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- Walter Krüger
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7 Aus dem Archiv: VERNICHTUNG Deportationen Wien Maly Trostinec, 1942 DÖW /A221 Leopold Augenstein, geb am von Wien nach Maly Trostinec deportiert Transkript: Grammatik und Rechtschreibung wie im Originaltext. Ergänzung von Satzzeichen etc. (in eckiger Klammer) nur in Ausnahmefällen zwecks besserer Lesbarkeit. Hervorhebungen im Originaltext sind kursiv wiedergegeben. Feh lende Punkte bei Abkürzungen oder Datumsangaben werden stillschweigend ergänzt. Brief von Leopold Augenstein an seine frühere Ehefrau Agnes, Drösing 1, Sonntag, 16. VIII. 42. Liebe Nessy! Vielen herzl. Dank für das Packet, welches ich mir gestern selbst von der Post holte. Ich erwartete einen Brief von Dir und ging deshalb zur Post. Aus dem kleinen Brief ist ein grosses Packet geworden. Meinen Brief vom Donnerstag wirst Du ja erhalten haben. Du kannst Dir denken wie mich der Brief von S. überrascht hat. Einerseits musste ich damit jeden Tag rechnen, da ich heraussen gut informiert bin und wusste, dass es jetzt nach Buchstaben geht, anderseits glaubt man halt noch immer an Wunder. Leider treffen diese nicht ein. Ich sage halt immer[,] jeden Menschen ist das Schicksal vorgezeichnet, er kann sich wehren wie er will, es kommt doch so. Für die Mutter währe es vielleicht besser gewesen, wenn sie das alles nicht mehr 1 Leopold Augenstein war in einem Arbeitslager für Juden in Drösing bei Marchegg (NÖ). Siehe dazu eine Aufstellung von insgesamt 66 Lagern für österreichische jüdische Zwangsarbeiter in: Wolf Gruner, Zwangsarbeit und Verfolgung. Österreichische Juden im NS-Staat , Innsbruck Wien München 2000, S
8 2 Deportationen Wien Maly Trostinec, Maly Trostinec lebend mitmachen müsste. Was hat sie bis jetzt von ihrem bescheidenen Leben schon gehabt, nichts als Kummer und Sorgen. Und jetzt auf ihre alten Tage muss sie noch so etwas mitmachen. 2 Wo bleibt da der berüchtigte, vielbesungene Gott. Gibt es überhaupt ein solches Wesen, ich glaube nicht mehr an einer solchen Fabel[,] die man Kinder eingibt. Wenn es mir auch gelingen sollte nach Ther. [Theresienstadt] zu kommen, so habe ich keine Hoffnung mehr die Mutter lebend anzutreffen. Ich bereue es immer wieder, dass ich nicht an einem der letzten Sonntage nach Wien gefahren bin, da hätte ich sie wenigstens noch einmal lebend gesehen. Jetzt nützt das leider nichts mehr. Du hast sehr viel für die Mutter in letzter Zeit geopfert und so noch versucht, ihren Lebensabend zu verschönern. Ich danke Dir tausend Mal dafür und hoffe, dass es vielleicht doch noch eine Gerechtigkeit gibt, die Dir in Deinen späteren Jahren in irgendeiner Form Alles zurückzahlen wird. Verdient hättest Du und Deine lb. [liebe] Familie es bestimmt und in erster Linie. Was mich betrifft habe ich vielleicht noch eine kurze Galgenfrist von 4 6 Wochen. Nach den neuesten Nachr. (die sich allerdings oft in derselben Stunde überholen) kommen die Arbeitslager zum Schlusse mit den Kult. [Kultusgemeinde-] und Gilde 3 -Angestellten weg. Nachdem die ganze Aktion ungefähr Anfang Oktob. beendet sein soll, kann ich mir leicht ausrechnen wann ich drankomme. Nach Ther. kommen meines Wissens nur ältere Leute. Zu diesen zähle ich ja noch nicht, so glaube ich kaum, dass ich meine Mutter noch einmal sehen werde. Wenn ich von hier aus wegfahren müsste, währe das für mich eine Katastrophe, denn ich habe keine Wäsche und keine Kleider für den Winter da. Leopold Augenstein 2 Charlotte Augenstein (geb ) wurde am in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort wurden zwischen dem und dem in elf Altentransporten rund Menschen, die in der Regel über 65 Jahre alt waren, in das Vernichtungslager Treblinka und nach Maly Trostinec überstellt, nur drei überlebten. Auch Charlotte Augenstein wurde am nach Treblinka verschleppt und ermordet. 3 Die von dem Holländer Frank van Gheel Gildemeester 1938 gegründete Gildemeester-Auswanderungs-Hilfsorganisation, die ab 1939 nur Nichtglaubensjuden betreuen durfte, sollte die Auswanderung und gleichzeitig die Beraubung und Enteignung von Juden und Jüdinnen in Form einer Treuhandlösung for cieren. Gegen eine Ausreisebewilligung mussten vermögende jüdische Bürger ihr gesamtes Ver mögen an den Treuhänder übergeben. Mit einem Prozentsatz dieser Vermögen wurde auch die Emigration mittel loser Juden und Jüdinnen finanziert. Theodor Venus / Alexandra-Eileen Wenck, die Entziehung jüdischen Vermögens im Rahmen der Aktion Gildemeester. Eine empirische Studie über Organisation, Form und Wandel von Arisierung und jüdischer Auswanderung in Österreich , Wien Mün chen 2004 (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögens entzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich, Bd. 20/2).
9 3 Deportationen Wien Maly Trostinec, Maly Trostinec Wenn ich mir diese hier herausnehme, müsste ich mindestens die Hälfte meiner anderen Sachen wegwerfen, da ich ja das alles nicht schleppen kann. Ich hoffe, dass ich von hier aus mit einer Karte eingeladen werde, so dass ich noch 1 Tag Zeit hätte meine Sachen in Ordnung zu bringen. Es ist jeder Tag[,] den wir hier heraussen noch verbringen können[,] ein Geschenk für uns. Das wissen wir alle. Du kannst dir lebhaft unseren Seelenzustand[,] in dem wir uns befinden, vorstellen. Was soll man dazu sagen, am besten Nichts und die Sache an sich herankommen lassen. Ich werde jedenfalls einen Brief vorbereiten, ob es möglich sein wird, diesen zu expedieren bezweifle ich sehr. Ich verbr. [verbrenne] jeden Brief von Dir, so leid es mir auch tut, aber es muss sein. Unterschreibe auch Deine Briefe nicht mehr mit N.[,] es ist besser. Denn wenn ich wirklich von hier aus geholt werde, was soll ich dann sagen, schreibe Olga oder irgendein. anderen Namen. Unser Betrieb hier steht schon 14 Tage, wir haben lauter nebensächl. Arbeiten, hoffentlich beschleunigt das nicht unsere Sache. Es kommt halt wie immer ein Uebel nicht allein. Am Montag habe ich meine Gummistiefel per Post in die Grosse Neug. zur Rep. [Reparatur] geschickt, hoffentl. macht er sie mir recht bald, denn ich habe nicht einmal gute Schuhe heraussen. Wenn einmal ein Arbeitslager ausgeh. [aus gehoben] wird, wissen wir schon Bescheid wie die Sache vor sich geht und ich kann mich darnach richten. Hoffentlich ist unseres nicht das Erste! Eines ist ja bereits in Kärnten ausgehoben, aber das war strafweise, wieso und warum kann man leider nicht erfahren. Gestern war Buchst. E daran, von uns ist aber noch Niemand ausgeh. worden. Nochmals herzl. Dank für das P. [Paket] Herzl. Grüsse an Alle! Viele Grüsse u. Küsse Dein Leo Vielen Dank f. das Photo! Nach den neuesten Abendnachrichten wird die Sache noch schneller gehen, also meine gedachte Frist sehr gekürzt. Was ich jetzt machen soll weiss ich nicht? Am besten abwarten. Leopold Augenstein
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