SACHSTANDSBERICHT Artenschutzprojekt Knoblauchkröte in der Lippeaue
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- Bärbel Böhler
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1 SACHSTANDSBERICHT Artenschutzprojekt Knoblauchkröte in der Lippeaue 2014 Biologische Station im Kreis Wesel e.v.
2 2014 Kontakt: Biologische Station im Kreis Wesel e.v. Dipl. Landschaftsökol. Johanna Siewers Freybergweg Wesel Tel.: siewers@bskw.de Dezember 2014
3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Material & Methoden Allgemeines edna-analyse (RAVON) Bestandserfassung (BSKW) Kartierung Wasserlebensraum (BSKW) Wasserstand (BSKW) Wasserchemie (BSKW) Kartierung Landlebensraum (BSKW) Bodenbohrungen (Böcke) Ergebnisse und Auswertung edna-analyse Bestandserfassung Kartierung Lebensraum Bodenbohrungen Networking Fazit Ausblick Literatur
4 1. Einleitung In der Vorbereitungsphase des Projektes Knoblauchkröte in der Lippeaue wurde das Vorkommen der Knoblauchkröte in dem Naturschutzgebiet Lippeaue sowie weiteren potentiell geeigneten Gewässern im Kreis Wesel untersucht. Das Projekt wurde gefördert vom Kreis Wesel und der NRW-Stiftung. Der Schwerpunkt dieses Projektes lag in der Untersuchung mithilfe der Methode der edna-analyse (environmental- DNA). Dabei kann anhand von Wasserproben das Vorhandensein von DNA-Spuren (Hautzellen, Urin etc.) der Knoblauchkröte (von Larven bis zum adulten Tier; beide Geschlechter) in Gewässern getestet werden. Des Weiteren wurden Bodenbohrungen für eine spätere Standortwahl für Neugewässer durchgeführt, Kartierung des Landund Wasserlebensraums, Messung der Wasserstände und Wasserchemie sowie eine Bestandserfassung parallel zur edna-analyse. Die Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) ist eine FFH-Art (Anhang IV) und steht auf der Roten Liste der in NRW gefährdeten Lurche (2011) in der Kategorie vom Aussterben bedroht (Schlüpmann et al., 2011). Die jüngsten Meldungen sind drei (2012) bzw. zwei (2013) Männchen am Melkweg (Specht, 2014). Jedoch ist nicht bekannt, welche Gewässer aktuell im Kreis Wesel von wie vielen Tieren besiedelt sind oder ob überhaupt noch eine Reproduktion stattfindet. Neben der Knoblauchkröte wurde auch das Vorkommen des Kammmolches (FFH-Art Anhang II, IV) untersucht, dessen Bestand in NRW und dem Niederrheinischen Tiefland als gefährdet gilt. Bei dem bevorzugten Lebensraum beider Arten gibt es Überschneidungen und beide Arten sind in der Lippeaue bereits nachgewiesen worden. 2. Material & Methoden 2.1 Allgemeines Im Februar 2014 erfolgten nach den Ausschreibungen die Auftragserteilungen für die edna-analyse (Stichting RAVON, Nijmegen) und die Bodenbohrungen in der Lippeaue (Böcke, Dinslaken). Es kam zu einer Mittelverschiebung zwischen den beiden o.g. 4
5 Posten, diese wurde von der NRW-Stiftung bewilligt, wodurch das Projekt wie geplant fortgesetzt werden konnte. Bei der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Wesel wurde eine Landschaftsrechtliche Befreiung für die Rammkernsondierungen im Naturschutzgebiet Lippeaue sowie für die Wasserprobenentnahme beantragt. Zum Schutz der Brutvögel wurden die Rammkernsondierungen erst zum Ende der Brutsaison ab dem 15. Juli geplant. Die Bohrungen wurden von der BSKW bauökologisch begleitet. Ein Antrag auf Lichtbildauswertung zur Überprüfung der Bohr-Standorte auf Kampfmittelverdacht wurde über das Ordnungsamt Schermbeck beim Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) der Bezirksregierung Düsseldorf eingereicht. Es konnte kein konkreter Kampfmittelverdacht festgestellt werden. Aus diesem Grund können Rammkernsondierungen < 80 mm, so wie es hier der Fall ist, ohne weitere Überprüfungen durch den KBD durchgeführt werden. Als weitere Absicherung vor der Bodenbearbeitung wurden die ausgewählten Flächen auf Versorgungsleitungen überprüft. Dazu wurden Pläne bei den Firmen RWE / Westnetz, Amprion, RWW, Gelsenwasser und Telekom für die relevanten Flächen eingeholt, damit keine Leitungen durch die Arbeiten beschädigt werden. An den geplanten Standorten waren keine Versorgungsleitungen betroffen. 2.2 edna-analyse (RAVON) Die edna-analyse wurde an insgesamt 30 Gewässern im gesamten Kreisgebiet durchgeführt. Die Auswahl der Gewässer richtete sich nach folgenden Auswahlkriterien: (1) bekanntes Vorkommen der Art, (2) im direkten Umfeld bekannter Vorkommen, (3) historisch bekannte Vorkommen und (4) potentiell geeignete Gewässer. Somit ergaben sich folgende Gebiete (s. Anhang 1): NSG Lippeaue in Damm/Bricht und Obrighoven (19 Gewässer), NSG Droste Woy (2 Gewässer), NSG Bislich-Vahnum (1 Gewässer), Raum Diersfordt (3 Gewässer), NSG Ossenberger Schleuse (3 Gewässer) und NSG Orsoyer Rheinbogen (2 Gewässer). 5
6 Die Probenahme wurde aufgrund der Empfehlung von RAVON auf den Zeitraum Anfang Juni gelegt, da zu diesem Zeitpunkt sowohl die DNA der adulten Männchen und Weibchen, als auch die der Kaulquappen im Wasser nachweisbar ist. Am 3.6, 5.6 und wurden die Gewässer durch RAVON, Herrn Jöran Janse, beprobt. Die BSKW hat die Beprobung teils begleitet, um die Methode kennenzulernen. Aufgrund des trockenen Frühjahres führten einige der traditionellen Knoblauchkröten-Gewässer (Lippealtarm und Gewässer an der Judenweide) 2014 kein Wasser. Die Wasserproben wurden anschließend an SpyGen (Frankreich) weitergeleitet und dort im Labor ausgewertet. Eine Wasserprobe besteht immer aus mindestens 20 Teilstichproben, die mit Hilfe einer kleinen Schöpfkelle an geeigneten Mikrohabitaten des gesamten Wasserkörpers entnommen werden und zu einer Gesamtprobe gemischt werden. Ausführliche Beschreibungen zu dieser sehr komplexen Methode sind dem Angebot von RAVON vom 3. Februar 2014 zu entnehmen. Abb. 1. Probenahme durch RAVON im Gewässer Nr. 6, Altarm Obrighoven (Juni 2014). 6
7 2.3 Bestandserfassung (BSKW) Weitere Untersuchungen beschränkten sich ausschließlich auf das NSG Lippeaue, dem Schwerpunktgebiet dieses Projektes aufgrund der jüngsten Nachweise. Insgesamt wurden 14 Gewässer (Nr. 9 bis 22) im östlichen Teil des NSG bei Damm/Bricht näher betrachtet. Die Bestandserfassung der Knoblauchkröte folgte den LANUV-Empfehlungen: An drei Terminen zwischen Anfang April und Juli sollte ein Nachweis per Verhören, Sichtbeobachtung und Keschern erfolgen (LANUV NRW, 2010). Die Erfassung der rufenden Männchen wurde mittels Unterwassermikrofon DolphinEar durchgeführt. Zusätzlich wurde das Gewässer am Melkweg (Nr. 12) aufgrund der jüngsten Nachweise aus den Vorjahren Mitte Juli noch mittels Eimerreuse kontrolliert. Die edna-analyse kann zwar Aussagen über die Präsenz einer Art treffen, aber nicht, ob die DNA-Spuren im Wasser auch von Larven stammen, also ob eine erfolgreiche Reproduktion stattgefunden hat. 2.4 Kartierung Wasserlebensraum (BSKW) Nach dem ABC-Bewertungsbogen des LANUV NRW (2010) für die Knoblauchkröte sind für die Habitatqualität folgende Parameter ausschlaggebend: Flachwasserzonen, Besonnung, Deckungsgrad emerse/submerse Vegetation, Austrocknung und Vernetzung zum nächsten besiedelten Gewässer. Diese Faktoren wurden für die 14 Gewässer untersucht. 2.5 Wasserstand (BSKW) Der Wasserstand wurde durch das Anbringen eines Pegels im Gewässer an insgesamt fünf Terminen monatlich von März bis Juli gemessen. Die im Antrag angedachten sechs Termine wurden aufgrund der Austrocknung vieler Gewässer nicht durchgeführt. Die Fragestellung nach der Wasserführung in den Monaten kurz vor der 7
8 Laichzeit und nach der Metamorphose der Kaulquappen kann mit den ermittelten Daten beantwortet werden. Abb. 2. Mittig im Bild ist der Pegel zu erkennen, Gewässer Nr. 19 (März 2014). 2.6 Wasserchemie (BSKW) Die Messungen der Wasserchemie (ph, Temperatur, Sauerstoff, Leitfähigkeit) erfolgte an insgesamt vier Terminen im März, Mai, Juni und Juli mittels YSI Messsonde. 2.7 Kartierung Landlebensraum (BSKW) Der Aktionsradius der Knoblauchkröte beschränkte sich meist auf nur wenige Hundert Meter zwischen dem Laichgewässer und dem Winterhabitat. Für eine Auswertung der vorhandenen Biotope wurde ein 200 m Radius um die Gewässer betrachtet und nach Biotoptypen aufgeschlüsselt. Die Auswertung erfolgt nach den Habitatansprüchen der Art gemäß ABC-Bewertungsbogen des LANUV NRW (2010). 8
9 2.8 Bodenbohrungen (Böcke) Am 16. und 17. Juli 2014 wurden die zehn Rammkernsondierungen von der Firma Böcke durchgeführt. Die chemische Analyse nach LAGA M 20 wurde für die Bodenprobe aus den ersten zwei Metern unter dem Oberboden durchgeführt. Abb. 3. Rammkernsondierungen durch die Fa. Böcke in der Lippeaue (Juli 2014). 3. Ergebnisse und Auswertung 3.1 edna-analyse Am 29. September 2014 erhielt die BSKW den Ergebnisbericht von RAVON. Die Analyse der 30 Wasserproben mittels edna-technik ergab keinen Nachweis für die Knoblauchkröte, jedoch in 13 von 30 Fällen, Nachweise für den Kammmolch (s. Tab. 1). Somit ist für 43% der untersuchten Gewässer der Kammmolch nachgewiesen. Diese hohe Präsenz ist sehr erfreulich, da der gefährdete Kammmolch somit in einem weiträumigen Abschnitt in der Lippeaue vorkommt. Die offene Landschaft der 9
10 Lippeaue mit den großflächigen Weiden und Wiesen, aber auch die kleinräumigen Strukturen wie Hecken und kleinen Wäldern als Überwinterungshabitat sind für den gefährdeten Molch geeignet. Der Kammmolch ist ein typischer Bewohner dieser Niederungslandschaft mit Auen und Altarmen (AK Amphibien und Reptilien, 2010). Jede der 30 Wasserproben wurde insgesamt zwölfmal auf DNA-Spuren der jeweiligen Zielart getestet. Diese Wiederholungen werden durchgeführt, um die Zuverlässigkeit der Analyse zu erhöhen: So kann auch wenig DNA in einer Probe noch sicher nachgewiesen werden. Die Spalte Positive Wiederholungen der Tab. 1 zeigt also an, wie viele der 12 durchgeführten Analysen pro Gewässer positiv waren. Wenn nur wenige der Wiederholungen DNA-Spuren aufweisen, dann ist die Dichte der Art in dem Gewässer vermutlich auch gering. Wenn ein Großteil der 12 Analysen positiv ist, dann kann dies jedoch zwei verschiedene Gründe haben: Entweder ist die Konzentration von DNA hoch, weil die Dichte der Tiere auch hoch ist, oder aber es wurde eine Wasserprobe in der Nähe von einem Individuum/wenigen Individuen gezogen und daher ist die DNA-Konzentration der Probe auch hoch. Daher ist nur eine relative Bewertung der Dichte möglich. Die Ergebnisse sind von zu vielen Zufalls-Faktoren abhängig, wie entnommene Wassermenge und die Wahl der einzelnen Standorte für die Beprobung. Der Kammmolch war in den meisten positiv getesteten Gewässern mit 6/12 bis 12/12 positiven Wiederholungen vertreten. Da der Kammmolch bei früheren Untersuchungen mittels Kescher und Wasserfalle in der Lippeaue meist sehr individuenstark auftrat (teils mit 6 Tieren pro Wasserfalle) ist davon auszugehen, dass die Dichte der Art in den einzelnen Gewässern tatsächlich groß ist. Aufgrund der sehr ähnlichen Habitatansprüche, vegetations- und nährstoffreiche, besonnte und fischfreie Gewässer im Offenland, zählt der Kammmolch zu einer der häufigsten Begleitarten der Knoblauchkröte. Die Knoblauchkröte zeigt insgesamt eine hohe Tendenz zur Vergesellschaftung (AK Amphibien und Reptilien, 2011). 10
11 Tab. 1. Ergebnisse der edna-analyse (0/12 bis 12/12 = relative Bewertung der Dichte). Nr. Gebiet/NSG Knoblauchkröte Positive Wiederholungen Kammmolch Positive Wiederholungen 3 Lippeaue. 0/12. 0/12 4 Lippeaue. 0/12. 0/12 5 Lippeaue. 0/12. 0/12 6 Lippeaue. 0/12. 0/12 6A Lippeaue. 0/12. 0/12 7 Lippeaue. 0/12. 0/12 11 Lippeaue. 0/12 x 9/12 12 Lippeaue. 0/12 x 12/12 13 Lippeaue. 0/12 x 12/12 14 Lippeaue. 0/12 x 3/12 15 Lippeaue. 0/12. 0/12 15A Lippeaue. 0/12. 0/12 16 Lippeaue. 0/12. 0/12 19 Lippeaue. 0/12 x 3/12 20 Lippeaue. 0/12 x 1/12 21 Lippeaue. 0/12 x 8/12 22 Lippeaue. 0/12 x 4/12 25 Diersfordt. 0/12 x 6/12 27 Diersfordt. 0/12 x 10/12 28 Droste Woy. 0/12. 0/12 29 Ossenberger Schleuse. 0/12 x 12/12 30 Ossenberger Schleuse. 0/12. 0/12 31 Diersfordt. 0/12 x 12/12 32 Bislich-Vahnum. 0/12 x 1/12 34 Ossenberger Schleuse. 0/12. 0/12 35 Droste Woy. 0/12. 0/12 36 RWE, Obrighoven. 0/12. 0/12 37 Haus Schwarzenstein. 0/12. 0/12 39 Orsoyer Rheinbogen. 0/12. 0/12 40 Orsoyer Rheinbogen. 0/12. 0/12 Auch wenn die edna-analysen keinen Nachweis der Knoblauchkröte erbrachten, so ist das Potential laut RAVON, in Bezug auf den Land- und Wasserlebensraum, für beide Arten sehr hoch. Dank der langjährigen Erfahrungen der RAVON-Mitarbeiter sind die speziellen Ansprüche der Knoblauchkröte sowie viele der intakten Vorkommen in den Niederlanden und Polen bekannt. Von den 30 Gewässern wurden 11
12 von RAVON insgesamt 14 als vielversprechend eingestuft, 12 davon liegen im NSG Lippeaue (s. Tab. 2). Elf der 30 Gewässer wurden als mäßig geeignet eingeschätzt, da beispielsweise ein hoher Fischbesatz oder zu kleiner Landlebensraum ungünstig ist. Tab. 2. Einschätzung der Standorte nach RAVON auf Eignung als Knoblauchkröten- Lebensraum. Nr. Kurze Einschätzung Nr. Kurze Einschätzung 3 Vielversprechend 21 4 Fische 22 Vielversprechend Vielversprechend 5 Vielversprechend; Hirudo medicinalis 25 Eier vom Kammmolch 6 Vielversprechend 27 6A Vielversprechend 28 7 Vielversprechend, aber Fische Vielversprechend Vielversprechend, aber kleines Gewässer Vielversprechend Vielversprechend mäßig geeignet 35 15A mäßig geeignet mäßig geeignet mäßig geeignet Vielversprechend 40 Vielversprechend mäßig geeignet Gewässer vielversprechend, Landhabitat klein mäßig geeignet mäßig geeignet mäßig geeignet, Fische mäßig geeignet mäßig geeignet, Fische mäßig geeignet, Fische. Gutes Landhabitat Kleines Gewässer, viel Störung weniger geeignet weniger geeignet 3.2 Bestandserfassung Auch die traditionelle Methode, Verhören mit dem Unterwassermikrofon, führte nicht zu Nachweisen von Paarungsrufen. Jedoch ist hierbei zu bedenken, dass die Krötenrufe nur wenige Meter weit unter Wasser hörbar sind. Bei der vermuteten geringen Dichte rufender Männchen und der sehr dichten Vegetation könnten einzelne Rufer leicht überhört worden sein. Zudem war ein Verhören aufgrund von rufstarken 12
13 Wasserfröschen erschwert. Die Kontrolle der Eimerreusen im Juli am Melkweg (Gewässer 12) erbrachte, bis auf mehrere Kammmolche, auch keinen Nachweis. Abb. 4. Eimerreusen im Gewässer am Melkweg (Juli 2014). 3.3 Kartierung Lebensraum Aufgrund des überdurchschnittlich trockenen Jahres 2013 mit 195 l/m² weniger Niederschlag zwischen Januar und August als im Durchschnittsjahr (Wetterstation Hamminkeln, 2014) und dem trockenen Frühjahr 2014 mit 74 l/m² weniger Niederschlag zwischen Januar und April als im langjährigen Mittel, sind auch die Wasserstände von Beginn des Projektes an sehr niedrig ausgefallen (s. Anhang 2). Zwischen der Messperiode von März bis Juli waren zwei Gewässer von Beginn an komplett ausgetrocknet (9, 10), vier Gewässer sind während der Untersuchung ausgetrocknet (16, 17, 18, 19) und andere der Gewässer führten im Juli nur noch < 10 cm Wasser. Die Absenkung des Grundwasserspiegel durch die Tiefenerosion der Lippe sowie eine 13
14 vermutlich erhöhte Grundwasser-Entnahmen durch die angrenzenden Siedlungsflächen/Feldbewässerung sind neben dem geringen Niederschlag weitere Gründe für die frühe Austrocknung der Gewässer. Dadurch kommt es jährlich zu einem vorzeitigen Wegfallen von geeigneten Laichgewässern. Jedoch ist ein ausreichender Wasserstand ausschlaggebend für die vollständige Metamorphose der Jungkröten. Vergleichend dazu war das Frühjahr 2008, mit über 35 Rufern in der Lippeaue, sehr regenreich mit + 93,3 l/m² mehr Niederschlag zwischen Januar und Mai als im Durchschnittsjahr (s. Anhang 4). Die hohen Niederschläge im Jahr 2007 mit fast 330 l/m² mehr als im langjährigen Mittel sowie das niederschlagsreiche Frühjahr 2008 könnten das zahlreiche Auftreten der Art 2008 erklären. Jedoch ist zu bedenken, dass nicht jedes Jahr vor und nach 2008 mit gleicher Methode und Intensität das Vorkommen der Knoblauchkröte untersucht wurde. Zudem ist nicht ausreichend bekannt, in wie weit eine mangelnde oder aber ausgeprägte Boden- und Luftfeuchtigkeit das Verhalten der einzelnen Tiere beeinflussen kann. Ein Aussetzen der Wanderaktivität aufgrund ungünstiger Witterungsverhältnisse ist sehr wahrscheinlich. Die chemischen Werte liegen im Durchschnitt im normalen Bereich (s. Anhang 3), wobei besonderer Augenmerk auf die Parameter ph-wert und Leitfähigkeit gelegt wurde, als Indiz für Nährstoffe im Wasser. Ein Gefährdungspotential bei beiden Arten ist u.a. die Verschlechterung der Gewässergüte durch Nähr- und Schadstoffeinträge durch Biozide, Gülle und Dünger. Eine erhöhte Menge an Fremdstoffen im Wasser kann zur Verpilzung der Laichschnüre und einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit der Tiere führen (DGHT, 2007). Gewässer Nr. 11, 12, 14, 16 und 17 zeigen allerdings eine erhöhte Leitfähigkeit mit Werte zwischen 400 und 650 µs/cm. Besonders hoch sind die Werte am Standort 11 und 14, dessen Gewässer beide im Juni Algen und eine sehr dicke Schlammauflage aufwiesen. An Gewässer 11 steht nur wenige Meter vom Wasser entfernt auf der entlang der Böschung ein Acker mit Mais und Getreide im Wechsel. In das tiefer liegende Gewässer werden Düngemittel und Biozide, die auf den Acker ausgebracht werden, durch ober- und unterirdische Zuflüsse eingetragen. Aufgrund der nährstoffarmen Sandböden wird die Trophie entsprechend eingestuft 14
15 (nach Kronshage et al. 2009): Oligotroph bis 150 µs/cm, mesotroph bis 250 µs/cm und eutroph 300 bis 600 µs/cm. Demnach sind drei Gewässer oligotroph (13, 19, 22), ein Gewässer mesotroph (18) und der Rest ist eutroph. Eutrophe Gewässer werden von der Art bevorzugt. Der ph-wert lag ausschließlich im mäßig sauren bis leicht alkalischen Bereich, was ebenfalls typisch für die Art ist (Glandt, 1983). Nur selten waren die Werte deutlich über ph 7. So an Gewässer 15 im März mit 9,88 und an Gewässer 17 im März mit 8,15. Die Knoblauchkröte bevorzugt Gewässer mit klarem Wasser und einer ausgeprägten Freiwasserzone. Ein erhöhter Nährstoffgehalt in Gewässern führt oftmals zu einer dichten Wasserlinsen-Bedeckung, wie beispielsweise am Melkweg. Eine hohe emerse Bedeckung wiederum verhindert eine schnelle und uneingeschränkte Erwärmung des Wasser und mindert so die Habitatqualität. Eine starke Beschattung > 70% besteht an den Gewässern 14, 18 und 20 (Erlenbruch). Gewässer Nr. 18 ist ziemlich früh im Jahr ausgetrocknet, da auch ein hoher Transpirationsdruck durch die vielen umgrenzenden Erlen besteht. In den anderen Fällen besteht auch Anfang des Sommers noch eine ausreichende und meist volle Besonnung. 15
16 Abb. 5. Das Gewässer Nr. 14 ist bereits ab Mai stark beschattet (Juni 2014). Der Anteil von Flachwasserzonen ist bei allen Gewässern gut bis hervorragend mit einem Anteil von > 50% (ABC-Bewertungsbogen). Im Schnitt liegen diese zwischen 30 und 50% und bieten ausreichend geeignete Stellen für die Balz, Paarung und Laichabgabe. Bei Gewässer 14 und 20 besteht mit 20% und 15% Deckungsgrad ein deutlicher Mangel an Sumpf- und Wasserpflanzen, wobei kaum Vegetation zur Befestigung der Laichschnüre vorhanden ist. Im Schnitt zeigten die älteren Gewässer (vom Ende der 1990er Jahre) eine ausgeprägte Vegetation mit vorrangig Binsen, Seggen, Schwimmendem Laichkraut und Röhricht auf. Eine ausgeprägte Vegetationsstruktur wird auch vom Kammmolch bevorzugt. Somit ist auch ausreichend Deckung für die Larven der Knoblauchkröte vorhanden. Die Entnahme der üppigen Vegetation wäre an einigen Gewässern jedoch sinnvoll, um einer zeitnahen Verkrautung entgegenzuwirken. Der Landlebensraum in der Lippeaue wird anhand der Grabfähigkeit des Bodens, 16
17 vorhandenen Offenland-Biotopen und dessen Nutzungsintensität eingeschätzt (s. Anhang 5). Die Art besiedelt ursprünglich offene, wärmebegünstigte Landschaften wie Flussauen, Binnendünen und ist als Kulturfolger heutzutage vermehrt in Heiden, Gärten, Militärübungsplätzen, Abgrabungs- sowie Industrieflächen zu finden. In der Lippeaue sind diese Offenland-Lebensräume vorrangig Sandmagerrasen und Heiden. Viele Flächen in der Lippeaue werden als Wiese oder Weide genutzt und befinden sich im Eigentum des Landes oder der NRW-Stiftung, dessen Bewirtschaftungsform durch Pachtverträge geregelt ist. Die Naturschutzwiesen werden mindestens zweimal im Jahr gemäht, auf den Weiden stehen vorrangig Rinder, nur Auf dem Dreck ganz im Osten des Gebietes stehen Pferde. Innerhalb des Aktionsradius der Kröte befinden sich einige Äcker (s. Anhang 6) mit Mais, Spargel und Getreide im Wechsel. Der Anbau von Mais und Zuckerrüben wird als eher ungünstig angesehen, da es dadurch meist zur Bodenverdichtung kommt. Ein weiteres Gefahrenpotential für die Knoblauchkröte ist eine Bodenbearbeitung durch Tiefpflügen, da sich die Tiere tagsüber meist bis zu 30 cm tief in den Boden eingraben und bei dieser Form der Bodenbearbeitungen ungeschützt sind. Es wird die Methode Grubbern statt Pflügen empfohlen. Da es sich nicht um Flächen des Vertragsnaturschutzes handelt, werden die Flächen auch gekalkt und gedüngt, eine weitere Beeinträchtigung der Lebensraumqualität. Eine Störung durch hohe Freizeitaktivität oder eine Isolation durch Verkehrstrassen kann für die Lippeaue weitestgehend ausgeschlossen werden. Viele der Gewässer zeigen im direkten Umfeld einen lockeren Untergrund und offene Sandstellen, in den sich die Knoblauchkröte leicht eingraben kann. Die Grabbarkeit im 1. Meter ist an allen Standorten leicht bis mittel (Geologischer Dienst NRW, 2003), da es sich in den meisten Fällen typischerweise um einen Niedermoortorf bzw. Auengley handelt. 17
18 Abb. 6. Der Gewässerrand am Melkweg wird durch die Weidetiere offen gehalten (Juli 2014). 3.4 Bodenbohrungen Die Ergebnisse der 10 Rammkernsondierungen im NSG Lippeaue zeigen auf, dass an fünf Standorten aufgrund fehlender Deckschichten und vorwiegend sandigen Böden keine oberflächennahen Stauwässer erwartet werden können. Die fünf anderen beprobten Standorte hingegen weisen aufgrund der höheren Schluff- und Tonanteile im Boden einen wasserstauenden Charakter auf. Diese Schlussfolgerungen wurden aus den Werten Geländehöhe, Bodenaufbau der ersten fünf Meter, Bodenwasserverhältnisse (Grundwasserstände) und Durchlässigkeit der Gesteine ermitteln. Die Grundwasserstände schwanken im Gebiet zwischen 23,0 und 25,0 m ü NN und sind den Bohr- und Rammprofilen zu entnehmen. Detaillierte Angaben zu den Bodenverhältnissen sind dem Bericht vom 19. Dezember 2014 der Firma Böcke zu entnehmen. 18
19 3.5 Networking Am 25. Juni 2014 wurde das Life+ Projekt Knoblauchkröte im Münsterland besucht. Zusammen mit Mitarbeitern von RAVON wurde die Aufzuchtstation in Enniger bei Warendorf besichtigt. Dort waren Knoblauchkröten-Kaulquappen und Jungkröten, also Tiere kurz vor bzw. kurz nach der Metamorphose, die wenige Tage später ausgesetzt werden sollten. Des Weiteren wurden mehrere besiedelte Laichgewässer im Kreis Warendorf angefahren.inhalt und Ergebnisse dieses Projektes wurde am beim Jahrestreffen des Arbeitskreises Amphibien und Reptilien NRW in Recklinghausen (NUA) vorgestellt. Ein Runder Tisch zur Präsentation der Projektergebnisse mit BSKW, der Unteren Landschaftsbehörde sowie Herrn Geiger vom LANUV NRW ist für das Jahr 2015 geplant. Abb. 7. Junge Knoblauchkröte im Freilandterrarium der Nachzucht-Station in Warendorf (Juli 2014). 19
20 4. Fazit Knoblauchkröte Der Lebensraum Lippeaue wird, trotz mangelnder Nachweise, als vielversprechend für die Knoblauchkröte angesehen. Hauptgründe für den starken Rückgang und den deutlichen Negativtrend für die Art sind vermutlich ein Komplex aus verschiedensten Faktoren: Einzelvorkommen von Kleinstpopulationen in nur 1-2 Laichgewässern, schlechtes Wasserregime/Witterung und dadurch frühes Austrocknen der Gewässer, Prädationsdruck durch Fische, Verlandung und Verkrautung einzelner Gewässer, Entwässerung und Grundwasserabsenkung, mangelnder genetischer Austausch durch isolierte Population in der Lippeaue u.a. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass Bearbeitungslücken und unterschiedliche Erfassungsmethoden (Fangzaun, Unterwassermikrofon, Reusen, Keschern, edna) eine Einschätzung der Bestandssituation nicht möglich machen. Auch wenn die Ergebnisse der edna-analyse negativ ausfielen, kann nicht vom Aussterben der Art in der Lippeaue gesprochen werden. Ist die Art womöglich aufgrund der verringerten Boden- und Luftfeuchtigkeit im März/April diesen Jahres nicht zu den Gewässern gewandert und war deshalb im Wasser nicht nachweisbar? Bleiben die Tiere bei ungünstigen Bedingungen geschützt im Landhabitat und nehmen nicht am Paarungsgeschehen teil? Ist die Schwankung der Nachweise also witterungsbedingt? Ist die Population womöglich mittlerweile zu klein oder die Distanz zwischen den Gewässern zu groß, um die anderen Gewässer der Lippeaue erfolgreich zu besiedeln? Womöglich fand eine Paarung aufgrund des verregneten Sommers erst im Juli/ August zur Nebenlaichzeit statt, weshalb sie mit einer Beprobung im Juni nicht erfasst werden konnte. Die Knoblauchkröte kann als ursprünglicher Steppenbewohner vermutlich über Jahre die ungünstige, trockene Witterung zur Laichzeit im Landlebensraum überdauern, um dann bei günstigen Bedingungen aber wieder zu den Laichgewässern zu wandern. Knoblauchkröten können bei günstigen Bedingungen dann sogar mit Massenvermehrung reagieren (Fischer, 2008). Im NSG Lippeaue wurde die Art nach 15 Jahren ohne Nachweis 2004 erstmals wieder erfasst und 2008 konnten dann 20
21 über 30 Rufer in einem Gewässer verhört werden, was für diese Art schon als eine gute Populationsgröße darstellt (ABC-Bewertungsbogen). Die recht lange Lebenszeit der Tiere (bis zu 9 Jahre) ermöglicht dieses temporäre Überdauern. Jedoch ist nicht bekannt, wie lange das Ausbleiben der Reproduktion von einer Population kompensiert werden kann. Gerade da es sich in NRW meist nur noch um Kleinstpopulationen in nur wenigen Laichgewässern handelt. Kammmolch Der Kammmolch konnte in 13 von 30 Gewässern nachgewiesen werden. Dies sind sehr erfreuliche Ergebnisse, da der Kammmolch im Niederrheinischen Tiefland als gefährdet gilt. Die Art besiedelt vor allem vegetationsreiche (> 50% Deckung), nährstoffreiche, besonnte und fischfreie Gewässer im Offenland. Da die Tiere erst zwischen August und Oktober die Gewässer zur Überwinterung verlassen, haben sie besonders hohe Ansprüche an die Wasserführung. Dies bestärkt nochmals den Fokus auf eine Verbesserung der Wasserführung durch eine aktive Bewässerung. Pioniergewässer werden von der Art recht schnell besiedelt. Aufgrund der sehr ähnlichen Habitatansprüche, offene, strukturreiche Kulturlandschaft, wie Abgrabungen, Militärübungsplätzen sowie natürliche Überschwemmungsgebiete, kommt es häufig zu einer Vergesellschaftung beider Arten. Für den Kammmolch gelten die selben Gefährdungsursachen, wie für die Knoblauchkröte: Verlust und Entwertung des Wasser- und Landlebensraums, Fischbesatz, Verschlechterung des Wasserhaushalts und der Gewässergüte sowie Zerschneidung der Lebensräume (LANUV). Geplante Maßnahmen, wie die Neuanlage von Gewässern, Optimierung der Wasserführung und Verringerung der Beschattung kommen somit beiden Arten gleichermaßen zugute. 21
22 5. Ausblick Die auf Grundlage des Projektes gewonnenen Erkenntnisse sollen in einem Folgeprojekt dazu dienen Optimierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Habitatqualität umzusetzen. Folgende Maßnahmen sollten dafür diskutiert werden. (1) Verbesserung des Laichgewässerverbundes durch die Neuschaffung von Gewässern als Trittsteine zwischen den bereits bestehenden Gewässern. Dadurch soll die Wanderdistanz zwischen den Gewässern minimiert werden. Die Schaffung von Feuchtzonen und Sandwällen im direkten Umfeld der Gewässer wäre zudem eine positive Gestaltung des Lebensraum für alle dort vorkommenden Amphibienarten. Der Einsatz einer (Windrad)-Pumpe würde eine aktive Bewässerung ermöglichen und somit die Wasserführung der Gewässer optimieren. (2) Das Aussetzen von jungen Knoblauchkröten aus einem Nachzuchtprogramm zur Wiederansiedlung der Art. Dies soll vorrangig in den bestehenden Gewässern erfolgen, die bereits in der Vergangenheit von der Art besiedelt wurden. Die neu angelegten Gewässer kommen erst ein Jahr nach Entstehung für die Ansiedlung in Frage, da diese Blänken noch keine ausreichende Vegetation aufweisen, die den Jungkröten Schutz bieten könnte. (3) Monitoring-Effizienzkontrolle mit Hilfe der edna-analyse zum Nachweis der Knoblauchkröte, in den Gewässern, in denen die jungen Knoblauchkröten ausgesetzt wurden. Die edna-analyse soll jeweils im Folgejahr nach dem Aussetzen der Kröten erfolgen, um zu untersuchen, ob die Ansiedlung erfolgreich war und die Überwinterung ohne große Verluste erfolgte. Für diese Einschätzung dient die Angabe der relativen Dichte bei einem positiven Nachweis. 22
23 6. Literatur Arbeitskreis Amphibien und Reptilien (Herausgeber) (2011): Handbuch der Amphibien und Reptilien Nordrhein-Westfalens, Band 1. DGHT (Herausgeber) (2007): Die Knoblauchkröte, Froschlurch des Jahres 2007; Aktionsbroschüre, 23 S. Geologischer Dienst NRW (2003): Digitale Bodenkarte von NRW, Krefeld. Glandt, D. (1983): Artenhilfsprogramm Knoblauchkröte (Pelobatidae: Pelobates fuscus). - Merkblätter zum Biotop- und Artenschutz 30: 1 4. Fischer, C. (2008): Beobachtungen zur Phänologie, Abundanz und Habitatwahl einer Massenlaichgesellschaft der Knoblauchkröte, Pelobates fuscus, in der niedersächsischen Elbtalaue. Rana, Sonderheft 5: Kronshage, A., Monzka, M., Mutz, T., Niestegge, C. und Schlüpmann, M. (2009): Die Amphibien und Reptilien im Naturschutzgebiet Heiliges Meer (Kreis Steinfurt, NRW). Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde, 71 (4), Münster. LANUV NRW (2010): ABC-Bewertung Knoblauchkröte NRW. Schlüpmann, M., Mutz, T., Kronshage, A., Geiger, A., Hachtel, M. (2011): Rote Liste und Artenverzeichnis der Lurche - Amphibia - in Nordrhein-Westfalen. Specht, D. (2014): Untersuchungen zu den Vorkommen von Knoblauchkröten im NSG Lippeaue. In: Rundbrief zur Herpetofauna von NRW 35, S
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