt seinen Gewerkschaftssekretär mit der Erstattung eines Rechtsgutachtens. Aufgabe 1: Fertigen Sie das Gutachten des Gewerkschaftssekretärs und klären Sie dabei ggf. hilfsgutachtlich alle im Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen. Aufgabe 2: Ändert sich die Lösung, wenn Anton nicht tarifgebunden wäre, aber in seinem Arbeitsvertrag eine Klausel stehen hätte, wonach für sein Arbeitsverhältnis die jeweils gültigen Bestimmungen des Manteltarifvertrags gelten sollten? Klausurenpool SPB Unternehmensrecht SPB-Klausur 1 2
3 Aufgabe 1: Lösung A gegen E-GmbH auf die restliche Sonderzuwendung ihv 793, 18 aus 611, 613a I 2 BGB ivm 4 V TVG 1. Nachwirkung des 12 Ziff. 1 MTV aus vormaligen ArbVerh. mit M-GmbH Ursprüngliche Geltung des MTV zwischen A und M-GmbH aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit, 3 I, 4 I TVG Nachwirkung ab wegen fristgemäßer Kündigung des MTV, 4 V TVG Auswirkungen des Verbandsaustritts der M-GmbH? o 3 III TVG; grds. Bestehenbleiben der Tarifgebundenheit o Nachwirkung nach 4 V TVG kann sich an Nachbindung gem. 3 III TVG anschließen 12 Ziff. 1 MTV kann grds. weiterhin nachwirkend tarifliche Wirkung für entfalten gem. 4 V TVG (analog) 2. Entfallen/Modifikation des Anspruches zum durch BÜ auf E-GmbH? a) BÜ +, rechtsgeschäftlicher Inhaberwechesel unter Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit b) Übergang auch nachwirkenden Tarifnormen? 613a I 2 BGB o Inhaltsschutzfunktion des 4 V TVG entspricht Konditionenschutz beim BÜ o Daher gehen grds. auch nachwirkende Tarifnormen über, aber keine Geltung der einjährigen Veränderungssperre in diesem Fall c) Verdrängung der tariflichen Regelung durch die BV a I 3 BGB o Formelle Gültigkeit der BV 2005? Grds. Pflicht zur BR-Wahl, da Absinken unter die gesetzliche Mindestzahl, 13 II Nr. BetrVG Klausurenpool SPB Unternehmensrecht SPB-Klausur 1 3
4 Aber: 22 BetrVG, Weiterführung der Geschäfte bis zur Neuwahl möglich o Ablösung der tariflichen Regelungen durch BV 2005? Problem: Sog. Überkreuzablösung Wortlaut von 613a I 3 BGB lässt sowohl die Auslegung hinsichtlich der Zulässigkeit als auch der Unzulässigkeit zu ( andere / oder ) Prinzip des Tarifvorrangs ( 77 III BetrVG) kann nicht außer Kraft gesetzt werden Jedenfalls außerhalb des Bereichs der zwingenden Mitbestimmung ist eine Überkreuzablösung ausgeschlossen (BAG NZA 2008, 542)! Aber: bei zwingendem MBR (vgl. 87 I Nr. 10 BetrVG) muss Ablösung durch BV möglich sein, da Tarifnorm selbst nur noch nachwirkt, d. h. nicht mehr zwingend ist. Sie könnte nach 4 V TVG ohnehin durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Grds. Ablösung durch BV 2005 möglich Vorauss: Wirksamkeit der BV 2005 auch für Betrieb in Horb Räumlich/betriebliche Geltung auch für übernommenen Betrieb in Horb? BR bleibt bei BÜ im Amt, wenn Betrieb erhalten bleibt 613a BGB nicht zu entnehmen, dass alle AN eines Unternehmens gleich zu behandeln sind Vielmehr Eingliederung der übernommenen AN nicht ohne Beachtung ihrer eigenständigen kollektiven Rechte Vorauss. des 613a I 3 BGB nicht gegeben o Tarifliche Regeln nicht durch BV 2005 abgelöst o 3. Ergebnis Keine Ablösung der tariflichen Sonderzuwendung A hat Anspruch gegen E-GmbH auf die restliche Sonderzuwendung ihv 793, 18 aus 611, 613a I 2 BGB ivm 4 V TVG Klausurenpool SPB Unternehmensrecht SPB-Klausur 1 4
5 Aufgabe 2: A gegen E-GmbH auf die restliche Sonderzuwendung ihv 793, 18 aus 611, 613a I 1 BGB Im AV des A ist eine sog. kleine dynamische Bezugnahmeklausel enthalten Auslegung des BAG vor Schuldrechtsreform als Gleichstellungsabrede Neue Rspr.: AGB-Kontrolle von Bezugnahmeklausel Spielt hier jedoch keine Rolle, da es nicht um neue tarifliche Ansprüche geht, sondern um den alten nachwirkenden Anspruch auf tarifliche Sondervergütung Daher: 1. Inhalt des nachwirkenden TV wurde kraft Bezugnahme zum arbeitsvertraglichen Inhalt 2. Dieser Inhalt ist kraft der allgemeinen Regel 613a I 1 BGB auch für den neuen Betriebsinhaber verbindlich. 3. BV 2005 kann mangels betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeit die Arbeitsbedingungen des A nicht erfassen (vgl. Aufgabe 1) 4. Aber: Wäre eine Ablösung durch Betriebsvereinbarung möglich? Inhalt des Arbeitsvertrages geht nach 613a I 1 BGB auf den neuen Inhaber über. 613a I 3 gilt nicht! Ergebnis: A hat Anspruch gegen E-GmbH auf die restliche Sonderzuwendung ihv 793, 18 aus 611, 613a I 1 BGB Klausurenpool SPB Unternehmensrecht SPB-Klausur 1 5
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