ALEXANDER GALIN DER ITALIENER. (Originaltitel: Titul) Komödie in zwei Akten. Aus dem Russischen von Renate Landa

Transkript

1 ALEXANDER GALIN DER ITALIENER (Originaltitel: Titul) Komödie in zwei Akten Aus dem Russischen von Renate Landa 1

2 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 1995 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. 2F1

3 PERSONEN Mestscherskaja, Nina Georgijewna Sergej 3

4 ERSTER AKT Abend. Regen. Vor einer Bar nasse Tische - die Gäste sind ins Innere gegangen. sitzt allein an einem Tisch. kommt. Warum bist du aus Haus gelaufen? Wohnung... Komm... zurück! (Leise:) Ich komm nicht mit... Hörst du? Wir gehen zu Hause. Dort wir werden reden! Du hast mir schon alles gesagt... Du hast mir betrogen? Sag mir Wahrheit... Ich sag dir überhaupt nichts mehr. Basta! Ich bin weggegangen von meine Frau... Ich warte auf Wochenende, wenn ich kann von Bologna zu dir nach Rom kommen. Ich komme, aber du gehst auf Straße... Ich muß lebenswichtige Probleme entscheiden der Tanz geht los. Verwechsel nicht das eine mit dem andern, und wirf nicht alles in einen Topf. Ich werde nicht mit dir schlafen! Nicht? Nein! Ich haben dir schon so viel geschenken! Zählt das nicht? Geschenkt! Geschenkt! Geschenkt! Ge-schenkt! Schrei nicht! Was hast du mir geschenkt? Hier regnet. Komm mit unter eine Dach... Ich finds hier gut. Du hast mir eine Wohnung gemietet, dort kann man vor Hitze eingehen. Man kriegt keine Luft so heizt sich das tagsüber auf... Die Hitze dort bringt mich um... ( hat sich an den Tisch gesetzt. steht auf und setzt sich in die entgegengesetzte Ecke.) 5

5 Hör zu, kleine Luder nach welche Pfeife soll ich tanzen? Ich krieg hier Hungerödeme! Ich bin bescheuert... bescheuert... Du haben gesagt: Der Tanz geht los! Kleine Luder! Du hast gesagt! Ach, bin ich bescheuert! Bescheuert! Du hast gesagt der Tanz geht los!, hier ist nicht Moskau! Wenn du wirst mich nicht lieben, du fährst zurück nach Hause! (Laut.) Ich werde nicht nach deine Pfeife tanzen! Das ist eine andere Wendung! Was hast du dauernd mit deiner Pfeife, du Esel!! Hier, in diese Land ich bin Scorza! Signor Scorza! Keine Esel! Auch kein anderer Tier! Wiederhole, was du mir haben gesagt... Was du mir gesagt hast! Hast du das zu mir gesagt? Du kommst her, und sofort ins Bett, ohne nach links und rechts zu gucken. Na schön, das versteh ich ja noch du hast mich zehn Tage nicht gesehen. Aber im selben Moment fängst du an, Geld zu zählen... Wieder hab ich dich bestohlen. Aus! Faß mich nicht mehr an. Kehr zu deiner Frau zurück soll sie dich dort beruhigen. Du kreuzt hier auf, fragst nicht, wies mir geht, hast bloß Mamas Paß im Kopf... Den Paß will er sehen! Ich habe bloß gefragt, will Mama verkaufen oder nicht! Ich hab dir zwanzigmal gesagt nein! Nein! Nein! Du haben versprochen Mama verkauft. Dafür ich habe sie eingeladen... Geld gegeben! Du hast mir betrogen jetzt ich komme in Gefängnis für Schulden! Und ich hab meine Mutter eingeladen, damit sie sich mein Hundeleben hier mal anguckt. Und daß du sofort Mamas Paß sehen wolltest, das werd ich dir nie verzeihen. Für euch sind wir überhaupt keine Menschen. Ich hab dir gesagt sie heißt auch im Paß Mestscherskaja! Ich muß gehen in Gefängnis für Schulden! Auf Foto, den du mir früher gezeigt hast, sie ist sehr jung für ein Mama... Du hast Freundin eingeladen! 6

6 Mama ist kein Pferd, dem du ins Maul gucken kannst! Sie hat ihre Geburtsurkunde mitgebracht. Dort steht auch der Mädchenname ihrer Mutter Me-stscher-ska-ja! Esel! (Schweigen.) Sie ist eine Fürstin Mestscherskaja, meine Mama. Verstehst du, meine Mama ist eine Fürstin, und auf ihrer Linie auch ich! Du redest mit der Tochter einer russischen Fürstin! Kapiert! Wir haben euereins im vorigen Jahrhundert höchstens bis in die Küche gelassen! Und heutzutage, sieh mal an, willst du meine Mama verhören, um dich zu vergewissern! Wenn du ihr Gesicht siehst, wird dir sofort alles klar. Ich werde dir sagen über Mamas Gesicht, aber du haben mir wieder genannt... Wiederhole, was haben du mir gesagt? Hast gesagt! (Hart:) Hör zu,! Bei uns in Italia, wenn eine Frau zu einem Mann ins Gesicht sagt, was du mir sagst, dann er braucht keine Advokat. Er kann ihr sofort töten... Diese Wort ich muß nicht in Wörterbuch nachgucken. Ich lasse dir vorläufig leben. Schon zuviel Geld ausgegeben für dich und dein Mama, die Aristokratin. Wenn ich habe diese Geld zurück, ich schlage dich tot... wie tolle Katze oder Hund. Für jede nächste Grobheit kriegst du kleine Hündin eine Kugel! Zwei Kugeln! Wenn du mich noch mal so anschreist, fährst du (auch) nach Moskau und suchst dir eine andre Dumme. Soll sie meinen Platz einnehmen! So ist das... Starr mich nicht an wie eine Maus du bist keine Schlange. Ich meine jetzt ernst... Für jede neue Tier... Keine Drohungen! Dir würde ja das Geld für die Beerdigung leid tun. Es läßt dir keine Ruhe, wieviel Millionen du für mich ausgegeben hast. Alles wirst du schlucken... Du kannst ohne unseren Titel jetzt nicht mehr leben!, ich habe keine Geld. Aber für deine Beerdigung ich werde Geld finden. Dafür reicht wenig... ein paar Kopeken... für so eine Luder. Na, dann bring mich doch so schnell wie möglich unter die Erde... beerdige mich! Das ist immer noch besser als solch ein Leben... (Schweigen.) 7

7 (Leise:) Wieso ich bin eine Schlange? Habe ich dich gebissen? Du mußt richtig hinhören. Ich hab nicht gesagt eine Schlange! Ich hab gesagt keine Schlange! Begreifst du, was ich sage? Keine Schlange! Keiner hat die Absicht, mit dir zu tanzen. Das ist bei uns so eine Redewendung. Mit Tanzen hat das überhaupt nichts zu tun... Es bedeutet, jetzt wird reiner Tisch gemacht... (Schreit:) Was für eine Tisch? In dem Sinne, daß man eine Sache klärt, Ordnung schafft. Warum mußtest du auch in so einem Moment vom Geld anfangen! So kann ich nicht. Wenn ich dreißig Jahre älter bin, werd ich mich im Bett mit Arithmetik befassen. Du bist sauer, wenn ich dich Esel nenne... und ich bin sauer, wenn du mir beibringen willst, wie ich leben soll... von zehntausend Lire im Monat... Warum du haben mir in Moskau nicht so schlecht genannt? Hast mich genannt! (Küßt ihn.) Sei still, verhunz nicht unsre große und mächtige Sprache. Erinnerst du dich an das Denkmal des ersten Buchdruckers? Wenn du so redest, wird er wütend, steigt von seinem Sockel und knallt dir eine. Warum hast du das von Mamas Gesicht gesagt? Wenn du sie siehst, wird dir alles klar. In unseren Papieren steht, daß Mamas Großmutter im Smolny-Institut studiert hat. Die Fürstin Mestscherskaja, das ist meine Urgroßmutter. Kennst du den Smolny? Du hattest ja in Moskau nichts weiter im Kopf als Mädchen, schwarzen Kaviar und Ikonen! Du Schieber! Ihr Italiener wart doch bloß hinter allen Moskauer Mädchen her, habt massenweise Kaviar eingesackt und euch die Ohren erfroren! Du hast dir doch die Ohren erfroren? Welches? Das rechte oder das linke? Ich haben beide eingefroren. Mama hat Papiere mitgebracht, in denen steht, daß auch ihre Urgroßmutter eine Smolny-Schülerin war! Aber damals konnte man schon dafür an die Wand gestellt werden, daß man adlig war, darum hat Mamas Großmutter die Papiere vergraben. Sie war auch im Lager... Unsre Wappenbriefe hat sie erst ausgegraben, als Stalin - tot war. Hat keinem was davon erzählt. Sie war ihr Leben lang Buchhalterin in einem Artel. Erst auf dem Sterbebett hat sie gesagt Nina, du bist eine Erbfürstin. In Kursk hatten wir auch Häuser und Ländereien. Sie hat uns die Papiere hinterlassen... Es kommt die Zeit, hat sie gesagt, da wird Gott die Gerechtigkeit wiederherstellen, und wir kriegen alles zurück. Und Mama glaubt daran. Hast du begriffen, warum sie ihren Titel nicht verkaufen will? 8

8 Ich hab ihr doch nicht geschrieben, wozu ich die Papiere brauche. Ich hab sie bloß gebeten, sie mitzubringen. Sie hat sie mitgebracht, und ich sag ihr: Verkauf sie! Ich kann sie verstehen. Vielleicht genügt meine Unterschrift? In meinem Paß steht auch Mestscherskaja! Du bist Mestscherskaja. Aber du kannst nicht unterschreiben... Du kannst nicht Verkäufer sein... Nur dein Mama... Sie ist Erbin von Mestscherskaja Großmutter... Urgroßmutter. Soll Mama sterben... Hüte deine Zunge! Hundert Jahre soll sie leben! Meine Mama ist eine sehr eigenartige Frau. Merks dir eine sehr eigenartige Frau! Ich hatte auch eigenartige Papas. An alle kann ich mich nicht erinnern. Mein richtiger hieß Kjasym. Mama hat ihrer Tochter wenig Aufmerksamkeit geschenkt... Die Väter standen hoch in Ehren! Aber ihr müßt ihm alles geben... alle Dokumenten. Er, diese Japaner, kauft Dokumente... Hör mal, können wir nicht für Mama eine Kopie machen? Für Nowotscherkassk... Nein..., gibt es nur die einen Papiere, die echten. Alles muß sein nach Gesetz. Hier gibt es Advokaten, Richter, hier ist nicht Moskau... Sie werden sie Konsultant zeigen. Er muß sagen, daß alle Dokumente sind echt. Wer ist dieser verdammte Japaner? Reicher Japaner. Er hat eine Advokat in München... Wartet, wann wir anrufen. Wenn ich heute anrufe, er kommt morgen mit Flugzeug. Überrede dein Mama, und du wirst viele Geld haben, sehr viele... Also, wir verkaufen ihnen die Dokumente, und was dann? Japaner wird Fürst... und wir beide sind nicht Fürst... Und Mama ist auch nicht Fürst... Nein... Laß mir Zeit. Ich muß nachdenken. (Schweigen.)... warum du sagst nachdenken? Ich hab dein Mama eingeladen... Geld geborgen... Mama ist gekommen, lebt hier... Hab ich wieder geborgen. 9