Bodo Ramelow Thüringer Ministerpräsident Begrüßung. Sonntag, 12. April 2015, Uhr Deutsches Nationaltheater Weimar
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- Inken Lenz
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1 Sperrfrist: Redebeginn Es gilt das gesprochene Wort! Anrede, Bodo Ramelow Thüringer Ministerpräsident Begrüßung EUROPÄISCHER GEDENKAKT ANLÄSSLICH 70. JAHRESTAG DER BEFREIUNG DES KZ BUCHENWALD UND MITTELBAU DORA Sonntag, 12. April 2015, Uhr Deutsches Nationaltheater Weimar von ganzem Herzen begrüße ich die Überlebenden Häftlinge der Hölle von Buchenwald. Ich freue mich, dass heute Frau Eva Pusztai, Herr Floréal Barrier und Herr Zoni Weisz zu uns sprechen werden. Erlauben Sie mir, dass ich einen weiteren ehemaligen Häftling und einen US-Kriegsveteranen namentlich nenne. Herr Prof. Charles Robert Harmon gehörte als Gefreiter in den Reihen der US-Armee zu den Befreiern Weimars. Er begeht heute seinen 90. Geburtstag und ich möchte ihm recht herzlich gratulieren und alles Gute wünschen. Thomas Geve und Floréal Barrier haben in Bild und Wort die Befreiung Buchenwalds festgehalten. Wir sind frei lautet eine Zeichnung von Thomas Geve, die bildlich den Moment der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald festhält. Floréal Barrier beschreibt den Moment der Befreiung wie folgt, ich zitiere: Am 11. April 1945 fanden die amerikanischen Streitkräfte das große Lagertor offen! Der Mut, der Wille der Häftlinge und der ihres Widerstands ermöglichten den Gefangenen, mit der Waffe in der Hand, die Tore der Hölle zu öffnen und diejenigen zu empfangen, die uns die Freiheit brachten. Keiner von uns kann oder möchte sich in die Lage der KZ-Häftlinge und der usamerikansichen Soldaten in jenen entscheidenden Stunden des 11. April 1945 versetzen. Die Häftlinge sahen ihre Peiniger fliehen oder konnten sich ihrer Gewalt entziehen. In ihnen keimte die Hoffnung auf ihre Freiheit und vor allem auf ein Überleben der Hölle von Buchenwald auf. Und dennoch mussten sie noch immer um ihr Leben bangen, wie all die schreckliche Zeit im Lager zuvor. Gleichzeitig drangen US-Truppen auf den Ettersberg vor. Ihre Feinde waren seit der Landung in der Normandie nicht die Deutschen als Deutsche, sondern der deutsche
2 1 Hitler-Faschismus mit seinen tod- und Vernichtung bringenden Spießgesellen, die Mord und Völkermord als ein legitimes Mittel zur Durchsetzung einer menschverachtenden Ideologie und Raub- und Eroberungspolitik betrachteten. Seit dem 6. Juni 1944 waren sie täglich Todesgefahren oder Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt. Aber sie hatten noch nicht alles erlebt, was Menschen Schreckliches erleben können. Ich verneige mich vor allen KZ-Häftlingen und Opfern der Konzentrationslager, an denen grausame Verbrechen verübt wurden und die unermessliche Leiden auf sich genommen haben. Mein Dank gilt allen KZ-Häftlingen und Opfern einer verbrecherischen Gewaltherrschaft für ihren Widerstand gegen das mörderische menschenverachtende NS-Regime. Ich möchte mich bei den Soldaten aller Armeen und ihren gefallenen oder kriegsversehrten Kameraden bedanken, die unser Land von der Hitler-Barbarei befreit haben. Sie mussten Unvorstellbares erleben als sie in der Roten Armee Auschwitz, in der US-Armee Buchenwald, in der Royal Army Bergen-Belsen oder als Kämpfer der Resistance in den Reihen der Alliierten Natzweiler Struthof befreiten. Wie die US-Soldaten hinter dem Eingangstor von Buchenwald sahen sie in den Lagern die Apokalypse: ausgezehrte, abgemagerte Gestalten, die sich völlig entkräftet kaum noch auf den Beinen halten konnten. Mehr Tod als lebendig kamen ihnen die KZ-Häftlinge entgegen. Jetzt wussten sie, wofür sie all die langen Monate gekämpft hatten. Sie hatten damit verhindert, dass diese, ihre menschlichen Brüder, in letzter Sekunde Opfer von Barbaren wurden. Der Kampf der US-Soldaten und der Widerstand der Häftlinge gegen die Faschisten führten zum Sieg der Freiheit über den Nazismus. 1
3 2 Der zynische Spruch am Lagertor: Jedem das Seine hatte seinen Sinn verloren. Mehr als acht Jahre bedrohte er die Häftlinge, die jeden Tag den Tod, Folter und körperliche Misshandlungen erlebten. Jedem das Seine war die Stigmatisierung aller, die nicht in das Bild einer menschenverachtenden Volksgemeinschaft passten: Juden, Kommunisten, Sinti und Roma, Christen, Homosexuelle, Kriegsgefangene, Menschen mit Behinderungen und viele andere. Sie alle wurden Opfer des Nazismus. Die Überlebenden KZ-Häftlinge haben uns und der Menschheit den Schwur von Buchenwald als ihr Vermächtnis hinterlassen. Darin heißt es, ich zitiere: Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Dieser Schwur ist heute der Grundkonsens unseres demokratischen Selbstverständnisses in Thüringen. Vernichtung des Nazismus, das Bekenntnis zu Frieden und Freiheit bestimmen unser demokratisches Miteinander, den Thüringer Weg. Bei der Verteidigung unserer Demokratie und der Unantastbarkeit der Würde des Menschen stehen Regierung und alle Demokraten, unabhängig von ihrem Parteibuch, Seite an Seite. Deshalb erschüttert uns die hinterhältige Schändung der KZ-Gedenkstätte Jonastal wenige Stunden nach dem Gedenken an die Opfer. Deshalb verurteilen wir den abscheulichen Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Tröglitz. Angesichts dieser menschenfeindlichen Taten müssen wir Demokraten noch mehr und überall Gesicht zeigen. Wir müssen unsere Stimme erheben, wenn Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass immer offener zu Tage treten. Wenn die Brandstifter von heute dem Geist der Mordbrenner von damals folgen und geplante Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber in Brand stecken. 2
4 3 Statt zu streiten, ob Tröglitz überall sein könnte, geht es jetzt darum, zu verhindern, dass es ein weiteres Tröglitz gibt. Deshalb brauchen wir jetzt ein schnelles Handeln der Zuständigen und einen Aufstand der Anständigen. Dadurch könnte und müsste der berühmte Ruck durch unser Land gehen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land mutig wie der Bürgermeister von Tröglitz und der Landrat des Burgenlandkreises dazu bekennen, Flüchtlingen und Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf und damit eine Heimat zu geben. Aus humanitärer Pflicht und aus christlicher Nächstenliebe wollen wir alle Menschen willkommen heißen, die ihre Heimat auf der Flucht vor Krieg und Bürgerkrieg verlassen mussten. Wir wollen sie begrüßen und behandeln als unsere menschlichen Brüder, die unserer Hilfe bedürfen. Deshalb bin ich stolz auf die Thüringer und Weimarer Zivilgesellschaft, die sich aktiv und nachhaltig dafür einsetzen, dass Flüchtlinge und Asylbewerber bei uns in Thüringen willkommen sind! Die Thüringer Zivilgesellschaft fühlt sich dem Erbe des Schwurs von Buchenwald verpflichtet und erfüllt diesen Eid mit ihrem Engagement gegen Nazismus mit Leben. Dieses Engagement der Zivilgesellschaft steht für ein weltoffenes Thüringen. Deshalb heißen wir Flüchtlinge und Asylbewerber als Opfer von Krieg und Verfolgung aus humanitärer Pflicht und in der Erfüllung des Vermächtnisses der Häftlinge von Buchenwald in unserem Land willkommen. Viele Menschen aus Europa wurden von 1938 bis 1945 als erniedrigte Arbeitssklaven und Todeskandidaten in das KZ Buchenwald verschleppt. Die Gedenkplatte auf dem Appellplatz erinnert auf 37 Grad Körpertemperatur gehalten 3
5 4 an Ermordete aus 54 Opfer-Nationalitäten, an Juden, Sinti und Roma sowie Staatenlose. Heute führt der Weg in die Freiheit viele Flüchtlinge nach Thüringen, in der Hoffnung, dass ein Traum für sie Wirklichkeit wird. Dieser Traum lautet: Wir sind frei! *** 4
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