Haare und durch meinen ganzen Körper fließen.»ich bin so froh, dass wir uns gefunden haben, Arub«, flüsterte er. Plötzlich spürte ich etwas wie eine

Transkript

1

2 Haare und durch meinen ganzen Körper fließen.»ich bin so froh, dass wir uns gefunden haben, Arub«, flüsterte er. Plötzlich spürte ich etwas wie eine kalte Hand, die mich im Nacken packte. Erschrocken richtete ich mich auf. Eisiger Wind zerrte an meinem Haar und ließ mich schaudern. Die Kälte der Nacht hatte mich aus meinem süßen Traum gerissen. Alle Wärme und Lebenskraft waren aus meinem Körper gewichen, und ich verspürte zugleich einen brennenden Durst. Auf allen vieren kroch ich zu dem treuen Kamel, das meine Rettung mit seinem Leben bezahlt hatte. Farid hatte drei prall gefüllte Wasserschläuche am Sattel befestigt. Ich nahm einen kräftigen Schluck. Dann löste ich den Sattel, bettete mein Haupt darauf und verkroch mich fröstelnd unter der

3 Satteldecke, die aufdringlich nach dem beißenden Schweiß des Kamels roch. Die Hände legte ich auf meinen leicht gewölbten Bauch, auf dass die Kälte nicht in den Leib des heranwachsenden Lebens eindringe. Ich spürte die Präsenz des Kindes, es schien weder klein noch hilflos und strahlte voller Liebe seine Wärme und seine täglich wachsende Kraft unter meinen behütenden Händen aus. Fast schien es, als wolle es mich beruhigen, mir mitteilen, dass ich nicht allein war in dieser kalten Nacht. Wie sollte ich das Kind vor all den Gefahren, die noch auf uns lauern würden, bewahren, wenn ich mich selbst nicht zu schützen wusste? Farid musste uns finden, wir brauchten ihn, und er wusste das. Gewiss würde er bald bei uns sein. Der nächste Tag würde neues Licht auf die Dinge werfen, also versuchte ich, all meine Ängste und Zweifel

4 abzuschütteln und mich erneut dem nach all den Strapazen nötigen Schlaf hinzugeben, um ausgeruht meinen Weg fortsetzen zu können. Mein Körper war zu erschöpft, als dass er sich trotz der bitteren Kälte noch länger gegen die Müdigkeit hätte wehren können. Ohne einen weiteren Gedanken fassen zu können, schlief ich ein. Am nächsten Morgen erwachte ich mit schmerzenden Gliedern. Die Kälte hatte sie allesamt steif werden lassen. Das sanft wärmende zartgelbe Sonnenlicht konnte mich mit all seiner Sanftheit nicht täuschen, wusste ich doch, dass sich aus der schmeichelnden Wärme, die im Moment wohlig angenehm auf meiner Haut prickelte, bald eine gleißende, erbarmungslose Hitze entflammen würde. Eilig band ich die Wasserschläuche zusammen, schulterte sie und bündelte die

5 Decke. Dies war alles, was mir geblieben war. Das prachtvolle Zelt mit all unserem Hab und Gut, in dem Farid und ich unsere letzten glücklichen Tage verbracht hatten, war in die Hände der gierigen Menschenhändler gefallen. Sicher hatten sie schamlos die ihnen am wertvollsten erscheinenden Dinge unter sich aufgeteilt und den Rest verbrannt. Ohne meinen geliebten Farid, ohne Zelt, ohne Kamel begab ich mich auf den Weg, um für das Überleben von Farids Saat in meinem Bauch zu kämpfen. Verbitterung und tiefe Enttäuschung überschatteten mein Herz. Zu jung war Farids und mein Glück gewesen, als dass es so jäh hätte enden sollen. Allah erschien mir grausam, da er uns diese himmelsgleiche Liebe geschenkt und alsbald wieder entrissen hatte. Wie sehr schmerzte der Verlust von etwas so Wunderbarem. Hätte ich doch nie die Wolken am Himmel berührt,

6 dann wüsste ich nicht, was mir verloren gegangen war. Ich spürte das Gewicht unseres Kindes in meinem Bauch bei jeder Erschütterung und versuchte, mit leichten Schritten die schmerzhaften Stöße abzufedern. Kaum war ich von dem einen Kamm der Düne auf den anderen gelangt, fühlte ich das starke Verlangen, zu rasten, und setzte mich erschöpft nieder, einen großen Schluck Wasser nehmend. Der Wind spielte mit dem roten Sand, verwischte meine Spuren, warf hier eine Hand.voll in die Luft und zeichnete dort neue Wellenlinien auf den Boden. Als kleines Mädchen hatte ich mich stets gefragt, ob der Wind nicht der Atem unserer Ahnen war, und hatte versucht, ihre Worte zu entziffern. Heute wusste ich, dass es manchmal unsere eigene Seele ist, die durch den Wind spricht. Er spiegelt unsere