Frozen desert alive Flores, Hauke

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1 Frozen desert alive Flores, Hauke IMPORTANT NOTE: You are advised to consult the publisher's version (publisher's PDF) if you wish to cite from it. Please check the document version below. Document Version Publisher's PDF, also known as Version of record Publication date: 2009 Link to publication in University of Groningen/UMCG research database Citation for published version (APA): Flores, H. (2009). Frozen desert alive: The role of sea ice for pelagic macrofauna and its predators s.n. Copyright Other than for strictly personal use, it is not permitted to download or to forward/distribute the text or part of it without the consent of the author(s) and/or copyright holder(s), unless the work is under an open content license (like Creative Commons). Take-down policy If you believe that this document breaches copyright please contact us providing details, and we will remove access to the work immediately and investigate your claim. Downloaded from the University of Groningen/UMCG research database (Pure): For technical reasons the number of authors shown on this cover page is limited to 10 maximum. Download date:

2 Auf dem Meer um die Antarktis erstreckt sich alljährlich eine Eisdecke, die doppelt so groß ist wie Europa. Das Packeis dieses als saisonale Meereiszone (SMZ) bezeichneten Gebiets wird von Menschen oft als eine lebensfeindliche Eiswüste wahrgenommen. Trotz der extremen Bedingungen aber beherbergt die SMZ eine bemerkenswerte Vielfalt an Lebensformen und biologische Ressourcen von globaler Bedeutung, wie den antarktischen Krill (Euphausia superba). Der biologische Reichtum der SMZ ist deutlich erkennbar an den großen Beständen von Pinguinen, anderen Vögeln, Robben und Walen in diesem Gebiet. Viele dieser Tiere kommen allein im antarktischen Ozean vor und sind international geschützt. Durch die globale Erwärmung beginnt sich die Ausdehnung des Meereises in manchen Regionen der Antarktis bereits zu verändern. Es ist also dringend notwendig, die ökologische Bedeutung des Meereises zu verstehen, um zukünftige Reaktionen des Ökosystems besser vorhersagen zu können. In dieser Dissertation sind acht Studien zusammengestellt, die sich mit der Struktur des Nahrungsnetzes, der Artzusammensetzung und der räumlichen Verbreitung von Tieren in der antarktischen SMZ auseinandersetzen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Rolle der Eis Wasser Grenzschicht für Organismen, die Biomasse und Energie vom Meereis in jene Nahrungsketten transferieren, von denen die Vögel und Säugetiere der SMZ abhängig sind. Frei driftende, mikroskopisch kleine Algen (Phytoplankton) produzieren fast die gesamte Biomasse des offenen Ozeans. In ozeanischen Nahrungsketten werden diese planktonischen Algen von tierischem Plankton (Zooplankton) gefressen, das wiederum als Nahrung für Fische und Tintenfische dient, die ihrerseits die Beute der Meeresvögel und Säugetiere oder großer Raubfische sind. Im antarktischen Ozean kann antarktischer Krill die Funktion von Zooplankton und Fisch bzw. Tintenfisch in der Nahrungskette übernehmen. Nahrungsuntersuchungen am Bändereisfisch (Champsocephalus gunnari) und am Scotia See Eisfisch (Chaenocephalus aceratus) aus dem Gebiet der Süd Shetland Inseln deuten darauf hin, dass Krill eine wesentliche Rolle im dortigen Nahrungsnetz spielt. In drei aufeinanderfolgenden Sommern bestand die Nahrung der Bändereisfische fast ausschließlich aus antarktischem Krill. Auch junge Scotia See Eisfische fraßen vor allem Krill. Ihre älteren Artgenossen allerdings zogen Fisch als Nahrungsquelle vor (Kapitel 2). Die Süd Shetland Inseln gehören zu einer biologisch hochproduktiven Region an der antarktischen Halbinsel, in der antarktischer Krill durch Meeresströmungen stark angereichert wird. Aufgrund von Untersuchungen in diesem Gebiet nimmt man allgemein an, dass antarktischer Krill der Schlüsselorganismus für die Energieübertragung im antarktischen Nahrungsnetz ist. Zweifel an dieser Annahme aber werden von einer wachsenden Anzahl nahrungsökologischer Untersuchungen hervorgerufen. Diese Arbeiten zeigen, dass die meisten Vögel und Säugetiere der SMZ vor allem von Fisch und Tintenfisch leben. Die nahrungsökologische Bedeutung eines Organismus hängt sehr von seinem Nährwert ab. In Kapitel 3 wurde deshalb der 14

3 Energiegehalt von drei häufig vorkommenden Fischarten in der Lazarevsee untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Fische der Leuchtsardinenart Electrona antarctica während ihres ersten Lebensjahres sehr schnell Energiereserven aufbauen. Bemerkenswerterweise war der durchschnittliche Energiegehalt der Leuchtsardinen mehr als doppelt so hoch wie der des antarktischen Krill. Die Proben für die Energiebestimmungen wurden im Rahmen einer Studie zur Artzusammensetzung, räumlichen Verteilung und Abundanz von Fischen und Fischlarven in den oberen 200 m der Lazarevsee gewonnen (Kapitel 4). Electrona antarctica war mit Abstand die häufigste Fischart im offenen Ozean. Die Nahrung der Leuchtsardinen bestand vor allem aus Ruderfußkrebsen. Berechnungen ergaben, dass die in den Leuchtsardinen der oberen 200 m gespeicherte Energiemenge mehr als ein Drittel so groß war wie die der Krillpopulation in der Lazarevsee. Da sich aber viele Leuchtsardinen unterhalb 200 m Tiefe aufhalten, war die Energiemenge der gesamten Fischpopulation womöglich ebenso groß wie die des Krillbestandes. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Fische einen hohen Anteil im Energiehaushalt des Ökosystems ausmachen und stellt das klassische, krillzentrierte Modell des antarktischen Nahrungsnetzes in Frage. Das Wachstum von Algen ist von Licht abhängig. Da aber das Phytoplankton oft in lichtarme Tiefen sinkt, kann es kaum wachsen, wenn der Lichteinfall zusätzlich durch die Packeisdecke vermindert wird. Trotzdem zeigt ein anhaltend hoher Nahrungsbedarf von Vögeln und Meeressäugetieren auch hunderte Kilometer entfernt vom Eisrand hohe biologische Produktivität an. Im Gegensatz zu Phytoplankton bleiben Mikroalgen, die an der Unterseite der Eisschollen wachsen, immer in der lichtdurchfluteten Oberflächenschicht. Diese Eisalgen produzieren wahrscheinlich genug Biomasse, um die reichhaltigen Lebensgemeinschaften der SMZ zu unterhalten. Die Ergebnisse eines Pinguin und Robben Surveys im selten untersuchten Packeisgebiet des inneren Weddellmeeres bestätigten die Annahme, dass das tiefe Packeis beträchtliche Bestände von Warmblütern beherbergen kann (Kapitel 5). Die Abundanz von Pinguinen und Robben war hier ebenso hoch, wie es von weiter nördlich gelegenen, offeneneren Gewässern bekannt ist. Die Krabbenfresserrobbe (Lobodon carcinophaga) war die häufigste Art. In einem neuartigen Ansatz wurde der Robben und Pinguinsurvey mit kontinuierlichen Eisdickenmessungen kombiniert. Die statistische Auswertung ergab, dass die räumliche Verteilung von Krabbenfresserrobben in starkem Zusammenhang mit Wassertiefe und Eisdicke steht. Dieses Ergebnis veranschaulicht den deutlichen Einfluss des Meereises auf die räumliche Verteilung von Tieren in der Antarktis. Wenn das Ökosystem der SMZ in großem Maße von der Produktion der Eisalgen abhängt, müssen biologische Ressourcen vom Meereis über die Eis Wasser Grenzschicht in das Nahrungsnetz der Wassersäule gelangen. Die Unterseite des Eises aber ist unerreichbar für konventionelle Netze oder Sonare. Aus diesem Grund wurde bei Wageningen IMARES ein neuartiges Beprobungsgerät entwickelt, das Surface and Under Ice Trawl (SUIT; engl.: Oberflächen und Unter Eis Schleppnetz). In 15

4 küstennahen Gewässern der Antarktis leben einige Flohkrebsarten an der Unterseite des Eises. Während einer Studie, die großenteils in den Hochseegebieten des Weddellmeeres und der Lazarevsee durchgeführt wurde, wurden Flohkrebse in Köderfallen, von Tauchern und mit dem SUIT gesammelt (Kapitel 6). Die sechs in der Eis Wasser Grenzschicht gefundenen Flohkrebsarten sind der erste Nachweis eisassoziierter Flohkrebse im offenen Ozean der Antarktis. Die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft in der Eis Wasser Grenzschicht wurde mit dem SUIT erstmalig quantitativ und weiträumig zu verschiedenen Jahreszeiten untersucht (Kapitel 7). Überraschend viele Arten wurden in den oberen zwei Metern sowohl unter Eis als auch im offenen Wasser vorgefunden. Unter Berücksichtigung zahlreicher Umweltparameter konnte mit einer statistischen Analyse gezeigt werden, dass die Artzusammensetzung der Oberflächenschicht im Sommer und im Herbst vor allem durch Eigenschaften des Meereises bestimmt wird. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Eis Wasser Grenzschicht eine überraschende Vielfalt von Lebensformen anzieht. Dies legt eine starke Wechselwirkung zwischen der eisassoziierten Artgemeinschaft und dem Nahrungsnetz in der Wassersäule nahe. Eine zweite SUIT Studie erbrachte den ersten jahreszeitenübergreifenden Nachweis der räumlichen Verteilung und Abundanz von antarktischem Krill in den oberen zwei Metern der Wassersäule unter Eis und im offenen Wasser (Kapitel 8). Die höchste durchschnittliche Abundanz von antarktischem Krill wurde unter winterlichem Packeis gemessen. Der niedrigste Wert wurde im nahezu eisfreien Herbst erreicht. Im Sommer war die Abundanz des Antarktischen Krill in der Eis Wasser Grenzschicht deutlich höher als in der eisfreien Oberflächenschicht. Ein Vergleich mit Daten von tiefer fischenden Netzen zeigte, dass die durchschnittliche Abundanz (Krill pro m 2 ) in den zwei Metern unter dem Eis im Winter und Sommer höher war als im gesamten m Tiefenbereich. Diese Ergebnisse legen nahe, dass eisbedeckte Gewässer wesentlich mehr biologische Ressourcen enthalten können, als aus den üblichen Beprobungen der Wassersäule mit Netzen oder Sonaren hervorgeht. Darüber hinaus unterstreicht die große Bedeutung des Meereises für antarktischen Krill und viele andere Arten die Empfindlichkeit des Ökosystems für Veränderungen von Struktur und Ausdehnung der Eisbedeckung in Raum und Zeit. Diese Studien zeigen, dass das speziell entwickelte SUIT wertvolle neue Einsichten in die Struktur des Ökosystems der antarktischen SMZ ermöglicht, die mit konventioneller Beprobungsmethodik nicht gewonnen werden können. In Kapitel 9 wurde die Eignung des SUIT zur repräsentativen Beprobung von Zooplankton, Fischen und Tintenfischen kritisch untersucht. Zu diesem Zweck wurden Echtzeit Strömungsmessungen in der Netzöffnung, die Artzusammensetzung und die Größenzusammensetzung des Fanges herangezogen. Die Strömungsmessungen zeigten einen gleichmäßigen Einstrom von Wasser in das Netz, der standardisierte Abundanzbestimmungen ermöglicht. Die Fangzusammensetzung des SUIT beinhaltete Tiere in der Größenordnung von Kleinkrebsen (unter 1 mm) bis zu ausgewachsenen 16

5 Fischen und Tintenfischen. Die Längenverteilung von antarktischem Krill aus dem SUIT war nahezu identisch mit derjenigen aus parallel eingesetzten etablierten Netzen mit ähnlicher Maschenweite. Obwohl einige Fische und Tintenfische vielleicht in der Lage sind, dem Netz zu entkommen, kann angenommen werden, dass SUIT ein verlässliches quantitatives Beprobungsgerät für Tiere bis mindestens zur Größe von ausgewachsenem antarktischem Krill ist. Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten liefern neue und direkte Daten, die auf eine entscheidende Bedeutung des Meereises für die Produktivität und die Biodiversität der SMZ hindeuten. Daneben wurden starke Hinweise auf ein deutlich komplexeres Nahrungsnetz in der ozeanischen SMZ gefunden, als es herkömmliche krillzentrierte Modelle nahelegen. Im Rahmen globaler Klimaveränderungen können diese Erkenntnisse zu einer besseren Einschätzung der Reaktion antarktischer mariner Ökosysteme auf Veränderungen des Meereislebensraums beitragen. Ein besseres Verständnis der zukünftigen Entwicklung mariner Ökosysteme ist sowohl bedeutsam für die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen als auch für den Naturschutz in der Antarktis. 17