Glycerin in Rationen von hochleistenden Milchkühen Welche Auswirkungen sind beim Einsatz von Glycerin in der Milchviehfütterung zu erwarten?
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- Kristian Huber
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1 Glycerin in Rationen von hochleistenden Milchkühen Welche Auswirkungen sind beim Einsatz von Glycerin in der Milchviehfütterung zu erwarten? In der Praxis wird der Effekt von Glycerin in Rationen von hochleistenden Milchkühen kontrovers diskutiert. Einige Landwirte haben positive Wirkungen erzielt, andere hingegen keine oder teils negative. Sind Effekte auf die Futteraufnahme und/oder auf die biologischen Leistungen zu erwarten? Diese Frage sollte im Rahmen eines Fütterungsversuches am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Westpfalz und der Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung (LVAV), Hofgut Neumühle geklärt werden. Weiterhin waren die Universitäten Bonn und Hohenheim an der Untersuchung beteiligt. Glycerin gehört zur Stoffklasse der Alkohole, chemisch wird es als 1,2,3-Propantriol bezeichnet. Diese Verbindung kommt in allen pflanzlichen und tierischen Fetten und Ölen als alkoholischer Esterbestandteil vor. Früher wurde Glycerin aus der Seifenherstellung gewonnen. Heute fällt Glycerin in großen Mengen bei der Biodieselherstellung an. Je Tonne Biodiesel fallen ca % Glycerin an. Glycerin stellt ein wertvoller Grundstoff für die chemische, pharmazeutische und technische Industrie dar. Es findet Verwendung in zahlreichen Produkten der verschiedenen Industriezweige, u.a. in Kleb- und Farbstoffen, Medikamenten, Spirituosen, Kosmetika, Zahnpasta, Tiernahrung, Sprengstoff, Brems-, Hydraulik- und Kühlflüssigkeiten. Der Einsatz in der Tierernährung, speziell in der Ernährung von hochleistenden Milchkühen wurde bereits in verschiedenen Fütterungsversuchen erprobt. Die in der Literatur ausgewiesenen Ergebnisse sind nicht einheitlich. Einige Versuche haben gezeigt, dass Glycerin die Futteraufnahme von Wiederkäuern positiv beeinflussen kann (BODARSKI et al., 2005). Andere Versuchsansteller konnten weder Effekte auf Futteraufnahme oder Leistungsparameter erkennen (KIJORA, 1996; DEFRAIN et al., 2004). Einige Untersuchungen berichten sogar über negative Effekte beim Glycerineinsatz bezüglich der Futteraufnahme (OGBORN et al., 2004). Um den Einfluss von Glycerin in Rationen von hochleistenden Milchkühen zu analysieren, wurde im Rahmen eines Fütterungsversuches am DLR Westpfalz, Lehr- u. Versuchsanstalt für Viehhaltung, Hofgut Neumühle untersucht, welche Auswirkungen einer Glycerinzulage in
2 einer Gesamtmischration (TMR) auf die Futteraufnahme sowie auf die in vitro- Pansenfermentation und Leistungskenngrößen zu erwarten sind. Fütterungsversuch Für den Fütterungsversuch standen 60 Kühe der Rasse Deutsche Holstein zur Verfügung, welche in zwei Gruppen mit je 30 Tieren aufgeteilt wurden. Die Tiere wurden im Boxenlaufstall (58 Boxen) der Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung, Hofgut Neumühle gehalten. Jede Gruppe wurde in einem abgetrennten Stallabteil gehalten. Die 60 laktierenden Tiere wurden aus der 90-köpfigen Herde der LVAV nach den Kriterien Laktationsnummer, Laktationstag, Milchleistung und Milchinhaltsstoffe ausgewählt, um vergleichbare Gruppen konzipieren zu können. Die Tiere befanden sich zu Versuchsbeginn in der zweiten Laktation und im Mittel am 170 Laktationstag. Zur Quantifizierung der täglichen tierindividuellen Futteraufnahme standen 28 Fress-Wiegetröge (vgl. Abbildung 1) zur Verfügung. Die Milchmenge sowie die Milchinhaltstoffe wurden wöchentlich bestimmt. Weiterhin wurden an der Universität in Bonn in-vitro Untersuchungen zu den eingesetzten Futtermitteln und der Ration durchgeführt. Die Versuchsdauer war auf 12 Wochen angelegt. Rationsgestaltung und Fütterung Die Rationen der Kontroll- und Glyceringruppe waren gleich aufgebaut und bestanden aus Maissilage, Grassilage und Heu, einer Getreidemischung (70 %, Wintergerste und 30 %
3 Weizen), Sojaextraktionsschrot, Körnermais, Rapsextraktionsschrot, Futterkalk, Mineralsalz und Harnstoff. Die Zusammensetzung der Ration ist der Tabelle 1 zu entnehmen. Die Versuchsration unterschied sich nur durch die Glycerinzulage von der Kontrollration. Tabelle 1: Zusammensetzung der Ration Gruppen Komponenten Kontrolle (kg TM) Glycerin (kg TM) Maissilage 7,00 7,00 Grassilage 3,50 3,50 Heu 1,50 1,50 Getreidemischung 3,50 3,50 Sojaextraktionsschrot 1,50 1,50 Körnermais 3,40 3,40 Rapsextraktionsschrot 1,00 1,00 Futterkalk 0,15 0,15 Mineralfutter 0,07 0,07 Harnstoff 0,10 0,10 Rohglycerin ,00 MJ NEL/kg TM 7,2 7,2 nxp g/kg TM RNB(g) Die Futtervorlage erfolgte zweimal täglich (morgens: 5.30 Uhr, nachmittags: Uhr) in Fress-Wiegetröge, wobei morgens 40 % und nachmittags 60 % der Tagesmenge gefüttert wurde. Die TMR wurde mit einem selbstfahrenden Horizontalmischwagen (Abbildung 2) erstellt. Nach sechs Wochen wurden die Rationen getauscht, d. h. die bisherige Kontrollgruppe bekam jetzt die Ration mit der Glycerinzulage. Die Inhaltsstoffe des verfütterten Glycerins sind der Tabelle 2 zu entnehmen.
4 selbstfahrender Futtermischwagen Tabelle 2: Analyse Rohglycerin Inhaltstoff (%) Glycerin 83,3 Wasser 9,8 Na 1,86 K < 0,01 Neben den biologischen Leistungsdaten wurden die Kühe wöchentlich gewogen. Im 14- tägigen Abstand wurde die Körperkondition der Herde mittels Body-Condition-Score (BCS) eingestuft. Ebenfalls 14-tägig wurde die Rückenfettdicke (RFD) der gesamten Herde nach der Methode von STAUFENBIEL (1997) per Ultraschallgerät gemessen. Ergebnisse Die Tiere, welche mit der Glycerinration versorgt wurden, haben 0,2 kg TM mehr aufgenommen als die Tiere in der Kontrollgruppe. Dieser nur geringe Unterschied zwischen den Gruppen statistisch nicht abgesichert werden. Bezüglich der natürlich produzierten Milchmenge sowie in der energiekorrigierten (4 % Fett und 3,4 % Eiweiß) Milchleistung
5 waren keinen Unterschiede zu erkennen. Die prozentualen Anteile von Fett und Eiweiß in der Milch zwischen den Gruppen können als gleich angesehen werden. Mengenmäßig gibt es keinen Unterschied zwischen Kontroll- und Glyceringruppe in den Milchinhaltstoffen Fett und Eiweiß. Nur der in der Glycerinration niedrigere Milchharnstoffgehalt konnte statistisch abgesichert werden. Die Kontrollgruppe hatte einen um 42 mg/l niedrigeren Milchharnstoffgehalt als die Glyceringruppe. Die Futteraufnahmen, Milchleistungen und -inhaltsstoffe sind in Tabelle 3 dargestellt. Tabelle 3: LSQ-Mittelwerte für Futteraufnahme, Milchleistungen und inhaltsstoffe Kontrolle SE Glycerin SE p TM - Aufnahme (kg) 21,6 0,41 21,8 0,41 0,13 Milchmenge (kg) 27,6 1,08 27,5 1,09 0,52 ECM (kg) 28,4 0,94 28,3 0,95 0,58 Fett (%) 4,13 0,13 4,12 0,13 0,67 Eiweiß (%) 3,78 0,06 3,77 0,06 0,13 Fett (kg) 1,12 0,04 1,12 0,04 0,84 Eiweiß (kg) 1,02 0,03 1,02 0,03 0,34 Harnstoff (mg/l) 243 6, ,48 < 0,0001 p<0,05 bedeutet signifikanter Unterschied zwischen Kontroll- und Glycerinration Bezüglich den Körperkonditionsmerkmalen Gewicht, BCS sowie RFD waren keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen abzuleiten.
6 Diskussion Aus den dargestellten Ergebnissen des Fütterungsversuches geht hervor, dass bei Verfütterung von 1250 g Rohglycerin bzw g Reinglycerin pro Tier und Tag in einer TMR keine Unterschiede bezüglich der Futteraufnahme zwischen der Kontroll- und Versuchsgruppe zu erkennen sind. Dieses Ergebnis stimmt mit einer Vielzahl von jüngeren Untersuchungen zum Glycerineinsatz in der Fütterung von Milchkühen überein, die von 2000 bis 2008 durchgeführt wurden (DeFRAIN et al., 2004; KRISTENSEN und RAUN, 2007; DONKIN und DOANE, 2008; WANG et al., 2008; HARZEHEIM et al., 2008). Andere Versuchsansteller berichten über steigende Futteraufnahmen beim Einsatz von Glycerin (AHLERT und FRÖHLICH, 2008; BODARSKI et al., 2005). MAHLKOW-NERGE (2006) und ENGELHARD et al. (2006) verglichen die Wirkung von Glycerin im Vergleich zu Propylenglykol und konnten positive Effekte auf die Futteraufnahme von hochleistenden Milchkühen erkennen. Diese im Vergleich zum Propylenglykoleinsatz höhere Futteraufnahme beim Einsatz von Glycerin kann auch durch den bitteren Geschmack des Propylenglykols und somit eine verzehrshemmende Wirkung, bedingt sein. Die in der Literatur dargestellten Versuche weisen widersprüchliche Effekte beim Einsatz von Glycerin in Rationen von hochleistenden Milchkühen aus. Teilweise sind die Ergebnisse nicht direkt miteinander vergleichbar, da unterschiedliche Versuchsbedingungen, Versuchsdauer und Tierzahlen in den unterschiedlichen Versuchen vorherrschen. Mögliche Ursachen für die widersprüchlichen Effekte des Glycerins in der Fütterung können einerseits auf unterschiedlich hohe Einsatzmengen und Qualitäten zurückgeführt werden. Andererseits unterscheiden sich in den Versuchen die gefütterten Rationen in den eingesetzten Komponenten, den Inhaltstoffen sowie im Grob- zu Kraftfutterverhältnis. Die Qualität der eingesetzten Grobfuttermittel (Grassilage und Maissilage) könnte einen entscheidenden Effekt auf eine Glycerinzulage darstellen, d.h. bei Verfütterung von eher schlechteren Grobfutterqualitäten könnte der Einsatz von Glycerin im Vergleich zu sehr guten Grobfutterqualitäten lohnend sein. Die Verfütterung von 1000 g Reinglycerin pro Tier und Tag in der vorliegenden Untersuchung hat die Milchmenge und inhaltsstoffe nicht signifikant beeinflusst, jedoch den Milchharnstoffgehalt signifikant gesenkt. Diese Reaktion auf eine Glycerinzulage in der Fütterung von Milchkühen bestätigen mehrere Untersuchungen (DeFRAIN et al., 2004; DONKIN und DOANE, 2008; HERZHEIM et al., 2008). HARZHEIM et al. (2008) führen den reduzierten Milchharnstoffgehalt bei Glycerinfütterung auf die beinahe quantitative
7 Verdrängung der TMR (Grundration) zurück und begründen damit die ausgebliebene Wirkung von Glycerin auf Futteraufnahme und Leitungsparameter. Neben einer beschriebenen Verdrängung von Grobfutter kann auch eine verbesserte Effizienz der ruminalen Fermentation als Erklärung für einen reduzierten Milchharnstoffgehalt genannt werden. Das verfütterte Glycerin erhöht im Pansen die für die Mikroorgansimen zur Verfügung stehende Energie was zu einer gesteigerten mikrobiellen Proteinsynthese führt. Die ruminale Umsetzung des Futterproteins wird verbessert und die Ammoniakverluste reduziert. Schlussfolgerungen Im dargestellten Fütterungsversuch konnten bezüglich Futteraufnahme sowie Leistungskenngrößen keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Somit kann beim Einsatz von Glycerin in Rationen von hochleistenden Milchkühen unter den vorliegenden Versuchsbedingungen keine verzehrsfördende und folglich leistungssteigernde Wirkung abgeleitet werden. Negative Effekte auf die untersuchten Parameter waren nicht zu erkennen. Die Verfütterung von Glycerin führte zu einer höchst signifikanten Reduzierung des Milchharnstoffgehaltes, was auf eine effizientere Pansenfermentation und evtl. eine Leberentlastung hindeutet. Aufgrund der Versuchsergebnisse kann der Einsatz von Glycerin in der Fütterung hochleistender Milchkühe im mittleren Laktationsstadium als nicht erforderlich angesehen und somit auch nicht empfohlen werden. Das vom DLR Westpfalz finanzierte Verbundprojekt wurde durch Gero Maevis (Universität Bonn), Christian Koch (LVAV, Hofgut Neumühle), Franz-Josef Romberg (DLR Westpfalz) Karl Eduard Landfried (LVAV, Hofgut Neumühle), Karl-Heinz Südekum (Universität Bonn) und Herbert Steingaß (Universität Hohenheim) unterstützt. Ein Herzlicher Dank geht an die Mitarbeiter der Lehrwerkstätte Milchviehhaltung der LVAV für die praktische Durchführung des Fütterungsversuches.
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