Kerstin Lundberg Hahn. Mandelherz
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- Lukas Steinmann
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Kerstin Lundberg Hahn Oskar und das Mandelherz
2 Kerstin Lundberg Hahn Oskar und das Mandelherz Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger Mit Illustrationen von Susanne Göhlich
3 Einfach gar keins Ich heiße Oskar und bin ein ganz normaler Junge. Meine Eltern sind meistens ganz okay, aber manchmal kapieren sie wirklich gar nichts. Neulich saßen wir in der Küche beim Abendessen, Papa, Mama und ich. Papa wackelte mit der Gabel im Takt zu irgendeiner Musik in seinem Kopf und las dabei heimlich in der Zeitung, die zusammengefaltet neben ihm auf dem Tisch lag. Mama kaute und lächelte mich an. Und genau da kam mir dieser Gedanke mit dem Haustier. Natürlich dachte ich nicht zum ersten Mal darüber nach. Aber gerade in diesem Moment, als es so still und leise bei uns war, dass man es kaum aushalten konnte, da spürte ich auf einmal, wie schön es wäre, wenn mich eine Hundeschnauze ans Bein stupsen würde. Eine Schnauze, die auch einen Happen vom Hühnchen abhaben wollte.»ich bin der Einzige in meiner Klasse, der kein Haustier hat«, sagte ich. 4 5
4 »Ach ja?«, sagte Mama und nahm noch einen Bissen.»Hm, hm«, murmelte Papa. Er schaute nicht mal hoch.»ich glaube, bald wird es wirklich Frühling«, sagte Mama und sah aus dem Fenster. Entweder wollte sie möglichst schnell das Thema wechseln oder sie hatte mir gar nicht zugehört. Ich legte mein Besteck hin.»der Einzige in meiner Klasse«, wiederholte ich.»na ja, Maryam und Hugo sind ja allergisch, aber außer den beiden bin ich der Einzige, der nicht ein einziges kleines Haustier hat. Keinen Hund, keine Katze, keine Meerschweinchen, keine Wellensittiche, keine Schildkröte, keine Schlangen, keine Papageien, keine Wüstenrennmäuse. Nicht mal Stabheuschrecken.«Ich schwieg kurz und holte Luft. Mama und Papa starrten mich an.»keine Hamster«, fuhr ich fort,»keine Eidechse, keinen Kanarienvogel, kein Frettchen, keine zahme Ratte. Kein gar keins.«papa und Mama sagten erst mal lange nichts.»aber Oskar «, meinte Mama dann und legte den Kopf schief.»keinen Elefanten«, sagte Papa grinsend. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und da änderte er die Taktik.»Aber, was ist mit Bie«, sagte er und kratzte sich am Bart.»Die hat doch auch kein Haustier?Dohoch«, sagte ich.»die haben im Restaurant das ganze Aquarium voll.«bie ist meine beste Freundin. Das heißt, genau genommen ist sie meine feste Freundin. Wir sind seit ein paar Monaten zusammen. Ihre Familie hat ein Chinarestaurant bei uns in der Nähe. Manchmal gehen wir 6 7
5 nach der Schule zusammen hin und füttern die Fische, Bie und ich. Also, diese Goldfische sind jetzt vielleicht nicht die allertollsten Haustiere. Man kann sie ja nicht rausnehmen und streicheln. Aber das sagte ich in diesem Moment natürlich nicht. Stattdessen sah ich meine Eltern scharf an, damit sie auch wirklich verstanden, wie ungerecht das war.»mhm. Ja, ja «, murmelte Papa.»Das stimmt natürlich, das stimmt.maja!«, platzte Mama da heraus und streckte ihren Zeigefinger in die Luft.»Maja hat kein Haustier!Dohoch«, sagte ich.»maja hat ein Kaninchen.Nee, hat sie nicht«, widersprach Mama triumphierend.»das ist nämlich gestorben.«sie sah sehr zufrieden aus. Aber Papa und ich waren beide ganz bestürzt. Papa legte sein Besteck hin. Mama schaute uns an. Ihr Lächeln verschwand.»oh, tut mir leid«, sagte sie.»aber es stimmt. Majas Mama war heute bei mir im Salon. Ich habe ihr die Haare geschnitten und da hat sie es erzählt. Also, dass Snutte gestorben ist. Er war ja auch schon alt «Sie lächelte ein bisschen verkrampft.»du bist total herzlos«, sagte ich und stand vom Tisch auf.»ihr kapiert gar nichts. Ich bin der Einzige, der nichts zum Kuscheln hat.du kannst mit mir kuscheln«, wandte Mama ein. Ich seufzte.»oder mit Bie«, sagte Papa und versuchte, lustig auszusehen.»oh Mann!«Ich nahm meinen Teller und knallte ihn neben die Spüle. Der Hunger war mir vergangen. Die klebrigen Reste von Hühnchen mit Soße und Kartoffeln lagen noch auf dem Teller. Man muss sich nur mal überlegen, wie sehr sich ein Hund über so eine Mahlzeit gefreut hätte! 8
6 Eine alte Schnecke Am nächsten Tag stand ich wie immer vor unserer Haustür und wartete auf Bie. Mama hatte mich überredet, die dicke Jacke anzuziehen:»es ist immer noch März. Da ist es morgens kalt.«aber sie hatte sich geirrt. In der Sonne war es schon richtig warm und ich stopfte meine Mütze in die Jackentasche. Ich schaute die Straße hinunter in Bies Richtung. Sie kommt eigentlich jeden Morgen bei uns vorbei und dann gehen wir zusammen zur Schule. Manchmal kommt Hugo auch, aber aus der anderen Richtung. Hugo ist mein bester Freund. Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten. Gut im Computerspielen, schlecht im Pünktlichsein so ist Hugo. Er kommt immer in letzter Sekunde angerannt, weil er morgens superverschlafen ist. Aber an diesem Tag beobachtete ich verwundert, wie Bie und Hugo zusammen angelaufen kamen. Aus Bies Richtung.»Hallo«, sagte ich, als sie näher kamen.»wieso kommst du aus der Richtung?«Das Letzte sagte ich zu Hugo, aber er zuckte nur mit den Schultern und gab mir keine Antwort. Bie hakte sich mit einem Arm bei mir unter und mit dem anderen bei Hugo. So gingen wir mit Bie in der Mitte den Hügel zur Schule hoch. Unter der idiotischen Jacke lief mir der Schweiß den Rücken hinunter und auf halber Höhe musste ich mich aushaken, um den Reißverschluss aufzumachen und mich ein bisschen abzukühlen. Ich blieb ein paar Schritte hinter Bie und Hugo zurück. Als ich die beiden so sah, wie sie Arm in Arm vor mir herliefen und sich unterhielten, da kam es mir plötzlich so vor, als würde mir das Atmen schwerfallen. Sie hatten nicht mal bemerkt, dass ich fehlte. 10
7 Aber dann drehte Bie sich um, ließ Hugo los und streckte die Hand nach mir aus.»komm schon, Oskar, du alte Schnecke.«Sie lachte und ihre Augen funkelten. Wenn sie so lacht, dann ist es ganz egal, dass sie einen alte Schnecke nennt. Alles, was sie sagt, klingt fröhlich und warm. Egal, ob sie Du bist der Beste, Oskar sagt oder Du altes Monster wenn ihre Augen so funkeln, fühlt man sich von oben bis unten glücklich. Vor dem Klassenzimmer stand Maja mit Maryam, ihrer besten Freundin. Manchmal denke ich, die beiden sind wie siamesische Zwillinge, weil sie ständig zusammen sind. Nur dass Maja blond ist und Maryam dunkelhaarig. Beide sahen ziemlich unglücklich aus.»was ist denn los?«, fragte Bie und zog ihre Jacke aus. Aber ich wusste es schon. Oder zumindest glaubte ich, es zu wissen.»ist es, weil Snutte tot ist?«, fragte ich. Maja nickte und ließ den Kopf hängen. Sie sah so traurig aus, dass es mir einen richtigen Stich versetzte.»was? Oh nein!«, riefen Bie und Hugo fast gleichzeitig. Maryam legte einen Arm um Maja und sagte:»nach der Schule wollen wir ihn beerdigen. Ihr dürft auch kommen, wenn ihr wollt. Aber erzählt es nicht allen weiter. Sonst werden es zu viele.«sie nickte stumm in Richtung der anderen, die in Grüppchen vor dem Klassenzimmer standen.»okay«, sagte Hugo. Tröstend, aber auch ein bisschen zögerlich, legte er eine Hand auf Majas Arm. Sie waren mal für ein paar Wochen zusammen gewesen, aber dann hatte Maja Schluss gemacht. Als Hugos Hand ihren Arm berührte, schaute sie hoch und seufzte dankbar, bevor sie wieder nach unten auf ihre Füße starrte. Dann kam Ulrika und schloss die Tür auf und es wurde ein Schultag wie jeder andere. Obwohl, eigentlich doch nicht so richtig. Es kam mir nämlich vor, als würde unter der Oberfläche, unter den Mathezahlen, der Schweden- Karte und der Geschichte der Wikinger, eine traurige Melodie erklingen. Das lag natürlich da ran, dass Snutte gestorben war. Aber das war nicht der einzige Grund. Maja hatte wenigstens ein Kaninchen gehabt aber in meinem Herzen klaffte ein großes Loch
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