Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen
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- Erika Rosenberg
- vor 7 Jahren
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1 Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen von Helmut Buchner 1. Auflage Thieme 2007 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
2 Generalisierte Muskelschwäche 1 Beschreibung und klinische Untersuchung Die Patienten berichten eine allgemeine Schwäche und Kraftlosigkeit, die entweder andauernd oder belastungsabhängig vorhanden sind. Die Schwäche ist auf beiden Körperseiten nahezu gleich ausgeprägt. Schmerzen bestehen nicht oder allenfalls gering als belastungsabhängiger Muskelschmerz. Die hier gemeinte generalisierte Muskelschwäche und Ermüdbarkeit ist abzugrenzen von den Symptomen einer Depression. Dann lassen sich in der Regel weitere Beschwerden erfragen wie Schlafstörungen, morgendlich betonte Antriebsminderung, Stimmungstief oder Appetitmangel. Eine allgemeine Schwäche und Ermüdbarkeit ist häufiges Symptom einer allgemeinmedizinischen/internistischen Erkrankung, oft verbunden mit Gewichtsverlust. Bei der Untersuchung muss gezielt geachtet werden auf: 99 Seit wann besteht die Schwäche? Ist sie über Nacht aufgetreten oder seit Tagen oder Wochen zunehmend? 99 Ist die Schwäche belastungsabhängig? Tritt sie bei bestimmten Tätigkeiten auf? 99 Welche Vorerkrankungen bestehen? Welche Medikamente wurden eingenommen? Zur Prüfung der Kraft sollten einfache reproduzierbare Tests durchgeführt werden. Bei der Auswertung sind das Alter und der allgemeine körperliche Zustand zu berücksichtigen. Es empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: 99 Arme nach vorne in der Horizontalen halten gegen den Widerstand des Untersuchers. 99 Arme im Ellenbogen beugen und strecken gegen den Widerstand des Untersuchers. 99 Faustschluss um zwei Finger des Untersuchers. 99 Aus der Hocke aufstehen lassen (bis ca. 70 Jahre). Treppen steigen lassen (wie viele Stufen sind möglich?). (ISBN ), 2007 Georg Thieme Verlag.
3 2 Generalisierte Muskelschwäche 99 Mit einem Bein auf einen Stuhl steigen lassen (bis ca. 70 Jahre). Achtung Sturzgefahr! 99 Auf einem Bein auf die Fußspitze stellen lassen (alternativ: auf einem Bein hüpfen lassen). Besteht der Verdacht auf eine belastungsabhängige Schwäche, muss die Kraftprüfung nach entsprechender Belastung wiederholt werden. Überlappung mit anderen Leitsymptomen 99 hängendes Augenlid Ptose (s. Kap. 1.2), 99 abnorme Haltung des Kopfes (s. Kap. 1.5), 99 multiple Hirnnervenlähmungen (s. Kap. 1.4), 99 belastungsabhängiger Muskelschmerz (s. Kap. 4.10), 99 diffuser Beinschmerz (s. Kap. 4.7), 99 diffuser generalisierter Schmerz (s. Kap. 4.9), 99 breitbeiniger Gang (s. Kap. 7.1), 99 kleinschrittiger Gang mit vermindertem Anheben der Füße (s. Kap. 7.2). Diagnostisches Vorgehen Das Vorgehen richtet sich danach, welcher Befundtyp vorliegt. Dabei ist zu beachten, dass diese Typen Überschneidungen haben sowohl zum Zeitpunkt einer Untersuchung als auch bei wiederholten Untersuchungen. Keine Muskelschwäche objektivierbar oder globale andauernde Schwäche: Als Ursache kommen viele allgemeinmedizinisch/internistische oder neurologische Erkrankungen in Frage. Die Zusatzdiagnostik ergibt sich meist aus der Anamnese bekannter Erkrankungen oder einer Suchstrategie, beginnend mit Blut-Laboruntersuchungen. Proximale Muskelschwäche: Die Schwäche betrifft Arme und Beine. Die Muskeleigenreflexe sind meist abgeschwächt, zumindest nicht gesteigert. Das Vorgehen richtet sich danach, wie schnell die Schwäche entstanden ist und wie ausgeprägt sie ist. In der ersten Stufe der Zusatzdiagnostik sollten Blut- Laboruntersuchungen erfolgen und insbesondere die Kreatinkinase geprüft werden. Distale Muskelschwäche: Die Schwäche betrifft meist betont die Füße. Die Muskeleigenreflexe sind meist abgeschwächt. Das Vorgehen entspricht dem bei der proximalen Muskelschwäche. (ISBN ), 2007 Georg Thieme Verlag.
4 Generalisierte Muskelschwäche 3 Belastungsabhängige Schwäche: Sie ist das Leitsymptom der Myasthenie. Wenn die Schwäche gering ausgeprägt ist, kann die Diagnostik mit Bestimmung der Acetylcholinrezeptor-Antikörper und der repetitiven Stimulation in der Elektroneurographie mit Bestimmung der Amplitude des Muskelaktionspotenzials ambulant erfolgen. Bei stärker ausgeprägter Schwäche, deutlichem Schwanken des Ausmaßes oder Schluck- und Sprechstörungen ist eine stationäre Behandlung erforderlich. Vorliegen eines Notfalls? / Untersuchungs- und Behandlungsform? R Notfall R möglicher Notfall R kein Notfall R stationär R möglicherweise ambulant R ambulant Nur bei einer schnell zunehmenden oder bereits hochgradigen Schwäche sind eine stationäre Untersuchung und Behandlung erforderlich. Ursachen Keine Muskelschwäche objektivierbar oder globale andauernde Schwäche Allgemeinmedizinische/internistische Erkrankungen Neurologische Erkrankungen Hypo-/Hyperthyreose Hyperparathyreoidismus Kollagenosen Malignome Entzündungen (alle!) Langzeit-Kortisonbehandlung Alkoholmissbrauch Mangelernährung Multiple Sklerose Eine Halbseitenlähmung oder Para-/Tetraparese kann zusätzlich zur allgemeinen Schwäche vorhanden sein. Schlafstörungen mit der Folge einer allgemeinen Leistungsminderung. Proximale Muskelschwäche Kortisonbehandlung Durch Kortison induzierte Myopathien haben meist einen proximalen Schwerpunkt. Sie können schon nach einer relativ kurzen Behandlungsdauer und unabhängig von der kumulativen Dosis auftreten. Häufig sind die Laborwerte und das Elektromyogramm normal. (ISBN ), 2007 Georg Thieme Verlag.
5 4 Generalisierte Muskelschwäche Myopathie Polyneuropathie Post-Sepsis-Myositis Im Allgemeinen ist die Muskulatur symmetrisch betroffen und es kommt zu langsam fortschreitenden Muskelatrophien. Im Laborbefund kann die Kreatinkinase erhöht sein. Im Elektromyogramm werden meist typische Veränderungen der Potenziale motorischer Einheiten gefunden und bei akuten Erkrankungen Spontanaktivität mit Fibrillationspotenzialen. Die Diagnose wird letztlich durch eine Muskelbiopsie gesichert. Bei den Muskeldystrophien, den Myotonien, den Myopathien durch Stoffwechselerkrankungen und den metabolischen Myopathien bestehen in der Regel keine Muskelschmerzen und nur geringe oder keine Erhöhungen der Kreatinkinase. Bei den entzündlichen Myopathien finden sich eine Erhöhungen der Kreatinkinase und in der Regel Schmerzen wie ein Muskelkater. Polyneuropathien mit einem proximalen Schwerpunkt und ohne oder wenig Störung der Sensibilität sind selten. Immer sind die Muskeleigenreflexe abgeschwächt oder ausgefallen. Die Elektroneurographie sichert die Diagnose. Nach unserer Erfahrung ist die Ursache meist eine Entzündung (Guillain-Barré-Syndrom) oder paraneoplastisch. Eine Post-Sepsis-Myositis mit deutlicher Schwäche der Arm- und Beinhebung hat meist eine gute Prognose und bessert sich im Verlauf weniger Tage oder Wochen. Distale Muskelschwäche Polyneuropathie Myopathie Amyotrophe Lateralsklerose Polyneuropathien haben meist einen Schwerpunkt distal und an den Beinen. Nur selten kommt es zu einer generalisierten Schwäche ohne oder mit geringer Störung der Sensibilität. Zumeist sind das dann akute oder chronische Entzündungen (Guillain-Barré- Syndrom) oder chronische Alkoholintoxikationen. Die Elektroneurographie sichert die Diagnose. Siehe auch proximale Muskelschwäche. Einige Muskeldystrophien und die Myotonien haben einen distalen Schwerpunkt. Die Schwäche betrifft zu Beginn der Erkrankung schwerpunktmäßig die Handmuskeln mit sichtbaren Atrophien. Es finden sich keine Störungen der Sensibilität. Häufig können Faszikulationen beobachtet werden und eine geringe Paraspastik. Die Diagnose wird mit der Elektromyographie und anhand der Verlaufsuntersuchungen gestellt. Die Differenzialdiagnose einer zervikalen Myelopathie muss beachtet werden. (ISBN ), 2007 Georg Thieme Verlag.
6 Generalisierte Muskelschwäche 5 Belastungsabhängige Schwäche Myasthenie Lambert-Eaton- Syndrom Die generalisierte Form der Myasthenie ist gekennzeichnet durch eine belastungsabhängige Schwäche. Häufig beginnt die Erkrankung an den Muskeln der Hirnnerven mit Doppelbildern, Ptose, Sprech- und Schluckstörungen. Die Muskeln der Schultern und Arme sind meist stärker betroffen als die der Beine. Eine akute Verschlechterung oder akute Ersterkrankung kann durch Infekte oder viele Medikamente ausgelöst werden. Der Verdacht sollte Anlass zu weiterer Diagnostik sein: Untersuchung der Acetylcholinrezeptor-Antikörper (nicht in jedem Fall positiv), repetitive Stimulation eines peripheren Nervs und Messung der Amplitude des Muskelaktionspotenzials. Es ist fast immer ein paraneoplastisches Syndrom und tritt häufig bei kleinzelligen Bronchialkarzinomen auf. Betroffen ist meist die proximale Becken- und Schultermuskulatur, wobei sich die Schwäche nach kurzer Belastung bessern kann, um sich nach längerer Belastung wieder zu verschlechtern. Der Verdacht sollte Anlass zu weiterer Diagnostik sein: Untersuchung der Antikörper gegen spannungsabhängige Kalziumkanäle (nicht in jedem Fall positiv), repetitive Stimulation eines peripheren Nervs und Messung der Amplitude des Muskelaktionspotenzials, die nach hochfrequenter Stimulation ansteigt. Raum für ergänzende Notizen (ISBN ), 2007 Georg Thieme Verlag.
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