Stoppt den tierischen Wahnsinn: ökologische Milchproduktion jetzt!
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- Leopold Schäfer
- vor 8 Jahren
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1 Factsheet Landwirtschaft Stoppt den tierischen Wahnsinn: ökologische Milchproduktion jetzt! Mehr Erträge und die Rationalisierung der Produktionsabläufe waren bislang die zentralen Herausforderungen der Landwirtschaft weltweit. Doch heute wissen wir: Mit der industrialisierten Landwirtschaft sind durch den Einsatz von Kunstdünger, Pestiziden, ineffizientem Wasserverbrauch und Gentech-Pflanzen viele Probleme für Mensch, Tier und Umwelt entstanden. Die Landwirtschaft ist vom Klimawandel stark betroffen, trägt aber mit bis zu einem Drittel der Treibhausgasemissionen selbst dazu bei. 1 Für 80 Prozent davon ist die globale Nutztierproduktion verantwortlich Wissenschaftler stellen 2008 im Weltagrarbericht fest: Weiter wie bisher ist keine Option! Es braucht ein radikales Umdenken. 3 Greenpeace, Heinrichstrasse 147, Postfach, CH-8031 Zürich Telefon , Fax Weiter wie bisher ist keine Option Trotz Ertragssteigerungen der letzten Jahrzehnte sind heute eine Milliarde Menschen unterernährt. Die zunehmend industrialisierte Landwirtschaft dient primär der Befriedigung westlicher ressourcenintensiven Ernährungsgewohnheiten oder der Energieproduktion und erst dann der Produktion von Grundnahrungsmitteln. Die Welternährungsorganisation (FAO) erwartet, dass sich die globale Fleisch- und Milchproduktion in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts verdoppeln wird Prozent der globalen Landwirtschaftsflächen beansprucht deshalb alleine die Nutztierproduktion. 5 Wenn sich im Jahre 2050 neun Milliarden Menschen nach westlichem Muster ernähren wollten, bräuchte es 70 bis 100 Prozent mehr Land. 6 Steigenden Landbedarf hat schon heute vor allem der Futterbau. Paradebeispiel Soja: Der Löwenanteil der globalen Sojaproduktion landet in Futtertrögen von Schwein, Huhn, Kuh und selbst in Fischzuchten. Grüne Sojawüsten verdrängen wertvolle Ökosysteme wie Wälder und Savannen in Südamerika, zerstören kleinstrukturierte Kulturlandschaften, die Lebensgrundlage der ansässigen Bevölkerung und belasten durch energie- und chemikalienintensive Anbaumethoden Gewässer, Luft und Böden. In Brasilien treibt der Sojaanbau die Abholzungsraten im Amazonas in die Höhe. Wo bis vor kurzem Vieh geweidet hat, wächst jetzt Soja für Milchkühe oder Mastschweine in Europa oder Asien. Die «Rindviehfront» rückt als Folge davon weiter in Waldgebiete hinein. 7 Die Schweiz: kein Vorbild Immer mehr Land wird weltweit der Nutztierproduktion geopfert und dabei katastrophale Umweltzerstörung in Kauf genommen. Die Schweiz ist für diese desaströse Entwicklung mitverantwortlich. Die Produktivität der Schweizer Landwirtschaft nimmt laufend zu. Gleichzeitig auch die zugekaufte Energie in Form von Erdöl, Maschinen, Importfutter oder Kunstdünger, welche die Lebensmittelproduktion beansprucht. Die Schweizer Landwirtschaft verbraucht zwei Kalorien um eine herzustellen. Ein Minusgeschäft. Massgeblich dafür verantwortlich ist die nicht standortangepasste Nutztierproduktion. Sojaimporte zur Nutztierfütterung vor allem aus Brasilien haben sich seit 1990 verzehnfacht. Das sind mittlerweile täglich um die 800 Tonnen, 300'000 Tonnen im Jahr! Allein in den letzten zwei Jahren ist der Sojaberg um 21 Prozent gewachsen. Die Kuh wird zur Sau gemacht Besonders irritierend ist, dass 41 Prozent der Import-Soja an Kühe verfüttert wird obwohl Wiederkäuer eigentlich Grasfresser sind! Der ursprüngliche Nutzen des «Nutztieres» Kuh, aus nicht 1/5
2 ackerbautauglichem Grasland hochstehende Lebensmittel zu generieren und zudem (gratis!) wertvollsten Dünger für Ackerkulturen zu liefern, scheint vergessen gegangen zu sein. Die Kuh als wichtiges Element eines geschlossenen Produktionssystems ist zur Hochleistungsmaschine degradiert worden. Mit einer Jahresleistung von bis zu 10'000 Liter Milch. Das sind 80 Prozent mehr als noch vor 50 Jahren. Für soviel Milch braucht eine Kuh entsprechend energie- und eiweissreiches Kraftfutter. Zusammengesetzt ist das aus Getreide, Mais und eiweisshaltigen Komponenten wie Soja. Mit einer Million Tieren hat die Schweiz einen der höchsten Rindviehbestände Europas. Auch wenn der Gras- und Heubedarf noch zum grössten Teil im Inland gedeckt wird, reichen die vorhandenen Ressourcen nicht aus. Eine Hochleistungskuh erhält jährlich zusätzlich bis zu 2000 kg Kraftfutter, davon mehrere Hundert Kilo Soja. 8 Für Sojafelder werden in Brasilien Ökosysteme zerstört. Daniel Beltrá / Greenpeace Nutzung von Grünlandflächen: Für einen besseren, eiweisshaltigeren Ertrag werden Wiesen häufiger geschnitten und entsprechend gedüngt. Die dadurch schwindende Blumen- oder Gräservielfalt ist nicht nur ein ästhetischer Verlust. Insekten und Vögel, die auf artenreiche Grünflächen angewiesen sind, verlieren ihren Lebensraum. Gerade auch im Bergebiet ist dieser Vorgang dramatisch. Immer mehr artenreiche Wiesen und Weiden werden aufgegeben. Der Bewirtschaftungsaufwand zahlt sich für Bauern nicht aus, zudem braucht eine Hochleistungskuh Futter von fetten und nicht mageren Wiesen. Die Konzentration auf günstiger und intensiver zu bewirtschaftende Flächen schreitet voran. Umweltauswirkungen Der dank Futtermittelimporten ermöglichte zu hohe Nutztierbestand ist verantwortlich für umweltschädliche Ammoniakemissionen, Phosphor- und Nitrateinträge in die Umwelt. Die Schweiz hat europaweit die dritthöchsten Ammoniakemissionen, wovon das Rindvieh 80 Prozent verursacht 9. Überschüssige Ammoniakablagerungen, über die Luft in Moore, Wälder oder artenreiches Grünland verfrachtet, führen zu weiteren Artenverlusten. Nitrat- oder Phosphoreinträge beeinträchtigen die Wasserqualität. Die Stickstoffüberschüsse (= Ammoniak, Nitrat) von 100'000 t stagnieren seit Jahren. Schweizer Nutztierproduktion läuft aus dem Ruder Bereits heute wird die Hälfte der inländischen Ackerfläche für den Futterbau genutzt. 1 Million Tonnen Futtermittel werden jährlich zusätzlich importiert. Das beansprucht im Ausland nochmals Boden in der Grösse der einheimischen Ackerfläche (ca. 250'000 ha)! Würde man alleine die t Soja im Inland anbauen, bräuchte man gegen 120'000 ha Land. Ein weiteres Problem einer intensiven Milchproduktion ist die veränderte Potenzial einer ökologischen Milchwirtschaft Die Schweizer Milchwirtschaft produziert seit Jahren zuviel. Profitieren davon tun wenige: grosse Milchverarbeiter, -produzenten und allenfalls die Futtermittelindustrie. Viele Bauern leiden unter tiefen Milchpreisen und stehen vor dem Dilemma: ganz aufhören, (noch) mehr produzieren oder umsatteln auf mehr Qualität und Ökologie. Milch ist Hauptproduktionszweig der Schweizer Landwirtschaft und wichtigstes Image-Produkt. «Qualität» und «Swissness» ist in aller Munde. Mit einer zunehmend umweltschädlichen 2/5
3 Intensivproduktion kann der Qualitätsanspruch künftig aber schlecht erfüllt werden. Gerade im vor- und alpinen Raum hat die Schweiz viel erstklassiges Grünland, das nur begrenzt ackerbaulich genutzt werden kann. Eine primär an diese wertvollen Ressourcen angepasste möglichst kraftfutterfreie Milchund Rindfleischproduktion dient allen: Graslandbasierte Produktionssysteme können sich für Landwirte genauso rentieren wie intensive Produktion. 10 KonsumentInnen profitieren von qualitativ hochstehenderen Produkten und nicht zuletzt wird die Umwelt weniger belastet. Davon haben wir nur eine. Landwirtschaft. Bauern und Bäuerinnen versorgen die Bevölkerung mit Lebensmitteln. Wie genau, das beschreibt in der Bundesverfassung Artikel 104 über die Landwirtschaft: «Der Bund sorgt dafür, dass die Landwirtschaft durch eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete Produktion einen wesentlichen Beitrag leistet zur: a. sicheren Versorgung der Bevölkerung; b. Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Pflege der Kulturlandschaft; c. dezentralen Besiedlung des Landes.» Der Nutzen liegt im Gras Die Ausdehnung der gegenwärtig tierischen Überproduktion muss gestoppt werden: Eine wieder konsequent an unsere natürlichen Grundlagen angepasste Rindviehproduktion verringert nicht nur den Soja-Importberg um ganze 41 Prozent, sie reduziert auch Milchüberschüsse sowie die Beeinträchtigung von Böden, Wäldern und Gewässer. Sie ist tiergerechter und generiert Milch oder Rindfleisch mit einem höheren Anteil an wertvollen Inhaltstoffen wie ungesättigten Fettsäuren. Und sie steht nicht in Konkurrenz zur direkten menschlichen Ernährung, sondern liefert Lebensmittel von Land, das nicht für den Ackerbau genutzt werden kann. Machbar ist das, vorausgesetzt ein Umdenken findet statt. Auf der politischen Ebene, aber auch in den Köpfen der KonsumentInnen. Nachfrage steuert bekanntlich zu einem grossen Teil das Angebot. Zudem braucht es in der landwirtschaftlichen Bildung und Beratung einen anderen Fokus: Anstrebenswert ist nicht primär eine möglichst hohe Milch-Jahresleistung, sondern gesunde standortangepasste Tiere. Auftrag klar? Noch nicht! Schweizerinnen und Schweizer zahlen jährlich 3.5 Milliarden Franken an die Graslandbasierte Fütterung ist tiergerechter und generiert Milch oder Fleisch mit einem höheren Anteil an wertvolleren Inhaltsstoffen. Greenpeace / Joël van Houdt Die Schweizer Landwirtschaft erfüllt diesen Verfassungsauftrag nur sehr bedingt: Der «Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen» ist nicht gewährleistet, die Schweizer Lebensmittelproduktion ist bei weitem nicht «nachhaltig». Auch die «Pflege der Kulturlandschaft» ist mit immer weniger artenreichen Wiesen und Weiden nicht erfüllt. Kernelement der jetzt laufenden Verhandlungen zur Agrarpolitik ist die Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems. Steuergelder sollen künftig ziel- und leistungsorientierter verteilt werden. Das macht durchaus Sinn. So führt eine Abschaffung der allgemeinen Tierbeiträge oder die Schaffung von Biodiversitäts- oder Produktionssystembeiträgen sowie Bestimmungen zum Schutz der 3/5
4 Kulturlandschaft tendenziell zu einer an unsere natürlichen Ressourcen angepassteren Milch- und Rindfleischproduktion. Die dafür vorgesehenen Gelder sind aber viel zu tief angesetzt. Noch sollen zu viele Gelder pauschal, also nicht an weitere Forderungen geknüpfte Gelder, ausgeschüttet werden. Auch fehlen klar definierte Umweltziele für die Schweizer Landwirtschaft. Greenpeace fordert: Keine Pauschalzahlungen mehr Leistungsorientierte Zahlungen für ökologische Produktion (sog. Produktionssystembeiträge: Bioproduktion, graslandbasierte Produktion, Biodiversitätsbeiträge) Streichung der allgemeinen Tierbeiträge Bessere Unterstützung der Berglandwirtschaft: Offenhaltungsbeiträge für artenreiche Flächen in Sömmerungsgebieten, Sömmerungsbeiträge für dünger- und kraftfutterfreie Sömmerung, Biodiversitätsbeiträge Was kann ich tun? Kaufen Sie weniger, aber qualitativ hochstehende Milch- und Fleischerzeugnisse Unterstützen Sie ökologisch wirtschaftende Bauern in ihrer Nähe (bspw. Märkte, Hofläden, Direktvermarktung, Kooperativen) Unterstützen Sie Organisationen, Vereine und PolitikerInnen, die sich für eine ökologischere Landwirtschaft stark machen Greenpeace setzt sich weltweit für eine zukunftsfähige, ökologische Landwirtschaft ein, die sich an den natürlichen Kreisläufen und Ressourcen ausrichtet und Lebensmittel ohne Gentechnik und Schadstoffe erzeugt. Weitere Informationen unter: 4/5
5 Fussnoten 1 Bellarby, J. et al., Cool Farming: Climate Impacts of Agriculture and Mitigation Potential. Greenpeace International. 2 McMichael, A.J., Powles, J.W., Butler, C.D., Uauy, R., Food, livestock production, energy, climate change, and health. The Lancet, 370 (9594), Steinfeld H et al., Livestock s Long Shadow: environmental issues and options. Food and Agriculture Organisation of the United Nations. Rome. 5 nature10452.html Arima E. et al., Statistical confirmation of indirect land use change in the Brazilian Amazon. Environmental Research Letters, 6: Baur, P., Sojaimporte Schweiz: Möglichkeiten und Grenzen der Reduktion/Vermeidung von Sojaimporten in die Schweiz Eine Untersuchung im Auftrag von Greenpeace. Agrofutura 9 Bracher, A., Möglichkeiten zur Reduktion von Ammoniakemissionen durch Fütterungsmassnahmen beim Rindvieh (Milchkuh). SHL 10 tteilung/article/es-geht-auch-mit-wenigerkraftfutter.html 5/5
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