Mohieddin Ellabbad. Das Notizbuch des Zeichners

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Erica Brodbeck
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1 Mohieddin Ellabbad Das Notizbuch des Zeichners

2 Mohieddin Ellabbad Das Notizbuch des Zeichners Aus dem Arabischen von Burgi Roos

3 Baobab heißt der Affenbrotbaum, in dessen Schatten sich die Menschen Geschichten erzählen. Baobab heißt auch die Buch reihe, in der Bilderbücher, Kindergeschichten und Jugendromane aus Afrika, Asien, Lateinamerika, Ozeanien und dem Nahen Osten in deutscher Übersetzung erscheinen. Herausgegeben wird sie von Baobab Books, der Fachstelle zur Förderung kultureller Vielfalt in der Kinder- und Jugendliteratur. Informationen zu unserem Gesamtprogramm und unseren Projekten finden Sie unter Baobab Books dankt terre des hommes schweiz und zahlreichen weiteren Geldgebern für die finanzielle Unterstützung. Zu diesem Buch sind Materialien für den Schulunterricht erhältlich. Kostenloser PDF-Download unter Das Notizbuch des Zeichners 4. Auflage 2017 Copyright der deutschsprachigen Ausgabe 2008 Baobab Books, Basel, Switzerland Alle Rechte vorbehalten Die deutschsprachige Erstausgabe erschien 2002 in der Reihe Baobab bei Atlantis, verlag pro juventute, Zürich. Text und Illustration: Mohieddin Ellabbad Übersetzung aus dem Arabischen: Burgi Roos Satz: Schön & Berger, Zürich Druck: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Thüringen ISBN Die arabische Originalausgabe erschien 1988 unter dem Titel»Kashkoul ar-rassam«im Verlag Dar es Fata el Arabi, Kairo by Mango Jeunesse, Paris

Erinnerungen Seit ich klein war, bewahre ich alle möglichen Dinge als Andenken auf. Sie sehen vielleicht nicht aus, als wären sie etwas Besonderes.

Hier stelle ich ein paar dieser kleinen Erinnerungen vor. Es sind Andenken, die das Gedächtnis anregen, und ohne waches Gedächtnis wären die alten Tage leblos.

4 Erinnerungen Seit ich klein war, bewahre ich alle möglichen Dinge als Andenken auf. Sie sehen vielleicht nicht aus, als wären sie etwas Besonderes. Aber wenn ich sie anschaue, kommen mir manchmal Ereignisse in allen Einzelheiten in den Sinn, die vor langer Zeit passiert sind. Dann wird die Vergangenheit vor meinen Augen wieder lebendig. Hier stelle ich ein paar dieser kleinen Erinnerungen vor. Es sind Andenken, die das Gedächtnis anregen, und ohne waches Gedächtnis wären die alten Tage leblos. Ja es wäre, als hätte es sie nie gegeben. Auch viele Sehenswürdigkeiten können eine Art Andenken sein, zum Beispiel die Pyramiden, die Sphinx, die antiken Bauwerke und die Gegenstände in den Museen und Bibliotheken. Ob winzig oder riesig, sie sind alle auch Erinnerungen, die in unserem Gedächtnis längst vergangene Zeiten wieder zum Leben bringen. 4

Über dem Bild mit dem Sieges tor liegt der Geruch von Reinigungsmittel für Holzböden.

5 Schauen und riechen Ich sammle seit langem Fotos mit verschiedenen Motiven, und inzwischen habe ich eine ganze Menge davon. Wenn ich sie anschaue,»rieche«ich bei jedem Bild etwas anderes. Beim Bild mit dem sitzenden Mann rieche ich Rosenwasser. Über dem Bild mit dem Sieges tor liegt der Geruch von Reinigungsmittel für Holzböden. Beim Foto mit der Stadt am Wasser rieche ich Anisduft. Bei der Moschee rieche ich den Duft grüner Mandeln, der sich mit dem Geruch von altem, feuchtem Holz mischt. 5

6 Ein alter Traum Als ich ein kleiner Junge war, wohnten wir in der Nähe der Sultan-Hasan-Moschee. Durch die große Straße fuhr eine Straßenbahn, die jedes Mal, wenn sie bei der Moschee abbog, einen ohrenbetäubenden Lärm machte. Damals war der Straßenbahnfahrer für mich der stärkste und wichtigste Mann der Welt, weil er dieses furchterregende Ungetüm steuerte. Ich wollte auch Straßenbahnfahrer werden, wenn ich einmal groß war. Doch ich wurde nicht Straßenbahnfahrer. Nicht einmal Auto fahren kann ich. Stattdessen lernte ich zu zeichnen und wurde einfach Illustrator. Und siehe da: Dank diesem Beruf kann ich mich jetzt als Straßenbahn fahrer zeichnen, genau so, wie ich es mir immer gewünscht hatte.

Ein dummes Huhn Als ich acht Jahre alt war, gab es bei uns eine tolle Kinderzeitschrift. Am Abend bevor sie erschien, konnten wir kaum schlafen, so aufgeregt waren wir.

Wenn ich mit dem Frühstück, Vaters Zeitung und der Zeitschrift vom Einkaufen zurückkam, wartete meine Schwester bereits ungeduldig auf mich.

7 Ein dummes Huhn Als ich acht Jahre alt war, gab es bei uns eine tolle Kinderzeitschrift. Am Abend bevor sie erschien, konnten wir kaum schlafen, so aufgeregt waren wir. Sobald es hell wurde, standen wir auf, viel früher als an anderen Tagen. Wenn ich mit dem Frühstück, Vaters Zeitung und der Zeitschrift vom Einkaufen zurückkam, wartete meine Schwester bereits ungeduldig auf mich. Sie fragte mich schon vom Balkon herab über die neue Nummer aus, und ich las ihr die Themen von der Straße her laut vor. Eines Tages rief ich:»heute gibt es eine viel verspre chende Geschichte. Sie heißt Das dumme Huhn.«Dieser Titel gefiel mir, bevor ich auch nur ein Wort der Geschichte gelesen hatte. Und die Zeichnung vom Huhn weckte meine Fantasie. Jetzt versuche ich mich daran zu erinnern und zeichne es hier für euch. Allerdings finde ich, dass das Huhn von damals viel magerer und sein Hals etwas länger war. Gibt es in euren Zeitschriften und Büchern auch solche Geschichten wie meine vom dummen Huhn, auf die ihr ungeduldig wartet? 7

Deshalb rechnete ich nicht lange nach, ging kurzerhand zur Papierwarenhandlung und kaufte mir mit meinem Geld ein kleines, rotes Notizbuch. Es war schön und angenehm anzufassen, und es roch auch gut.

8 Woher kommen die Geschichten? Eines Tages beschloss mein Vater, mir mein monatliches Taschengeld auf einmal zu geben. Ich sollte lernen, mein Geld allein zu verwalten und über den ganzen Monat zu verteilen. Schon damals träumte ich davon, Geschichten zu schreiben und zu illustrieren. Deshalb rechnete ich nicht lange nach, ging kurzerhand zur Papierwarenhandlung und kaufte mir mit meinem Geld ein kleines, rotes Notizbuch. Es war schön und angenehm anzufassen, und es roch auch gut. Ich konnte es aber nie am Tag hervornehmen. Ich wollte nicht, dass mein Vater mit mir schimpfte, wenn er erfuhr, dass ich mein ganzes Monatsgeld auf einmal ausgegeben hatte. So holte ich es nur in der Nacht hervor, wenn alle anderen schliefen. Dann schaute ich es an, berührte es und dachte darüber nach, was ich schreiben und zeichnen könnte. Aber ich brachte es nie fertig, eine dieser Geschichten in das geheime Notizbuch zu schreiben. So blieb mein schönes Notizbuch bis heute leer. Erst als ich längst erwachsen war, erinnerte ich mich wieder an die Geschichten, die dafür bestimmt gewesen waren. Da schrieb ich sie auf, illustrierte sie und druckte sie in Büchern ab! 8

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Dieses Buch liest sich von hinten nach vorn oder, besser gesagt, von rechts nach links.

Dieses Buch liest sich von hinten nach vorn oder, besser gesagt, von rechts nach links. Alle Menschen haben Erinnerungen. Manche haben sich mehr, manche weniger tief eingeprägt. Einige sind mit Gefühlen, andere mit Gerüchen oder Bildern verbunden. Mohieddin Ellabbad denkt in seinem»kashkoul«,