Erhaltungszuchtprogramme in Zoos aus der Sicht des bmt
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- Michaela Thomas
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1 Der Zoo der Zukunft Erhaltungszuchtprogramme in Zoos aus der Sicht des bmt Fachgespräch auf Einladung von Undine Kurth, Tierschutzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen am , Berlin Torsten Schmidt An der Kirsebek Kappeln torsten.schmidt@bmt-tierschutz.de
2 Übersicht I. EEP kurz umrissen wieso: globales Artensterben Rechtliche und politische Aspekte: EU-Zoorichtlinie, WAZA Umsetzung II. Grenzen und Konflikte III. Schlussfolgerungen
3 I. EEP kurz umrissen
4 Verlust der Biodiversität Der Verlust der Biodiversität stellt heute eine der schlimmsten Katastrophen weltweit dar Rund 1/3 aller untersuchten Tier- und Pflanzenarten (20.219) werden in der Roten Liste als gefährdet gelistet (IUCN, 2012). Nur ein Bruchteil der bereits bekannten Spezies ist bislang bewertet. Die meisten Arten dürften noch unbekannt sein die Aussterberate von Arten durch menschliche Einflüsse hat sich dramatisch gegenüber der natürlichen Rate erhöht (>1000) Wichtigste Bedrohungsfaktoren für die Artenvielfalt: Lebensraumverlust! Verdrängung der heimischen Flora und Fauna durch eingeschleppte Arten direkte Eingriffe des Menschen wie etwa durch unkontrollierte Entnahme aus der Natur Klimawandel
5 EU-Zoorichtlinie, WAZA WAZA Conservation Strategy (2005) major goal of zoos and aquariums will be to integrate all aspects of their work with conservation activities. EU-Zoorichtlinie (1999) Artikel 1, Ziel Ziel der Richtlinie ist der Schutz wildlebender Tiere und die Erhaltung der biologischen Vielfalt Artikel 3, Anforderungen an Zoos Sie beteiligen sich an Forschungsaktivitäten, die zur Erhaltung der Arten beitragen, und/oder an der Ausbildung in erhaltungsspezifischen Kenntnissen und Fertigkeiten und/oder am Austausch von Informationen über die Artenerhaltung und/oder gegebenenfalls an der Aufzucht in Gefangenschaft, der Bestandserneuerung oder der Wiedereinbürgerung von Arten in ihren natürlichen Lebensraum
6 Erhaltungszuchtprogramme Ziel eines Erhaltungszuchtprogramm ist es, eine genügend große, stabile Zoopopulation einer Tierart mit möglichst großer genetischer Vielfalt, optimaler Geschlechterverteilung und optimaler Altersstruktur zu halten. Meier 2009
7 EEP einige Daten seit Juni 1985 gezielte und koordinierte Zucht (überwiegend) im Zoo gehaltener Arten ursprüngliches Ziel: reine Erhaltungszucht (und möglichst Verzicht auf Wildfänge) seit den 90er Jahren: Schwerpunkt Erhalt bedrohter Arten, Artenschutz, teilweise Aussicht auf Wiederauswilderung Seit 1999: Artenschutz als rechtlicher Auftrag durch EU- Richtlinie aktuell: 189 Arten im EEP, 189 Arten im ESB Weltweit werden etwa 500 Wirbeltierarten in Erhaltungszuchten gemanagt (etwa 1 % der Wirbeltierarten)
8 EEP Akteure und Tätigkeiten Zuchtbuchführer Artkoordinator Coordinator Artkommission Taxon Advisory Group unterstützt führt entsenden Spezialisten Zuchtbuch Studbook Zuchtplan erstellt Koordination aller in den beteiligten Zoos gehaltenen Tiere Zusammenstellen von Zuchtgruppen und Austausch von Jungtieren unter Berücksichtigung genetischer Kriterien Schaffung optimaler Gruppengrößen Standardisierung und Optimierung von Haltungsbedingungen beteiligte Zoos befolgen die Vorgaben Universitäten Privatzüchter Quelle: Meier 2009
9 II. Grenzen und Konflikte
10 600 Auswahl der Tiere Akut vom Aussterben bedrohte Tierarten (IUCN, 2012) Nur jede elfte Vogel-Spezies, die als "akut vom Aussterben bedroht" eingestuft ist, gibt es in Volieren. Für Amphibien sieht es noch schlechter aus. Nur drei Prozent der gefährdeten Arten leben in Zoo-Terrarien. (Science 2011)
11 Auswahl der Tiere
12 Auswahl der Tiere Überwiegend Flagschiffarten, also bedrohte Tierarten mit hohem Schauwert; idr große Säugetiere (Paarhufer, Unpaarhufer, Raubtiere) Häufig wird eine Auswilderung gehaltener bedrohter Tierarten offensichtlich nicht mehr angestrebt; die gezeigten Tiere stehen nur noch stellvertretend für ihre bedrohten Artgenossen; man setzt auf umweltpädagogische Effekte
13 Rolle der Zoos als Naturschutzzentrum Erhalten Erlernen Erleben Erholen Erhalten Erlernen Erleben Erholen Wertigkeit der 4E für Zooverantwortliche Wertigkeit der 4E für Zoobesucher (Meier 2009)
14 Hohe Anforderungen an die Zucht Teilweise kleine EEP-Populationen (Gefahr der Inzucht) Zucht von Unterarten schwierig teilweise erscheint Zucht mit Hybriden notwendig Bei der Zucht von Wildtieren in Menschenobhut sind sozial kompetente Individuen anzustreben, die sich sowohl für die weitere Zucht, wie für eine mögliche Wiederausbürgerung eignen. Relevante Aspekte, wie Partnerwahl, Abwanderungsverhalten, Gelegenheit für starke Persönlichkeiten, sich durchzusetzen, sind bei einem verantwortungsvollen Zuchtmanagement zu berücksichtigen. (Ganssloser 2003) Daher: Zucht im Überschuss (Dilemma überzählige Zootiere)
15 Exkurs: Überzählige Jungtiere Als Lösung bietet sich der vom Schweizer Tierschutz STS unterbreitete Vorschlag an, wonach überzählige Tiere und deren vereinzelte Euthanasie unter der Bedingung einer umfassend artgerechten Haltung, die per definitionem eine Möglichkeit zur Vermehrung einschließt, toleriert werden können. (HILDEBRANDT et al. 2012) Bewertung Positiv: Der Versuch einen neuen Ansatz, einen Kompromiss zu erarbeiten Negativ: Ein Signal zum vertrauensvollen Dialog zwischen Tierschutz- und Zooseite ist kaum erkennbar Teilweise erscheint die Interpretation hinsichtlich der aktuellen juristischen Auslegung des vernünftigen Grundes des TierSchG als fraglich Die im Papier geforderten Haltungsanforderungen gemäß STS werden von Zoos idr nicht umgesetzt, so dass sich die Zoos erneut in einer fachlichen Sackgasse befinden
16 Hohe Anforderungen bei Auswilderungen Wiederauswilderungen als Ziel der Erhaltungszuchtprogramme - sind idr fachlich sehr anspruchsvoll, sehr zeit- und arbeitsaufwendig, sehr kostspielig (z.b. Goldgelbes Löwenkopfäffchen pro Tier ca Dollar) Es gibt keine Erfolgsgarantie (Kleinman 1996) Erfolge sind schwer messbar (unterschiedliche Modelle) Griffith et al (1989): 44 % erfolgreich (Säugetiere, Vögel) Beck et al (1994): 11 % erfolgreich Fischer, Lindenmayer (2000): 26% erfolgreich, 27 % Misserfolg, 47 % unbekannt Dollinger (2012): 12% höchst erfolgreich, 46% erfolgreich, 36% teilweise erfolgreich, 6% Misserfolg Infektionen, die von den gezüchteten Tieren auf die Wildpopulation übertragen werden, können ein großes Problem darstellen Die Haltung von Wildtieren in Menschenobhut über mehrere Generationen geht mit dem Verlust wertvoller teilweise für das Überleben wichtiger tradierter Verhaltensweisen einher und kann Auswilderungserfolg in Frage stellen
17 III. Schlussfolgerungen, Thesen
18 Ex-Situ-Erhaltungszuchtprogramme (außerhalb der Ursprungsländer) haben einige Tierarten vor dem Aussterben bewahrt, sind jedoch schwierig zu organisieren, sind kostspielig, benötigen viel Fachwissen und (viel) Platz für die Tiere. Sie machen zudem wenig Sinn, wenn sie nicht mit dem Schutz oder der Wiederherstellung der entsprechenden natürlichen Lebensräume gekoppelt werden. Letztendlich können Erhaltungszuchtprogramme keinen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt leisten, sie kratzen wenn überhaupt gerade mal an der Spitze des Eisberges (Meier 2009)
19 Fazit/Forderungen/Aussicht Grundvoraussetzung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt besteht darin, die Ökosysteme und natürlichen Lebensräume in situ zu erhalten und lebensfähige Populationen von Arten in ihrer natürlichen Umgebung zu bewahren und wiederherzustellen. (Artikel 8 CBD, Okt. 2011). Der Schutz der Lebensräume der Tiere ist bei weitem der effektivste und kostengünstigste Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Ex-situ-Maßnahmen sollten vorzugsweise im Ursprungsland umgesetzt werden (Artikel 9 CBD, Okt. 2011). Wenn er nicht geboren worden wäre, lebten derzeit in der ostafrikanischen Serengetisteppe 2,5 Millionen Großtiere weniger. Seit er 1958 dieses Gebiet zum Nationalpark machte, vermehrten sich dort 60 Elefanten auf gegenwärtig 4.500, 837 Giraffen auf über , 1700 Impalas auf , 1500 Büffel auf , Zebras auf , Gazellen verschiedener Arten auf über 1 Million, Gnus auf 1.5 Millionen. (Dröscher 1986)
20 Fazit/Forderungen/Aussicht Die Effektivität der Zoos hinsichtlich ihres Beitrages zum Artenschutz kann deutlich gesteigert werden. Dazu sollten folgende Punkte überdacht werden Bessere Vernetzung der Zoos untereinander. Zu wenig Zoos sind in Verbänden organisiert und nehmen an Zuchtprogrammen teil Auswahl der Tierarten. Müssen es vorrangig große Säugetiere sein oder sollten nicht die Schutzbemühungen zunehmend für kleinere hochgradig bedrohte Arten, bspw. für Amphibien, erheblich verstärkt werden? EEP-Regelwerk. Bedrohte Tierarten, die bereits in einem EEP gelistet sind, sollten in allen Zoohaltungen verbindlich den EEP-Regeln unterliegen (z.b. auch die im TP Berlin gehaltenen Elefanten), damit stets auf einen optimalen Genpool zurückgegriffen werden kann. Auch nicht in Verbänden organisierte Einrichtungen und Halter sollten im EEP/ESB Zugang finden. Ggf. Bildung von Spezialistenzoos, um die Effektivität der Maßnahmen zu verbessern (Forderung MPI, 2011)
21 Fazit/Forderungen/Aussicht Eine Haltung bedrohter Wildtierarten in Zoos ist nur dann verantwortbar, wenn auch genug Daten aus dem Freiland vorliegen, die eine verhaltensgerechte Haltung sicherstellen (kein trail and error ) Der Erfolg von Arterhaltungsmaßnahmen, bei dem die Zucht nur ein Bestandteil sein kann, sollte regelmäßig bewertet werden (vgl. Chester-Zoo) Eine Zucht und Haltung bedrohter Tierarten, deren Lebensraum unwiederbringlich verloren ist, ist ethisch problematisch (Lebende Museumsstücke) Es gibt eine Reihe von Tierschutzkonflikten bei der Erhaltungszucht, z.b. Wildentnahmen, Zuchtselektion (z.b. Partnerwahl), Transporte, Verbleib von überzähligen oder unerwünschten Tieren. Tierschutzaspekte sollten jedoch nicht pauschal den Interessen des Artenschutzes untergeordnet werden. Wünschenswert wäre ein vertrauensvoller Dialog zwischen Zoo- und Tierschutzseite, da die Erhaltung der biologischen Vielfalt beiden Seiten am Herzen liegt.
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