Einfache Differentialgleichungen
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- Gertrud Glöckner
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Differentialgleichungen (DGL) spielen in der Physik eine sehr wichtige Rolle. Im Folgenden behandeln wir die grundlegendsten Fälle 1, jeweils mit einer kurzen Herleitung der Lösung. Dann schliesst eine etwas allgemeinere Betrachtung an, und zum Schluss wird ein konkretes Beispiel aufgeführt. 1. Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung Diese sind von der Form b d + c = d, wobei wir und hier auf b, c, d = const beschränken. Linear heissen alle Differentialgleichungen, bei denen in den Ableitungen keine Potenzen vorkommen. Bei einer DGL 1.Ordnung tritt zusätzlich nur die erste Ableitung auf. Wir betrachten zunächst den homogenen Fall, d.h. d gleich Null (es kommt also kein Ausdruck vor, der nicht die Funktion enthält). I) b d + c = 0 Lösungsweg: Lösung: d = c b d = c b d = c b ln = c b t + ln C = Ce ct b (1) C ist eine Integrationskonstante, welche durch die Anfangsbedingung bestimmt ist. II) b d + c = d Wir betrachten nun den inhomogenen Fall. Für die Lösung inhomogener Differentialgleichungen gilt grundsätzlich: Die allgemeine Lösung einer Differentialgleichung muss so viele Integrationskonstanten enthalten, wie die Ordnung der Gleichung angibt (1. Ordnung 1 Integrationskonstante;. Ordnung Integrationskonstanten), sonst kann sie die Anfangsbedingung nicht erfüllen. Die oben angegebene Gleichung besitzt sicher die (nicht triviale) Lösung = d/c. Diese Lösung enthält aber keine Integrationskonstante sie ist nicht die allgemeine, sondern eine partikuläre Lösung. Haben wir zu einer inhomogenen DGL eine partikuläre Lösung gefunden, so erhalten wir die allgemeine Lösung durch Hinzufügen der Lösung der zugehörigen homogenen Gleichung (inkl. Integrationskonstante). Es sei p eine partikuläre Lösung von Gleichung II) und h die Lösung der unter I) vorgestellten homogenen Gleichung. Dann gilt: b d p + c p = d b d h + c h = 0 b d( p + h ) + c ( p + h ) = d 1 Für diese gibt es verschiedene Darstellungsweisen: Hier wurde diejenige gewählt, bei der vor der Funktion und all ihren Ableitungen ( d, d,... ) ein Koeffizient steht. Oft wird jedoch der Koeffizient vor der höchsten Ableitung durch beidseitige Division aus der Gleichung eliminiert. Letztere Variante wurde in der Vorlesung zu diesem Thema verwendet. 1
2 = p + h ist also sicher eine Lösung von II). Da sie in h eine Konstante enthält, ist sie die allgemeine Lösung. Wir haben schon gesehen, dass = d/c = p. Somit lautet die allgemeine Lösung von II): C ist hier wieder die Integrationskonstante. = p + h = d c + C e ct b (). Lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung III) a d + b d + c = 0 Dies ist eine homogene, lineare DGL. Ordnung (wiederum mit konstanten Koeffizienten a, b, c = const). In dieser Gleichung sind offenbar die erste und zweite Ableitung einer Funktion proportional zur Funktion selber. Die einzige Funktion, welche derartiges ermöglicht, ist die Eponentialfunktion. Daher machen wir den Lösungsansatz = e rt. Daraus folgt d = rert und d = r e rt ; oben eingesetzt erhalten wir ar e rt + bre rt + ce rt = 0, als quadratische Gleichung für r (nach Herauskürzen von e rt ) mit den Lösungen r 1, = b a ± b 4ac 4a. (3) Nun müssen wir drei Fälle unterscheiden: b 4ac > 0 die Wurzel ist reell. Dann lautet die allgemeine Lösung: h = A e r1t + B e rt, (4) wobei die Eponenten reell sind und sich die Integrationskonstanten A und B aus den Anfangsbedingungen ergeben. 4a =i b 4ac < 0 die Wurzel ist imaginär. Wir setzen zur Abkürzung b 4ac Lösung lautet nun 4ac b 4a =:iω. Die h = A e b a t e iωt + B e b a t e iωt. (5) Dies ist die allgemeine Darstellung für eine gedämpfte Schwingung. In der Physik ist davon der Realteil zu nehmen. Achtung: A und B sind im allgemeinen komplee Zahlen. b 4ac = 0 die Wurzel ist gleich Null und es ergibt sich nur ein Wert für r 1 = r =: r. Die Lösung =Ae rt kann aber nicht die allgemeinste Lösung sein, da wir nur eine Integrationskonstante haben. Wir erhalten die allgemeinste Lösung für diesen Fall, indem wir von Lösung (5) ausgehen 4ac b und dann ω= gegen Null gehen lassen. Für sehr kleine ω kann die Funktion e iωt in eine 4a Reihe entwickelt werden, von der wir nur die ersten beiden Glieder verwenden. Es ist dann = e b a t (A + iωta + B iωtb) = e b a t (A + B + ωt(ia ib)) (6) oder mit A + B =: C und ω(ia ib) =: D: Spezialfall: Für b = 0 verschwindet der abklingende Eponent. h = e b a t (b C + D t) (7) Hinweis: Die kompleen Zahlen werden in einer der kommenden Woche noch genauer vorgestellt werden dann dürften sich allfällige Unklarheiten klären, die ihr Auftreten hier momentan vielleicht noch hervorruft.
3 IV) a d + b d + c = d Dies ist eine inhomogene Variante von III) (d ist auch hier konstant). Wir suchen eine partikuläre Lösung, welche erneut erraten werden kann: p=d/c dp =0. Die allgemeine Lösung schreibt sich einmal = d p mehr als = p + h, wobei für h einfach die passende Lösung aus den obigen Herleitungen für III) herausgelesen werden kann. V) a d + b d + c = deiωt Dies ist eine weitere inhomogene Variante: das inhomogene Glied ist hier nicht mehr konstant. Stattdessen haben wir die Gleichung einer sogenannt erzwungenen Schwingung vor uns. Aus Teil III) ist uns die Lösung der zugehörigen homogenen Gleichung bereits bekannt; wir brauchen bloss noch eine partikuläre Lösung p zu finden. Deren Wert und ihre Ableitungen müssen proportional zu e iωt sein. Daher machen wir den Ansatz p=ae iωt, und erhalten damit dp = ω A e iωt. Eingesetzt (und nach Wegkürzen =iωa und eiωt d p d c ω a+iωb. von e iωt ) ergibt sich ω aa + iωba + ca = d, eine Gleichung für A mit dem Resultat A = Dies liefert uns d p = c ω a + iωb eiωt. (8) Die allgemeine Lösung ist wieder = h + p. In der Physik wird der Realteil der Lösung verwendet. Dafür ist folgende Umformung nützlich: 1 R( a + ib ) = R( a ib (a + ib)(a ib) ) = R( a ib a + b ) = a a + b. (9) 3. Ausführlichere mathematische Betrachtung Die bisherige Aufzählung war in erster Linie als Rezepte beim Lösen konkreter Problem gedacht. Da dabei die mathematische Betrachtung bisweilen in den Hintergrund trat, kehren wir jetzt mit einem etwas anders und insbesondere allgemeiner gelagerten Fokus nochmals zur linearen DGL 1. Ordnung zurück. 3 Hinweis: Dieser Abschnitt ist zur Vertiefung des bisher Geschilderten gedacht; als blosses Rüstzeug zur Bewältigung typischer Aufgaben sind die Abschnitte 1, und 4 für sich genommen bereits ausreichend. Sei y (vorher: ) eine Funktion von (vormals: t). () bezeichne die 1. Ableitung nach (y meint also ). Dann betrachten wir als lineare DGL 1. Ordnung dy d y = a() y + b(). (10) Damit haben wir die Notation leicht verändert: y als die unabgeleitete Funktion steht nun rechts vom Gleichheitszeichen, und den Koeffizienten vor y haben wir durch beidseitige Division eliminiert. Wesentlich ist jedoch nur, dass die Koeffizienten nun ebenfalls von abhängen (wie dies in Gleichung V) bereits für t der Fall war). Wieder beschäftigen wir uns zuerst mit der Lösung der entsprechenden homogenen DGL y = a() y. (11) Sie lautet: a(t) y h () = c e 0 c entspricht gerade dem Wert y h ( ). Ist dieser nicht festgelegt, so umfasst die Menge der Lösungen eine ganze Kurvenschar; erst durch die Anfangsbedingung y h ( ) = y 0 wird daraus eine spezielle Lösung ausgewählt, indem c fiiert wird. (Man spricht daher bei einer DGL-Fragestellung oft von einem Anfangwert- problem, und meint damit ein spezifisches Problem, das eben nicht nur die DGL selbst enthält, sondern auch die Anfangsbedingung (und den Definitionsbereich).) Um einen Einblick in verschiedene Lösungsstrategien zu gewähren, seien hier gleich zwei Wege angegeben, die zur obigen Lösung (1) führen: 3 Vgl. Kapitel 6.. in: Christian B. Lang und Norbert Pucker, Mathematische Methoden in der Physik, Spektrum Akademischer Verlag, Elsevier, München, 005. (1) 3
4 Variante 1: Ausgehend von Gl. (11) benennen wir die unabhängige Variable von auf t um und unternehmen die Umformung y (t) y (t) = a(t) = y(t) y(t) = a(t). (13) Wie man durch Differentiation überprüfen kann, entspricht das Integral y (t) gerade ln(y) + C, y(t) und wir erhalten y (t) y(t) = ln(y()) ln() = ln y() y 0. Wenn wir dies in Gl. (13) einsetzen, erhalten wir, nach Eponentiation, die Lösung (11). (Wir haben hierbei der Integrationskonstante bereits die Anfangsbedingung zugewiesen: y 0 := y( ) = c.) Variante : Wir führen einen sogenannten integrierenden Faktor ein, nämlich: e a(t) =: e A() also a() = A () Damit multiplizieren man die homogene DGL (11) und erhält y e A = a y e A = y e A a y e A = 0 } {{ } (y e A ) = y e A = konst =: c y() = c e A(). Sobald man A() rücksubstituiert, gelangt man damit zu Lösung (1). Die Lösung der inhomogenen Gleichung ist nicht immer ganz so leicht zu finden, wie man es sich nach den obigen Ausführungen erhoffen könnte. Und es lassen sich keine allgemeinen Methoden für das Auffinden der partikulären Lösung angeben. Diese müssen oftmals erraten werden in einem Ratespiel, das durchaus verzwickter sein kann als die bereits genannten Beispiele. Im Falle der linearen DGL 1. Ordnung jedoch können wir die Lösung der inhomogenen Gleichung in allgemeingültiger Form präsentieren: a(t) y() = e 0 ( y 0 + Ausmultipliziert sieht diese Formel folgendermassen aus: y() = y 0 e a(t) + e s a(t) 0 b(s) ds) a(t) s a(t) e 0 0 b(s) ds mit y 0 := y( ) (14) und man erkennt, dass der erste Summand wieder der Lösung der homogenen Gleichung entspricht. Wie aber kommt man auf dieses Ergebnis? Dazu verwendet man eine Methode, die als Variation der Konstanten bekannt ist: Zunächst wählt man einen Lösungsansatz, der sich aus der Lösung y h für die homogene DGL herleitet, nämlich: a(t) y() = α() e 0 mit α( ) = y 0. (15) Das heisst, man ersetzt den konstanten Faktor c durch eine Funktion α(). Der Einfachheit halber substituieren wir a(t) =: A() und finden durch beidseitiges Ableiten y = α e A + α A e A = α e A + α a e A. 4
5 Einsetzen in die ursprüngliche DGL (Gl. 10) ergibt eine Gleichung für α, α e A + α a e A = a α e A + b = α () = b() e A(), mit der Lösung α() = y 0 + s b(s) e A(s) ds (mit A(s) := a(t) ). Man setze in den Ansatz (15) ein und hat damit die Lösung. 4. Beispiel: viskose Reibung Man stelle sich vor: eine fallende Kugel in Öl. Wie verhält sich ihre Geschwindigkeit im Laufe der Zeit? F R 7 v F G Öl Die Gewichtskraft FG wirkt nach unten und beschleunigt, nach oben wirkt eine bremsende Reibungskraft F R. Diese ist allerdings nicht konstant, sondern proportional zur zeitlich variablen Schnelligkeit v. Daher wird irgendwann ein Gleichgewicht erreicht: FR = F G, sodass die Beschleunigung a fortan gleich Null ist und die Geschwindigkeit v konstant. Stellen wir nach dem. Newtonschen Prinzip die Bewegungsgleichung auf, so erhalten wir: m a = F G F R = m g v, wobei den Proportionalitätsfaktor zwischen F R und v darstellt. Wenn man nun durch die Masse m dividiert und die Beschleunigung durch v (der Punkt steht dabei für die Ableitung nach der Zeit) ausdrückt, ergibt sich daraus eine inhomogene lineare DGL 1. Ordnung: v + v = g (16) m Deren Lösung kennen wir bereits aus Fall II) von Abschnitt 1, siehe Gleichung (). Die Anwendung der dortigen Lösung auf unseren Fall liefert uns: v(t) = mg + C e m t =: v p + v h. (17) Die partikuläre Lösung v p beschreibt dabei gerade den stationären Fall, für den F R = F G und somit v =: v p = konst gilt. Dann ist nämlich v p gleich Null, und Gl. (16) vereinfacht sich zu m v p = g, ergo v p = mg. Die Integrationskonstante C in Lösung (17) ist vorläufig noch unbestimmt. Dem schaffen wir sogleich Abhilfe, indem wir als Anfangsbedingung v 0 := v(t = 0) = 0 setzen. Dann haben wir v(0) = mg und können das Schlussresultat schreiben als: v(t) = mg (1 e m t ) (18) Links steht die graphische Darstellung dieser Funktion: Für t strebt v gegen den konstanten Wert v ma := mg. + C = 0 = C = mg 5
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