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Transkript

1 Zeichnung: Arge blue architects + Ruprecht Architekten Rahmenträger bilden die Tragstruktur der Vierfachturnhalle in Sargans. Die schlanken Querschnitte und die engen Abstände dominieren das Innere. Drei Gebäudeteile mit unterschiedlichen Breiten und Höhen ordnen sich nebeneinander an. Da die Pfahlgründung des Vorgängerbaus im sumpfigen Baugrund genutzt werden sollte, bot sich ein Neubau in leichter Holzbauweise an. 14 BAUEN MIT HOLZ

2 Sportlich erstellt mit Laubholz Freizeitbau Die Architektur des Gebäudes sollte die Funktion als Sporthalle widerspiegeln. Eine wunderbare Komposition aus Nadelholz, Laubholz und Holz-Beton-Verbund ermöglichte diese athletisch anmutende Konstruktion mit gertenschlanken Rahmenträgern. Angela Trinkert Elegant reihen sich die Rahmen aus Brettschichtholz in gleichmäßigen eng gehaltenen Abständen nebeneinander. Ihre hohen und schlanken Querschnitte prägen das Gebäudeinnere. Sie erstrecken sich sichtbar über alle Hauptnutzungsräume der Vierfachturnhalle im schweizerischen Sargans das Foyer, die Halle und die Gymnastikräume. Der Holzbau bot sich für die neue Konstruktion an. Die Sporthalle steht auf schlecht tragendem Boden; ehemaliges Sumpfland des Rheins diente als Baugrund. Da der Neubau eine zurückgebaute Turnhalle ersetzt, sollten und konnten die Pfählungen des Vorgängerbaus übernommen werden. Der hohe Vorfertigungsgrad ermöglichte eine kurze Bauzeit, ein wichtiger Aspekt für den Bauherrn. Der öffentlichen Auftraggeber forderte zudem ein nachhaltiges Gebäude und eine regionale Wertschöpfung. Beides konnten die Architekten von Arge blue architects + Ruprecht Architekten, Zürich, und die Tragwerksplaner des Büros Walt + Galmarini AG, Zürich, mit dem anspruchsvollen Holzbau umsetzen. Drei Gebäudeteile setzen sich zu dem Sportkomplex zusammen Der Grundriss der Vierfachturnhalle bemisst sich im Erdgeschoss auf etwa 53 m 67 m. Drei quaderförmige Gebäudeteile mit unterschiedlichen Höhen ordnen sich an ihren Längsseiten nebeneinander an. Das mittlere Hauptgebäude, das die Sporthallen birgt, ist knapp 29 m breit und ungefähr 10 m hoch. Der circa 16,5 m breite Garderobentrakt, der in zwei Geschosse unterteilt ist, erstreckt sich auf der einen Seite der Sporthallen knapp 8 m in die Höhe und der etwa 8 m breite Geräteraumtrakt auf der anderen Seite etwa 3,75 m hoch. Nach oben schließt der gesamte Komplex mit Flachdächern ab. Die Ausführung als Nacktdach sparte 270 t Dachlast. Aus Außenwandbekleidung wählte man eine vertikal ausgerichtete Fassade aus unbehandelten Schalbrettern in Fichte/Tanne mit unterschiedlichen Querschnitten. Die schlichte und geradlinige Architektur spielt mit den unterschiedlichen Dimensionen und Zwi- BAUTAFEL Bauherr Kanton St. Gallen, Baudepartement, CH-St. Gallen Architekten Arge blue architects + Ruprecht Architekten, CH-Zürich Baumanagement Ghisleni Planen Bauen GmbH, CH-St. Gallen Bauingenieur Fundation Beton & Holzbau Walt + Galmarini AG, CH-Zürich Bauingenieur Holzbau-Fassaden und Ausbauplanung Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau AG, CH-Rain Holzbau Blumer-Lehmann AG, CH-Gossau Holzleimbau Neue Holzbau AG, CH-Lungern

3 schenräumen der Bretter. Eine Glasfassade oberhalb des eingeschossigen Gebäudeteils lässt Tageslicht in die vier Sporthallen. Die Klimabedingungen von Sargans bringen hohe Einwirkungen mit sich. Das Rheintal erlebt häufige starke Fönwinde. Durch die Lage von 480 m ü NN können durchaus Schneemengen von 1,25 m Höhe vorkommen. Außerdem liegt Sargans in der Erdbebenzone II und verfügt über die schlechteste Baugrundklasse, die in der Schweiz normativ erfasst ist. Diese Einwirkungen erforderten entsprechende Maßnahmen in der Tragwerksplanung. Die gesamte Konstruktion setzt sich aus Tragwerk und Systemholzbau, zum größten Teil aus Holz, zusammen. Im zweigeschossigen Garderobentrakt wurde Beton verbaut. Dadurch liegen der Massen- und der Steifigkeitsschwerpunkt dicht beieinander und in der Breite exzentrisch, nahe am Garderobentrakt. Deshalb kommt die gegenüberliegende Glasfassade ohne Aussteifungselemente aus. Bild: Walt + Galmarini AG Die schlichte und geradlinige Bekleidung der Fassade aus Fichten- und Tannenholz spielt mit den unterschiedlichen Dimensionen und Zwischenräumen der Bretter. Bild: neue Holzbau AG Die Ecken der schlanken Rahmenträger sind mittels eingeklebter Gewindestangen nahezu biegesteif ausgeführt. Unterschiedliche Festigkeiten kamen für die Rahmen zum Einsatz Vierzig Rahmenträger aus Fichten-Brettschichtholz, die über eine Länge von knapp 29 m spannen, reihen sich in einem Abstand von 1,65 bzw. 1,84 m nebeneinander auf. Die konstruktiven Hölzer aus Brettschichtholz wurden von dem Holzbauer Neue Holzbau AG, Lungern, hergestellt und geliefert. Die Blumer-Lehmann AG, Gossau, montierte sie. Mit in Epoxidharz eingeklebten Gewindeankerstangen (System GSA) wurden die Rahmenecken nahezu biegesteif ausgeführt. Damit die im Vergleich zu den Riegeln (140 mm/1440 mm) geringer dimensionierten Stiele (140 mm/800 mm) nicht durch die Eckmomente überlastet werden, wurden die Rahmen global vorgespannt. Dazu wurden sie während der Montage mit positiven Momenten vorbelastet, die im Gebrauchszustand den vertikalen Lasten entgegenwirken. Dass sich, trotz gleicher Querschnittsabmessungen der Rahmen, die Achsabstände unterscheiden, ist dem Einsatz unterschiedlicher Festigkeitsklassen des Fichtenholzes (GL28 und GL36) zu verdanken. Die Rahmen bilden das Haupttragwerk und übernehmen die Aufgabe der Queraussteifung. In Längsrichtung steifen Dreischichtplatten als nachgiebige Schubfelder in der Dachebene die Konstruktion aus. Sie leiten die horizontalen Lasten in die Wandscheiben. Holzrahmenbauwände mit einer Beplankung aus OSBPlatten sorgen als Schubfelder für die Aussteifung des gesamten Gebäudes. Beton und Laubholz machen es möglich Die HBV-Decke wird an die Rahmenstiele der Haupthalle teileingespannt angeschlossen. Zum Zeitpunkt des Einbaus der Konstruktion für die Teileinspannung ist darauf achten, dass die theoretisch vorausgesetzten Lastzustände in der Praxis auch tatsächlich auftreten. Die oberen Zugstangen verschwinden später im Ortbeton. 16 Die Dach- oder Deckenträger der Nebengebäude hängen an den Rahmen des Haupttragwerks. Die Decke des Garderobentraktes wurde in Holz-Beton-Verbund ausgeführt. Als ungleichmäßige Zweifeldträger spannen sie über eine Länge von fast 11 m und knapp 5 m. Der Wunsch des Bauherrn, die Nasszellen mit Fertigbetonteilen auszuführen, verlangte eine Decke, die imstande ist, die hohen Lasten aus dem Obergeschoss abzutragen. Zudem kragt die Decke um etwa 2,5 m aus. Die Unterzüge der BV-Decken wurden deshalb mit kombinierten Esche-Fichten-Brettschichtholz (Esche: GL 40) mit einem Querschnitt von 140 mm/500 mm ausgebildet. Im Bereich der großen Spannweite wurden sie überhöht ausgeführt. Zunächst überlegten die Planer, die Träger aus bauen mit holz

4 Furnierschichtholz zu fertigen. Da Michael Büeler, ein Mitarbeiter der Walt + Galmarini AG, mit seiner Masterarbeit an der ETH Zürich zur Schubfestigkeit von BSH aus Esche die nötige Grundlage schuf, schlugen die Tragwerksplaner vor, die Träger über 2/3 der Länge in den hochbeanspruchten Bereichen mit Esche und über 1/3 der Länge aus Fichte auszuführen. Am Momentennulldurchgang setzten sie einen versetzten Keilzinkenstoß zwischen den beiden Holzarten. Die 1,5-fach höhere Schubfestigkeit der Esche im Gegensatz zur Fichte machte sich zudem über der mittleren Innenstütze bemerkbar. Denn dort war der Schub, verursacht aus dem Feld mit hoher Spannweite, das zudem noch mit den 15 Tonnen schweren Beton-Fertigteil Duschzellen belastet wurde, und den Zusatzbelastungen aus der Auskragung, am höchsten. Zusätzlich wurden die Unterzüge aus Esche, die über das große Feld spannen, mit eingeklebter Zugbewehrung verstärkt. Fünf Zentimeter dicke Gitterträgerplatten wurden vorgefertigt und auf der Baustelle verlegt. Sie spannen als Einfeldträger jeweils von Unterzug zu Unterzug. Der HBV-Verbund wurde bauseits um sieben Zentimeter mit Ortbeton ergänzt. Den Verbund zwischen Holz und Beton stellen kreuzweise angeordnete, mit Epoxidharz eingeklebte Bewehrungsstäbe her. Sie wurden entsprechend dem Schubfluss für das statisch unbestimmte System abgestuft eingeklebt. Die Anschlüsse der Holz-Betonverbundträger an die Haupthalle der Sportanlage wurden mit einer Teileinspannung ausgeführt. Sie wurde bei einem klar definierten Bauzustand eingebaut und durch die Nutzlast aktiviert. Ohne Nutzlast funktioniert der Anschluss als Gelenk. Dabei müssen sowohl die Lasten als auch die jeweiligen Verdrehungen aufgenommen werden. Der Anschluss besteht aus einem unteren Gelenk und einem oberen Zuganschluss. Der obere Zuganschluss besteht aus zwei Teilen. Ein Teil wird über schräge Gewindestangen mit dem Beton verbunden, der andere Teil ist mit Gewindestangen am Binderstiel befestigt. Wände und Dachflächen sind vorgefertigt Das Ingenieurbüro Pirmin Jung AG, Rain, führte die Werkplanung der Wände und der Dächer in Holz-Systembauweise aus. Die Blumer-Lehmann AG, Gossau, fertigte die Bauteile vor und stellte sie auf. Die Anforderungen der unterschiedlichen Nutzungen zeigen sich in der Ausführung. Bezüglich Schallschutz gelten andere Ansprüche zwischen Sitzungszimmer und Gymnastikraum als beispielsweise zwischen zwei Garderoben. Eine Küche braucht andere Oberflächen als ein Maschinenraum oder ein Fitnesszimmer usw. Die zahlreich Räume haben demnach zu einer Vielfalt von unterschiedlichen Wandaufbauten und Oberflächengestaltungen geführt, die hinsichtlich Nutzung und Kosten optimiert wurden, ohne dabei das architektonische Konzept zu beeinflussen. Zudem mussten sämtliche Innenwände gleitend ausgebildet werden, um die Verformungen der weit gespannten Deckenträger aufnehmen zu können. Denn die Kriechverformungen und Verformungen aus der Nutzlast von 5,0 kn/m betragen bis zu 30 mm. Die Konstruktion der Fassade wurde so geplant und ausgeführt, dass möglichst keine Hirnholzflächen direkt bewittert werden und kein stehendes Wasser entsteht. Dies garantiert auch bei der unbehandelten Holzfassade eine hohe Lebenserwartung

5 Bild: Walt + Galmarini AG Die Geschossdecke unter den Nassbereichen aus Betonfertigteilen wurde aufgrund der Masse als Zweifeldträger in Holz-Beton-Verbundweise ausgeführt. Die Unterzüge bestehen dort, wo die Last am höchsten und die Spannweite am längsten ist, aus Eschenholz, das teilweise bewehrt wurde. Die weniger beanspruchten Bereiche wurden aus Fichten-BSH ausgeführt und durch einen Keilzinkenstoß mit dem Eschen-BSH verbunden. Nach den Sommerferien 2012 wurde der Neubau eröffnet. Sowohl für die Region als auch für die Holzbau-Branche bedeutet er einen Fortschritt. Die imposante Turnhalle bietet viel Raum für die angrenzende Kantonsschule, aber auch für regionale und überregionale Vereine und Sportanlässe der besonderen Art. Und die am Bau Beteiligten konnten bei einem weiteren Schweizer Projekt zeigen, welche Möglichkeiten der Baustoff Laubholz bietet. Neben dem Schallschutz zwischen den Räumen forderte die Raumakustik im Bereich der Halle und der Cafeteria die Planer heraus. Quer- und Längswände der Halle wurden hierzu mit einer akustisch wirksamen, gedämpften Täfelung aus Fichte/ Tanne bekleidet. Zudem sind je nach Lärmbelastung und Raumgeometrie Deckenpaneelen aus Holzwolle-Leichtbauplatten montiert, um eine angenehme Raumakustik gewährleisten zu können. Die Holz-Beton-Verbunddecke kragt aus. Die Auskragung ist, neben der großen Spannweite des einen Feldes, mitverantwortlich für die hohe Schubbeanspruchung über dem mittleren Auflager. 18 bauen mit holz